Pflaster mit dem Wirkstoff Lidocain helfen Patienten mit Nervenschmerzen oft, aber leider nicht immer. Schmerzspezialisten sind nun den Mechanismen auf die Spur gegangen, warum Lidocain nicht in allen Fällen seine Wirkung entfaltet.
Lidocain ist ein Lokalanästhetikum und wird in Form einer Injektionslösung gerne von Zahnärzten zur örtlichen Betäubung eingesetzt. Seine Wirkung setzt rasch ein und hält mehrere Stunden an. Haut und Schleimhäute enthalten viele Nervenfasern, die auf Reizungen und Verletzungen reagieren. Lidocain blockiert vermutlich Natrium-Kanalproteine, die in der Zellmembran dieser Nervenzellen stecken und für die Reizweiterleitung eine wichtige Rolle spielen.
Seit 2007 ist die Substanz auch in Form eines Pflasters zur Therapie von neuropathischen Schmerzen zugelassen, die nach Abklingen der akuten Phase einer Herpes-Zoster-Erkrankung bei einem Teil der Patienten auftreten können. Großer Vorteil für die Gürtelrose-Patienten ist, dass Lidocain auch bei dieser Anwendungsform nur lokal wirkt und so kaum Nebenwirkungen erzeugt.
Leider profitiert aus ungeklärten Gründen nur ein Teil der Patienten von den Pflastern. Warum das so ist, hat ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum versucht herauszufinden. Wie die Wissenschaftler um Professor Christoph Maier und Elena Krumova nun in der Fachzeitschrift Pain mitteilen, verändert Lidocain hauptsächlich die Wahrnehmung, die über die kleinen Nervenfasern in der Haut vermittelt wird – allerdings in stark unterschiedlicher Ausprägung.
Quantitative Messung der Schmerzprofile
Die Bochumer Forscher untersuchten bei 26 gesunden Freiwilligen die Wirkung des Lidocain-Pflasters. Um Schmerzen exakt erfassen zu können, verwendeten Krumova und ihre Kollegen die so genannte Quantitative Sensorische Testung (QST): Bei diesem Verfahren geben die Ärzte genau definierte Reize auf die Haut der Probanden und bestimmen die Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen für Kälte, Wärme, Berührung oder Druck. Daraus resultiert ein charakteristisches Profil, das Rückschlüsse auf die Art der zugrundeliegenden Nervenfasern zulässt, die den Schmerz hervorrufen.
Bei den Testpersonen der Bochumer Studie erstellte das Team um Krumova zuerst im Abstand von drei Tagen zwei Schmerzprofile ohne Pflaster und dann eines mit Pflaster. Die Forscher klebten dafür ein Pflaster mit Lidocain auf den einen Unterarm und ein Placebopflaster ohne Wirkstoff auf den anderen Unterarm des jeweiligen Studienteilnehmers. Jeweils eine, drei und sechs Stunden nach Auftragung des Pflasters maßen sie mit Hilfe der QST die Schmerzschwellen der Probanden. Bei einem kleinen Teil der Testpersonen traten Hautrötungen auf, die aber nach dem Entfernen der Pflaster schnell wieder verschwanden.
Starke Unterschiede bei Testpersonen
Im Vergleich zum Placebo setzte Lidocain die Wahrnehmungsschwellen für Wärme, Kälte und in kleinerem Ausmaß auch für mechanischen Schmerz herauf, das heißt die Probanden nahmen diese Reize auf dem betäubten Areal nicht mehr so deutlich wahr. Die Zunahme der Reizschwellen variierte zwischen den Versuchspersonen allerdings sehr stark. Zum Beispiel veränderte sich bei 54 Prozent der Probanden die Wahrnehmung für Kälte nur schwach, bei acht Prozent jedoch sehr stark.
„Vermutlich hat die Anzahl der kleinen Nervenfasern in der Haut einen entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit der Lidocain-Pflaster“, sagt Krumova, die in der Abteilung Schmerztherapie des berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil geforscht hat. „Vielleicht würden Personen mit vielen kleinen Nervenfasern von Pflastern profitieren, die mehr Lidocain enthalten.“ Allerdings, so Krumova, könne man die Lidocain-Konzentration nicht beliebig erhöhen, da die Wahrscheinlichkeit von systemischen Nebenwirkungen immer größer werde.
Neue Studie in Planung
Die Anzahl der geschädigten kleinen Nervenfasern könnte den Studienergebnissen zufolge auch bei Gürtelrose-Patienten der Faktor sein, der darüber entscheidet, ob die Pflaster wirken oder nicht. Deswegen plant die Arbeitsgruppe um Maier zusammen mit der Klinik für Neurologie der Universität zu Kiel nun eine neue Studie: Diesmal wollen die Forscher Wahrnehmungsprofile von Patienten mit neuropathischen Schmerzen mit Hilfe der QST anfertigen und untersuchen, ob Patienten, die unterschiedlich Testreize wahrnehmen, auch unterschiedlich auf Lidocain-Pflaster ansprechen.
Auch andere Experten fordern solche Studien: „Die Situation von gesunden Personen kann man nur sehr eingeschränkt mit der von Patienten vergleichen“, sagt Professor Wilfrid Jänig, Leiter einer Arbeitsgruppe am Physiologischen Institut der Universität zu Kiel. „Bei Gürtelrose-Patienten sind die kleinen Nervenfasern in unterschiedlichem Ausmaß beschädigt, was bei gesunden Personen nicht der Fall ist.“ Seiner Ansicht nach muss die klinische Forschung am Patienten dringend verstärkt werden. Denn bisher, so Jänig, sei nicht zweifelsfrei bewiesen, dass Lidocain tatsächlich nur die Reizweiterleitung blockiere und nicht noch weitere positive Wirkungen bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen habe.