eLearning, Videokonferenzen, eBooks, Podcasts, Vorlesungsmitschnitte und Onlineprüfungen. Wie lange müssen wir überhaupt noch zur Uni gehen und ist das Lernen von Zuhause nicht sowieso viel bequemer? Erste Eliteunis bieten jetzt komplette Kurse online an - kostenfrei.
Welcher Student von heute könnte sich Studieren noch ohne Internet und ohne moderne Informationstechnologien vorstellen? Wie war Studieren ohne die von den Dozenten zur Verfügung gestellten Präsentationen und Recherchen im Internet oder der Bibliotheksdatenbank überhaupt möglich? Quellen ausschließlich in Karteikästen der Bibliotheken zu suchen, jedes Wort in der Vorlesung mitschreiben zu müssen und Dozenten, die an Tafeln schreiben, liegen heutzutage beinahe jenseits unseres Vorstellungsvermögens.
All inclusive-Paket aus dem Netz
In Zeiten fortschreitender Digitalisierung liegen sämtliche Vorlesungsmaterialien, zum Teil in Form von eBooks und sogar Video- und Audiomitschnitten der Vorlesungen, auf unseren Festplatten. Es stellt sich zunehmend die Frage, warum man sich überhaupt noch in Richtung baufälliger Unigebäude begeben soll. Alles, was ich zum Bestehen der Klausuren benötige, kann ich mir doch auch ganz bequem in den heimischen vier Wänden zu Gemüte führen. Über den VPN-Client der Uni habe ich 24 Stunden täglich Zugriff auf fast alle wissenschaftlichen Arbeiten, die ich benötige und wenn ich eine Frage an meinen Professor habe, schicke ich ihm einfach eine E-Mail.
Gerade in Studiengängen, die ohne aufwendige Praktika auskommen, wäre die vollkommene Dezentralisierung der Hochschulausbildung vielleicht die Lösung aller Probleme, die sich durch Studienplatzbegrenzungen ergeben. Seminare und Lerngruppen könnten ebenfalls gut in Videokonferenzen funktionieren. Jeder der eingeschriebenen Studenten bräuchte nur einen Internetzugang und könnte sich an jeder beliebigen Uni weltweit einschreiben.
Studieren in Stanford für lau? Schon heute kein Traum mehr.
Exakt diese Idee hatte Sebastian Thrun von der Stanford University. Inspiriert durch Salman Khans „Khan Acadamy“, eine Youtube-basierte und völlig kostenfreie Lernplattform im Volkshochschul-Stil, die jederzeit von überall zugänglich Kurse, vor allem in den Fachbereichen Mathematik und Statistik, anbietet, kam Thrun auf die Idee, auch seine Veranstaltung „Introduction to Artificial Intelligence“, die er an der Stanford Universität hält, online und frei für alle anzubieten. Nach Verhandlungen mit der Universitätsleitung konnte er zwar keine offizielle Anrechenbarkeit des Kurses erreichen, erfolgreichen Teilnehmern wird aber ein offizielles Teilnahmezertifikat durch die Universität ausgestellt.
Innerhalb weniger Wochen schrieben sich weit mehr als 100.000 Menschen aus ganzer Welt für die Veranstaltung ein. Aber auch seine offiziellen Studenten, die an den „echten“ Vorlesungen teilnehmen durften, profitierten von den online gestellten Materialien. Die Noten verbesserten sich drastisch, obwohl die Klausuren anspruchsvoller wurden und Thrun traf auf exzellente Studenten, die sonst niemals ihren Weg nach Stanford gefunden hätten. Regelmäßig werden die besten seiner Studenten, sowohl die des regulären als auch die des digitalen Jahrgangs, an namhafte Firmen der Technologiebranche vermittelt. Für beide Seiten also ein Erfolgskonzept.
Online-Kurse in der Medizin
Auch in der Medizin setzen sich Online-Learning-Konzepte zunehmend durch und fast jede medizinische Fakultät bietet mittlerweile digitale Lernmaterialien an. Insbesondere beim Erlernen von klinischen Fertigkeiten, aber auch beim Verstehen von pathophysiologischen Prozessen sind Videos und Animationen aus der medizinischen Didaktik nicht mehr wegzudenken. So bieten zum Beispiel diverse Skill-Labs, aber auch renommierte Zeitschriften wie das „New England Journal of Medicine“ große Lernvideo-Sammlungen an.
Wirklich zusammenhängende und anrechenbare Kurse sucht man in der Kernausbildung der Medizin bisher allerdings vergebens. In geringem Umfang gibt es für bereits fertige Ärzte Möglichkeiten, online, im Rahmen von zertifizierten Kursen, CME-Punkte (Continious Medical Education) zu sammeln. Über die reine Medizin hinausgehend, bietet ein europäisches Netzwerk von verschiedenen Friedensorganisationen (u.a. IPPNW – International Physicians for the Prevention of Nuclear War) einen sehr umfangreichen und völlig kostenfreien Online-Kurs mit dem Titel „Medical Peacework“ an.
Die Zukunft der Hochschulausbildung?
Was bei Aus- und Weiterbildung innerhalb großer Firmen längst die Regel ist, könnte auch zunehmend Einzug in den Alltag der universitären Lehre halten. Für die Studenten würde das den Horizont der Studienmöglichkeiten enorm erweitern. Für die Universitäten würde es große Veränderungen und möglicherweise auch eine Verstärkung des Wettbewerbs bedeuten. Globalisierung und Monopolisierung würden auch verstärkt auf den Bildungssektor übergreifen und es wäre denkbar, dass die Anzahl der Anbieter einer solchen Ausbildung auf wenige große „Universitätskonzerne“ fiele. Ob das dann noch unserer Vorstellung einer freier Bildung gleich kommt? Eine Menge Chancen bietet es in jedem Fall.
Inwiefern ist das Lehrmodell von Sebastian Thrun auf den medizinischen Sektor übertragbar? Welche medizinischen Inhalte lassen sich Eurer Meinung nach auch auf digitalem Wege vermitteln? Diskutiert in den Kommentaren!