Ein Leser wies uns darauf hin, dass in der aktuellen Roten Liste seit einiger Zeit keine Produkte von Hexal mehr zu finden seien. Ein Datenbankfehler? Wir haben nachgefragt und können eindeutig antworten: Nein.
Auf dem Schreibtisch des Arztes war die Rote Liste lange Zeit ein Statussymbol wie weißer Kittel und Stethoskop. Weil niemand sämtliche Medikamente auswendig kennen kann, die die Industrie so auf den Markt bringt, brauchte es ein Referenzwerk, in dem schnell und ohne Schnörkel die nötigen Details zu Dosierung oder Nebenwirkung nachgeschlagen werden konnten. Ärztin und Arzt konnten sich darauf verlassen, dass alle Medikamente, die ihnen im Alltag begegnen würden, dort zu finden sind. Tatsächlich glauben viele Kollegen noch heute, dass die Rote Liste in ihrer ganzen roten Schlichtheit und Seriosität eine Art offizielles Verzeichnis ist.
Die Lücke hat System
Umso erstaunter war einer unserer Leser, als er vor einiger Zeit ein Hexal-Produkt in der Roten Liste suchte, es aber nicht fand. Ein Versehen? Der Leser schaute etwas genauer hin und bemerkte, dass die komplette Produktpalette von Hexal aus der Online-Version der Roten Liste verschwunden war. Da wandte er sich an DocCheck und schlug eine entsprechende Recherche vor. Gesagt getan. Wir schauten uns zunächst einmal im Internet um und stellten zweierlei fest. Erstens ist das Thema dort nicht völlig unbekannt. Schon vor einigen Monaten wurde die Hexal-Lücke in einigen Foren andiskutiert, ohne dort gelöst werden zu können. Die Kollegen gingen von einem Datenbankfehler aus. Die Diskussion schlief ein. Das zweite, was uns auffiel war, dass in der Roten Liste auch die Produkte der Hexal-Tocher 1A Pharma fehlten. Und nicht nur das: Auch in dem als Online-Quelle für viele Kollegen mittlerweile wichtigeren Fachinfo-Service der Rote Liste Service GmbH tauchen Hexal und 1A nicht auf, wohl aber in der von der konkurrierenden Medizinische Medien Informations GmbH herausgegebenen Gelben Liste. Diese Konstellation war zumindest auffällig und sprach eher gegen ein Versehen. Wir fragten bei Hexal nach – und bekamen Antwort vom Leiter Unternehmenskommunikation Hermann Hofmann.
Herstellereigene Datenbank als Alternative?
Tatsächlich ist die Hexal- und 1A-Lücke in der Roten Liste demnach kein Versehen. Das Unternehmen habe sich aus zwei Gründen dazu entschlossen, die Listung auszusetzen, so Hofmann. Zum einen stehe auf der Internetseite von Hexal eine Produktdatenbank zur Verfügung, die nicht nur die Packungsbeilage und die Fachinformation der Hexal- und 1A-Produkte enthalte, sondern die insgesamt ansprechender gestaltet und besser zu navigieren sei. Zum anderen hat das Njet der Hexal AG zur Roten Liste auch finanzielle Gründe. Für einen Eintrag in der Liste müssen die Unternehmen bezahlen. Wie viel das ist, hängt von der Zahl der Produkte beziehungsweise von der Zeilenzahl ab. Bei Hexal sei es ein sechsstelliger Betrag, so Hofmann. In Zeiten, in denen Ärzte fast alle online sind und die entsprechenden Informationen auch an anderer Stelle schnell und problemlos finden, war das dem Generikahersteller offensichtlich zu viel.
Nächster Akt im Drama „Nachschlagewerke und die digitale Revolution“
Unabhängig von der Anfrage bei Hexal haben wir natürlich auch bei der Roten Liste angefragt, um uns zu erkundigen, was denn da in Sachen Hexal los sei. Dem Unternehmen sei der Eintrag zu teuer gewesen, wurde uns dort im Einklang mit der Antwort von Hexal mitgeteilt. Auch in der neuen Print-Version der Roten Liste seien Hexal und 1A nicht mehr vertreten. Der Verlag weist allerdings darauf hin, dass die Zeilenpreise für Rote Liste-Einträge ohnehin schon gesenkt worden seien, um den geänderten Realitäten Rechnung zu tragen.
Insgesamt schält sich ein Bild heraus wonach die Rote Liste, ähnlich anderen etablierten Nachschlagewerken wie dem Großen Brockhaus oder Encyclopedia Britannica, gezwungen ist, auf die digitale Revolution zu reagieren und sich damit offenbar nicht so ganz leicht tut. Gesucht ist ein Geschäftsmodell, das nicht nur die neuen (Online-)Lesegewohnheiten berücksichtigt, sondern auch der Tatsache Rechnung trägt, dass es für die Unternehmen sehr viel einfacher geworden ist, Informationen selbst zu publizieren und unters (Ärzte-)Volk zu bringen.