Die Auslöser für den plötzlichen Kindstod sind bis heute noch weitgehend unbekannt. In einer aktuellen Studie fiel jedoch auf, dass in einem erheblichen Teil der Fälle post mortem erhöhte Serotonin-Spiegel messbar waren.
In einer Studie von Haynes und Kollegen wiesen bis zu 31 Prozent der getesteten Blutproben von verstorbenen Neugeborenen erhöhte Serotoninwerte auf. „Möglicherweise bietet sich dadurch zukünftig eine diagnostische Möglichkeit, um den plötzlichen Kindstod von anderen schlafbedingten Todesursachen abgrenzen zu können“, so die Autoren zur Bedeutung ihres Befundes. Darüber hinaus könnten aber auch Unregelmäßigkeiten im Serotonin-Stoffwechsel bei Neugeborenen als ein erstes Indiz auf ein erhöhtes Risiko hindeuten. Dennoch merken Haynes und Kollegen an, dass es sich hierbei um eine erste Befundsituation handelt. Um den Serotoninwert bei Neugeborenen oder zur Klärung von Todesfällen unbekannter Ursache sicher anwenden zu können, sind noch weitere Studien notwendig.
In früheren Studien trat ebenfalls ein Serotoninüberschuss im Blut von am plötzlichen Kindstod verstorbenen Neugeborenen auf. Allerdings zeigte sich dabei auch, dass das Serotonin in bestimmten Gehirnregionen deutlich erniedrigt war. Serotonin ist ein wichtiger Neurotransmitter, der in eine Vielzahl neurologischer Prozesse eingebunden ist. Umso interessanter wird in diesem Zusammenhang, in welchen Hirnregionen die Forscher bei den verstorbenen Neugeborenen schließlich einen Serotoninmangel festgestellt hatten. In erster Linie waren nämlich Gehirnteile zur Steuerung der Atmung, der Herzrate, des Blutdruckes sowie der Körpertemperatur betroffen. Dies sind sehr sensitive Gehirnbereiche, welche dysreguliert bei Neugeborenen das Risiko für den plötzlichen Kindstod steigern könnten.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, ebenso wie vorausgegangener Studien, deuten auf einen Zusammenhang zwischen dem Serotoningehalt bei Neugeborenen und dem höheren Risiko für den plötzlichen Kindstod hin. Dennoch bleibt unklar, ob der erhöhte Serotoninwert im Blut oder aber der Serotoninmangel in bestimmten Gehirnregionen den Tod der Neugeborenen fördert. Ferner ist die Stichprobe, die Haynes und Kollegen zugrunde legten, mit 61 Fällen des plötzlichen Kindstodes und nur 15 Kontrollen mit akuten Todesursachen sehr klein. Hinzu kommt, dass die akuten Todesursachen innerhalb der Kontrollgruppe sehr heterogen waren. Wie die Forscher außerdem erklärten, reichen ihre Ergebnisse längst nicht aus, um daraus verbindliche Regeln für die medizinische Praxis abzuleiten. Andererseits aber sind die Befunde interessant genug, um in dieser Richtung weiter aktiv werden zu müssen. Vielleicht hilft der Serotoninwert zukünftig als Biomarker dabei, das erhöhte Risiko für den plötzlichen Kindstod bei einem Teil der Neugeborenen früher abschätzen oder zumindest eine Ursache für das Syndrom benennen zu können. Das wäre ein erster Schritt, um Eltern und behandelnde Ärzte nicht länger ratlos in dieser schweren Situation zurückzulassen. Quelle: High serum serotonin in sudden infant death syndromeHaynes, Robin L. et al., Proceedings of the National Academy of Sciences; doi:10.1073/pnas.1617374114; 2017