Die Einnahme von Valproat während der Schwangerschaft steht mit erhöhten Fehlbildungsrisiken beim ungeborenen Kind in Verbindung. Jetzt nimmt der Gesetzgeber Apotheker in die Pflicht: Sie sollen Kunden Patientenkarten aushändigen, weil Ärzte zu wenig aufklären.
Neurologen verordnen Valproat unter anderem bei Epilepsie als Reservemedikament, sollten andere Pharmaka nicht den gewünschten Effekt zeigen. Frankreich hat das Präparat als erstes Land im Jahr 1967 zugelassen. Mittlerweile liegen umfangreiche Daten zu Fehlbildungen vor.
Wie die französische Arzneimittelbehörde ANSM schätzt, sind seither zwischen 2.150 und 4.100 Kinder mit Fehlbildungen aufgrund der Pharmakotherapie geboren worden. Genaue Fallzahlen gibt es nicht. Als Prävalenz geben Forscher auf Basis neuer Datenbankanalysen 46,5 Fälle pro 1.000 Geburten an. In der Vergleichsgruppe ohne Valproat waren es 10,2 pro 1.000. Im Detail nennen die Autoren folgende Risikowerte für Anomalien: Spina bifida (18,8-fach erhöhtes Risiko), ventrikuläre Septumdefekte (11,2-fach erhöht), Vorhofseptumdefekte (9,1-fach), Atresien der Lungenarterie (26,2-fach), hypoplastische linke Ventrikel (17,9-fach), Gaumenspalten (5,2-fach), Analatresien (11,0-fach), Hypospadien (4,7-fach) und präaxiale Polydaktylie (10,8-fach). Das Expertenteam weist darauf hin, dass Carbamazepin, Clonazepam, Lamotrigin, Pregabalin oder Topiramat ebenfalls zu mehr Fehlbildungen führen. Das Risiko sei aber deutlich geringer als bei einer Einnahme von Valproat, schreibt die ANSM.
Aus Sicht von Forschern ist der Zusammenhang nicht neu. Erste Anhaltspunkte gab es schon in den späten 1960er-Jahren. Allerdings häufen sich die Hinweise, dass Ärzte schwangere Patientinnen nicht ausreichend informieren. Laut Risikominderungsmaßnahmen der EMA sollten Frauen im gebärfähigen Alter Valproat nur erhalten, falls andere Pharmaka nicht zum Erfolg geführt haben. Gleichzeitig verpflichtet die Agentur Ärzte, Patientinnen über teratogene Risiken zu informieren. Soviel zur Theorie. In der Praxis sieht es düster aus. Britische Forscher hatten 2.700 Epilepsie-Patientinnen befragt. Jede fünfte Frau wusste nicht, dass es zu Gefahren für ungeborene Kinder kommen kann.
Offensichtlich erreichten bisherige Kommunikationsmaßnahmen nicht ihr Ziel. „Vor dem Hintergrund von erneuten Diskussionen und Bewertungen auf europäischer Ebene und aktuell vorliegenden Erkenntnissen und Diskussionen mit Fachgesellschaften hält das BfArM die zusätzliche Einführung einer Patientenkarte als weitere, die bisherigen Maßnahmen ergänzende Risikominimierungsmaßnahme für erforderlich“, heißt es in einer Mitteilung. Zum 13. Juli erhielten Pharmazeuten deshalb ein entsprechendes Informationsschreiben und 20 Patientenkarten. „Ärzte und Apotheker werden hierin gebeten, jeder Patientin im gebärfähigen Alter bei jeder Verordnung bzw. Abgabe von Valproat die beigefügte Patientenkarte auszuhändigen und inhaltlich zu erläutern“, so die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).