Crowdfunding heißt eine neue Finanzierungsform, bei der Geld für Projekte via Internet akquiriert wird. Mittlerweile entdecken auch Forscher die „Crowd“ als Einnahmequelle. Und in den USA finanzieren sich Patienten sogar medizinische Eingriffe auf diese Weise.
Wohin nur mit all dem Geld? Wer in der glücklichen Lage ist, sich diese Frage stellen zu können, findet im Internet reichlich Möglichkeiten, es auszugeben. Dabei geht es nicht nur um dumpfen Konsum in den immer gleichen Online-Shops. Wer online Gutes tun möchte mit seinen Euros, der kann sich auf so genannten Crowdfunding-Plattformen umsehen. Dort präsentieren Einzelpersonen oder Unternehmen bestimmte Projekte oder Investitionen, für die Geld benötigt wird. Sie beziffern den Finanzierungsbedarf und bitten um Spenden. Wer möchte, kann sich online per Mausklick verpflichten. Mit Hilfe einer Art Barometer ist jederzeit ersichtlich, welcher Anteil der erbetenen Summe bereits eingegangen ist.
Krebskranke bitten um Spenden
Das Mutterland des Crowdfundings sind die USA, wo Präsident Barak Obama jetzt sogar ein eigenes Crowdfunding-Gesetz unterzeichnet hat. Es schafft vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, die sich per Crowdfunding Geld beschaffen wollen, einen rechtlichen Rahmen. Aber Crowdfunding ist längst nicht mehr auf das Wagniskapitalumfeld beschränkt. Zumindest in Nordamerika nutzen mmer mehr Einzelpersonen Crowdfunding-Plattformen wie etwa Kickstarter.com, RocketHub.com oder Indiegogo.com auch dafür, Geld für medizinische Eingriffe einzuwerben. Auf den deutschen Crowdfunding-Plattformen wie Startnext.de, Seedmatch.de oder Inkubato.com wurde derartiges bisher noch nicht gesichtet.
Für den 21jährigen Joshua beispielsweise, der an einer T-Zell-Leukämie erkrankte, wurden per Crowdfunding rund 10.000 US-Dollar eingeworben. Nicht ganz so viel, aber immerhin noch 8.555 US-Dollar, erhielt die Rock-Band Putrid Pile. Die Freundin des Bandleaders ist offenbar an Gebärmutterhalskrebs erkrankt. Der Spendenaufruf wurde unter dem Titel Fuck Cancer! bei Indiegogo.com platziert. Als Belohnung gab es, logisch, signierte CDs.
8.000 Dollar für das Wunschkind
Krebs ist natürlich in jedem Kontext ein klassisches „Fundraising“-Thema. Es geht aber durchaus nicht nur um Krebs auf diesen Plattformen. Eine mittlerweile abgeschlossene Kampagne, die von der Internet-Community mit 8.050 US-$ statt der erhofften 5.000 US-$ deutlich überfinanziert wurde, hatte den Titel Help the Haley’s Have a Baby. Ein infertiles Paar hat sich hier an die Web-Öffentlichkeit gewandt, um eine IVF zu finanzieren. Das Besondere an dieser Kampagne war nicht nur das Thema und der durchschlagende Erfolg, sondern auch die Tatsache, dass die Kapitalgeber über den Fortschritt des Unternehmens detailliert informiert wurden. Zum Zeitpunkt des letzten Updates war Mutter Jessica gerade schwanger.
In einem weiteren, gerade erst aufgesetzten Crowdfunding-Projekt bittet Deborah Lestenkof aus Alaskas Hauptstadt Anchorage um Unterstützung für eine anstehende Nierentransplantation. Es geht ihr dabei nicht um das Organ per se, sondern darum, dass sie für die Transplantation, für die sie derzeit gelistet ist, mehrmals und für längere Zeit ins Transplantationszentrum nach Seattle reisen muss. Dafür veranschlagt sie 5.000 US-$. Innerhalb von zwei Tagen kamen die ersten 600 US-$ zusammen, gut zwei Monate läuft das Fundraising noch.
Dass die Wahrheit solcher Geschichten im Zweifel schwer zu überprüfen ist, liegt auf der Hand. Mehrere US-Bundesstaaten haben mittlerweile vor dem immensen Missbrauchspotenzial des Crowdfundings gewarnt. Im medizinischen Umfeld soll es eine Frau gegeben haben, die für die Tränendrüse eine Brustkrebsanamnese erfand, das eingenommene Geld in Wahrheit aber für eine Brustvergrößerung ausgab. Wirklich nötig erscheint dieser Umweg allerdings nicht. Denn mit Myfreeimplants.com gibt es längst eine auf Silikon und Co. spezialisierte Website, auf der sich Frauen ganz offen um kostenlose Brustimplantate bemühen können. Die Seite ist eine Mischung aus Crowdfunding-Plattform und sozialem Netzwerk. Wer sich um die Brustvergrößerung einer Auserwählten bemüht, bekommt Zugriff auf Fotos, darf mit ihr chatten und so weiter.
Auch Forscher wollen die neue Geldquelle anzapfen
Seriöser geht es natürlich auch. Spannend aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht ist die Frage, inwiefern Crowdfunding zur Finanzierung von Forschungsprojekten genutzt werden kann. Mit Petridish.org gibt es mittlerweile eine ganz auf dieses Thema spezialisierte Plattform. Und auch die Plattform RocketHub hat sich der Forschung gewidmet und die SciFund Challenge ins Leben gerufen, auf der mittlerweile zahlreiche Labors und Forschungsgruppen aus aller Welt um Geldgeber buhlen.
Die Wahrheit ist allerdings: Die große Mehrheit der Projekte bekommt die angepeilte Summe über das Crowdfunding nicht zusammen. Emotional aufgeladene Themen mit sehr konkreten Fragestellungen scheinen recht gut zu laufen: Der Bau eines Sensors zur Untersuchung der Wolkenbildung in tropischen Regenwäldern hat sein Finanzierungsziel erreicht. Auch das Sexualverhalten einer seltenen Salamanderspecies hat genug Interessenten gefunden. Viele andere Projekte gehen dagegen leer aus. Man muss sich auch verkaufen können, das ist auf einer Crowdfunding-Seite nochmal deutlich wichtiger als bei der DFG.
Daniel Mietchen von der Universität Jena ist ein deutscher Wissenschaftler, der in der aktuellen Runde der RocketHub SciFund Challenge versucht, Geld einzutreiben. Es geht um die dreidimensionale Darstellung von Fossilien per MRT. An der ersten Runde im vergangenen Herbst hatte er auch schon teilgenommen. Das Finanzierungsziel von 1.000 US-$ wird er mit dem aktuellen Projekt deutlich verfehlen.
Das Geld ist für Mietchen aber nicht der einzige Grund, sich auf der Crodfunding-Plattform zu präsentieren: „Ich hatte gehofft, dass einige hundert Leute mit Fachwissen einmal über die Idee nachdenken. In Runde eins hat das sehr gut geklappt, für Runde zwei fehlen noch die Statistiken. Mir geht es vorrangig darum, die Projektidee zu kommunizieren und gegebenenfalls Kooperationspartner zu finden.“ Immerhin: Unabhängig vom Funding hat sich schon ein Hersteller für MRT-Geräte gemeldet und sich bereit erklärt, einige der anvisierten 9-Tesla-Messungen kostenlos durchzuführen. „Die Fossilien sind bereits dorthin unterwegs“, so der Wissenschaftler zu DocCheck.