In den Niederlanden leisten zwei Ärzte mit einer medizinischen Beratung via Twitter seit zweieinhalb Jahren einen Beitrag zur Volksgesundheit. Und das Beste: Sie werden nicht einmal mit Schlamm beworfen.
Als einen Twitter-Pionier würde sich Bart Brandenburg nicht gerade bezeichnen. „Ich habe Twitter im Jahr 2009 eher zufällig kennengelernt. Aber ich war sofort begeistert, weil man dort gerade zum Thema E-Health unheimlich viele Informationen bekommt.“ Aus der Begeisterung entwickelte sich eine Idee: Warum sollte die Kommunikationsplattform Twitter nicht auch bei der medizinischen Beratung von Patienten gute Dienste leisten? Beratung quer durchs medizinische Spektrum Gesagt getan. Der ehemalige Hausarzt, der mittlerweile als Berater im E-Health-Umfeld arbeitet, tat sich mit dem noch praktizierenden Hausarzt Erik Jansen und dem IT-Spezialisten Filip van Dijk zusammen, gründete den Twitter-Account @tweetspreekuur – und wurde damit schlagartig bekannt. Das erstaunt ihn heute noch ein wenig: „Das war damals eine nachrichtenarme Zeit. Wir gaben Mitte Oktober 2009 den offiziellen Startschuss und kamen damit sofort in die nationalen Nachrichten.“ Dass da zwei Ärzte ankamen und behaupteten, auf Basis von 140-Zeilen-Nachrichten sowie gelegentlich einem Foto sinnvolle medizinische Aussagen treffen zu können, erregte Aufmerksamkeit. Nachdem sowohl Brandenburg als auch Jansen einen hausärztlichen Hintergrund haben, war der inhaltliche Fokus von @tweetspreekuur von vornherein klar: „Wir präsentieren uns als Hausärzte und decken damit letztlich alle Indikationsgebiete ab.“ Die Tweets spiegeln diese Breite wider. Werden die 17 Abschnitte der International Classification of Primary Care zugrunde gelegt, dann gab es bereits Anfragen zu allen 17 Kapiteln. Erkrankungen des Bewegungsapparats, Hautprobleme und respiratorische Erkrankungen werden relativ häufig besprochen. Aber auch gastrointestinale Erkrankungen, neuropsychiatrische Erkrankungen und Erkrankungen aus dem gynäkologischen und urologischen Kontext sind immer wieder Thema. Foto- und Videoübertragungen sind möglich, etwa bei Hautbefunden, und davon wird auch immer wieder Gebrauch gemacht. Schon rund 5000 Tweets Den Anspruch, eine „echte“ hausärztliche Therapie zu ersetzen, haben Brandenburg und Jansen nicht. Das erwarten die Patienten, die bei @tweetspreekuur anfragen, aber auch gar nicht: „Die drei wichtigsten Gründe, aus denen wir kontaktiert werden, sind Beratung, Rückversicherung und Triage“, so Brandenburg. Bei „Triage“-Fragen geht es in der Regel darum, ob ein Arzt aufgesucht werden sollte oder nicht, und falls ja welcher. Häufig empfehlen die Twitter-Doktoren letztlich den Arztbesuch. Und oft machen die Patienten das dann auch: „Wir erheben kein systematisches Follow-up, fragen aber gelegentlich nach, was aus einzelnen Patienten geworden ist“, so Brandenburg. Insgesamt haben Jansen und Brandenburg in den vergangenen zweieinhalb Jahren annähernd 5000 Tweets bearbeitet, pro Konsultation im Durchschnitt 8 Tweets. Die Anfragefrequenz war nach den ersten Medienberichten sehr hoch, hat sich dann aber bei 5 bis 10 Anfragen pro Woche eingependelt. Das ist handhabbar. Geld nehmen die beiden für ihre Twitter-Beratung nicht. Das ist möglicherweise auch einer der Gründe, warum das medizinische Establishment in den Niederlanden erstaunlich positiv reagiert hat. Wütendes Gepolter, wie es das deutsche Gesundheitswesen nach dem Start der Online-Praxis DrEd in London zum Besten gegeben hat, haben die Twitter-Ärzte nicht erlebt. Im Gegenteil: „Wir wurden sogar zu einem E-Health-Forum der niederländischen Ärztegesellschaft KNMG eingeladen, und unsere Präsentation war eine der am besten bewerteten Präsentationen der ganzen Veranstaltung.“