Was ist eigentlich ein ärztlicher Behandlungsfehler? Wie lässt er sich im klinischen Alltag vermeiden und wie gehe ich vor, wenn ich an einem Fall beteiligt bin? Ein Justiziar der MHH bringt im Gespräch mit DocCheck etwas Licht ins Dunkel.
Verstöße gegen ärztliche Behandlungsstandards
„Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten“, sagte der weise Konfuzius einst. Dieser Rat gilt im richtigen Leben wie natürlich auch in der modernen Medizin und bekommt beim unliebsamen Thema des ärztlichen Behandlungsfehlers eine ganz neue Brisanz. Der Grund: Hier geht es weniger um Tippfehler oder eine falsche Kaufentscheidung, sondern vielmehr um Menschenleben! Angefangen bei der Verwechselung von Medikamenten bis hin zur Amputation des falschen Beines oder der Unterlassung einer obligatorischen Aufklärung – das Spektrum ist groß und die genaue Definition schwierig.
Frage ich den Rechtsanwalt und Justiziar Herrn Sven-Lars Röhl aus der Rechtsabteilung der Medizinischen Hochschule Hannover, kann er mir zumindest die juristische Begriffserklärung beschreiben. Demnach handele es sich beim ärztlichen Behandlungsfehler um die schuldhafte Verletzung der anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst, die sich dabei vor allem nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung richten würden.
„Ein medizinischer Behandlungsfehler liegt also bei jeder ärztlichen Maßnahme vor, die gegen die Regeln der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung verstößt und die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt“, ergänzt Röhl seine Definition. Hierbei sei es schließlich noch wichtig, daran zu denken, dass nicht nur Handeln sondern auch das Unterlassen einer Handlung zu einem solchen Fehler werden könne.
Erste Hilfe in der Not
Soweit also zur recht komplexen Begriffserklärung. Aber was passiert eigentlich, wenn mir als Famulantin, PJler oder als Assistenzsarzt ein solcher Fauxpas unterläuft? Für den Fall der Fälle wäre nach Röhl beispielsweise an der MHH seine Rechtsabteilung zuständig. An der MHH existieren demnach Dienstanweisungen für den Umgang mit Zwischenfällen. „Dort sind alle notwendigen Maßnahmen geregelt“, beschreibt der Justiziar den rechtlichen „Notfallkoffer“ der Hochschule. „Daneben stehen auch das Risikomanagement und die Rechtsabteilung für Fragen zur Verfügung“, verweist Röhl auf die Aufgaben seiner Abteilung. Es gibt also konkrete Maßnahmen und Abläufe, die im Falle eines ärztlichen Behandlungsfehlers in Gang gebracht werden können.
Erst der Fehler, dann die Konsequenzen
Möchte man mehr über die Prinzipien eines Verfahrens wissen, empfiehlt sich das kurze Informationsvideo der Rechtsanwälte Kotz auf YouTube (siehe Link). Hier definiert der Rechtsanwalt noch einmal den Begriff des ärztlichen Behandlungsfehlers und beschreibt Merkmale eines Verfahrens im Schnelldurchlauf. Unterstellt ein Patient einem Arzt einen Behandlungsfehler, muss er diesen erst einmal beweisen können. Die sogenannte Beweislast liegt folglich auf Seiten des Patienten. Diese Beweislast kann sich hingegen umkehren, sofern es sich um einen groben Behandlungsfehler handel. In diesem Fall hat der Arzt gegen einen gültigen Standard verstoßen und einen Fehler begangen, der ihm nicht hätte unterlaufen dürfen.
Klagt der betroffene Patient dann auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, steht der beklagte Arzt in der Pflicht, seine Unschuld zu beweisen. Kann der Patient den Fehler beweisen, muss der betroffene Arzt in der Regel mit teils schweren Konsequenzen rechnen, die laut Röhl strafrechtlicher und/oder zivilrechtlicher Natur sein können. „Zivilrechtliche Ansprüche ergeben sich aus dem zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patient geschlossenen Behandlungsvertrag. Darüber hinaus können sich auch Ansprüche aus Delikt ergeben“, geht der Rechtsanwalt näher ins Detail. Neben dem Zivilrecht spiele aber auch das Strafrecht eine wichtige Rolle in Hinblick auf die Konsequenzen: „Strafrechtlich kann sich der Arzt einer Körperverletzung strafbar machen, da anders als bei einem Eingriff „lege artis“ bei einer fehlerhaften Behandlung nicht von einer wirksamen Einwilligung des Patienten ausgegangen werden kann“, beschreibt Röhl den Sachverhalt. Im schlimmsten Falle könne hierbei sogar der Tatbestand einer fahrlässigen Tötung vorliegen!
Prävention kann Leben retten!
Die Antworten des Rechtsanwaltes lassen vor allem eines deutlich werden: Versehentliches Fehlverhalten kann Leben und Karrieren und Zukunft zu Grunde richten. Grund genug, noch einmal nach Möglichkeiten der Vorbeugung zu fragen. Denn diese sind besonders in Zeiten der Modernisierung und Technisierung der Medizin immer breiter verfügbar. Herr Röhl nennt als verbreitete Beispiele Fehlerberichtssysteme und freiwillige Berichte über kritische Ereignisse. „Dieses verbesserte Risk-Management bedeutet, dass durch eine kontinuierliche Fallsammlung und Auswertung, die fehlerhaften und problematischen Maßnahmen der Ärzte sichtbar gemacht werden“, fasst er die Vorteile der neuen Strategien zusammen.
Checklist - Folgende Dinge solltet Ihr beachten:
Doch obgleich ein systematisches Risk-Management eine gute Präventionsbasis darstellt, gibt es noch weitere probate Mittel, um Behandlungsfehlern effektiv vorzubeugen: Eine fundierte Ausbildung, Wissen um aktuelle Behandlungsstandards und natürlich ein hohes Maß an Aufmerksamkeit bei der Arbeit.