Die Radiotherapie zeigt hervorragende Behandlungserfolge beim lokal beschränkten Prostatakarzinom. Darauf weist ein internationales Forscherteam hin, das im Rahmen einer systematischen Analyse mehr als 52.000 Erkrankungsfälle untersucht hat.
Rund 63.500 Männer in Deutschland erkranken im Jahr an Prostatakrebs, mehr als an jeder anderen Krebsart. Wenn der Tumor auf das walnussgroße Organ begrenzt ist, bestehen in den meisten Fällen gute Heilungschancen. Doch welche Art der Behandlung dann die beste Aussicht auf Erfolg bietet, darüber streiten Mediziner noch (vgl. DocCheck News 2010). Um die Krebszellen zu zerstören, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Urologie momentan in ihrer Leitlinie entweder die operative Entfernung der Prostata oder eine Strahlentherapie. Beide Verfahren gelten als gleichwertig, obwohl randomisierte Studien, die sie untereinander vergleichen würden, bislang fehlen. Eine internationale Forschergruppe aus Seattle hat nun die vielen Behandlungsergebnisse der vergangenen Jahre im Rahmen einer Metastudie analysiert. Wie die Wissenschaftler um den Prostataexperten Peter Grimm in der Fachzeitschrift British Journal of Urology International mitteilten, trat bei Patienten, die mit einem der verschiedenen Bestrahlungsverfahren behandelt wurden, das Prostatakarzinom seltener wieder auf als bei Patienten, die sich einer Operation unterzogen hatten. Moderne Techniken fanden nur teilweise Berücksichtigung Grimm und seine Kollegen werteten insgesamt 134 Originalpublikationen mit 52.017 Prostatakarzinom-Patienten genauer aus. 16.697 dieser Patienten wurden operiert, 22.479 erhielten eine Brachytherapie, zum Teil mit zusätzlicher externer Bestrahlung und Antihormontherapie, 12.082 wurden nur extern bestrahlt und 759 mit anderen Verfahren behandelt. Da es sich um eine Vielzahl zumeist retrospektiver Studien handelt, die über einen Zeitraum von zehn Jahren publiziert wurden, die Behandlungen jedoch noch länger zurück lagen, konnten die Wissenschaftler in ihrer Analyse moderne Techniken nur teilweise berücksichtigen. In allen verwendeten Studien waren die Patienten in drei Risikogruppen eingeteilt. Als Maß für die Wirksamkeit einer bestimmten Behandlung diente die biochemische Rezidivfreiheit, also der Anteil von Patienten, bei denen der Wert des prostataspezifischen Antigens (PSA-Wert) nach der Behandlung nicht erneut anstieg. Es zeigte sich, dass die Radiotherapie in allen Prognosegruppen der Operation überlegen war: Bei Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko führte die alleinige Brachytherapie zu den besten Ergebnissen aller Behandlungsverfahren. Bei Patienten mit mittlerem Risiko erwies sich die Kombination aus Brachytherapie und externer Bestrahlung der alleinigen Brachytherapie als ebenbürtig. Patienten mit einem hohen Risiko profitierten am meisten von einer Kombination aus Brachytherapie und externer Bestrahlung, eventuell ergänzt durch eine Antihormontherapie. Gute Entscheidungshilfe für Ärzte und Patienten „Die Analyse von Grimm und seinen Mitarbeitern ist statistisch gut gemacht. Sie liefert aber keinen endgültigen Beweis, dass die Radiotherapie besser als die Operation geeignet ist, um ein lokal begrenztes Prostatakarzinom zu behandeln“, sagt Professor Jürgen Dunst, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) und Direktor der Klinik für Strahlentherapie an der Universität zu Lübeck. „Solange jedoch keine neuen Daten aus randomisierten Studien vorliegen, bietet sie eine gute Entscheidungsgrundlage für Ärzte und Patienten.“ Bisher spielten oft persönliche Vorlieben des behandelnden Arztes eine wichtige Rolle, wenn sich der Patient für oder gegen ein bestimmtes Verfahren entschied. Dunst: „Normalerweise diagnostizieren Urologen die Krankheit und bieten meistens dem Patienten auch eine Operation an, wenn der Tumor nicht fortgeschritten ist.“ Kein Wunder, dass in Deutschland im frühen Krankheitsstadium mehr operiert als bestrahlt wird. Auch wenn die DEGRO schon seit einigen Jahren empfiehlt, dass Patienten in Prostatazentren sowohl von einem Strahlentherapeuten als auch einem Urologen interdisziplinär beraten werden sollten, hat Dunst nach Gesprächen mit vielen Kollegen nicht den Eindruck, dass diese Empfehlung schon vollständig umgesetzt wurde. „Alle großen Krankenhäuser wollen zertifizierte Prostatazentren werden und aus diesem Grund muss eine bestimmte Mindestzahl von Operationen pro Jahr stattfinden“, erklärt Dunst. Nebenwirkungen halten sich in Grenzen Für ihn und viele andere Strahlentherapeuten waren die Ergebnisse der Metastudie deshalb Anlass für eine Pressemitteilung, die kürzlich von der DEGRO veröffentlicht wurde. Mit ihrer Hilfe wollen Dunst und seine Kollegen nochmals Patienten und behandelnde Ärzte auf die Vorteile einer Strahlentherapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom aufmerksam machen. Da die Prostata ein kleines Volumen hat, halten sich die Nebenwirkungen bei einer Bestrahlung in akzeptablen Grenzen: „Patienten vertragen eine Radiotherapie meistens sehr gut“, sagt Dunst. „Erektionsfähigkeit und Harnkontinenz bleiben bei der Mehrzahl der Patienten erhalten.“ In wenigen Fällen, so der Mediziner, könnten chronische Blasen- oder Darmentzündungen auftreten, jedoch seien diese selten schwerwiegend. Eine möglichst hohe Lebensqualität während und nach der Behandlung ist ein wichtiger Aspekt für viele Patienten, der ihre Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapie massiv beeinflusst. „Die Untersuchung von Grimm und seinen Mitarbeitern gibt jedoch keine Auskunft, wie unterschiedlich stark die Lebensqualität der Patienten von den Nebenwirkungen der verschiedenen Therapieformen beeinträchtigt wird“, sagt Professor Thomas Wiegel, Ärztlicher Direktor der Abteilung Strahlentherapie am Universitätsklinikum Ulm. Ein weiterer Schwachpunkt der Metastudie sei, dass das Team um Grimm keine Aussage über das Gesamtüberleben der Patienten aus den verschiedenen Behandlungsgruppen hätte machen können. Wiegel: „Wegen der erheblichen methodischen Schwächen, sind die Ergebnisse dieser Arbeit mit Vorsicht zu betrachten und müssen durch prospektive Untersuchungen bestätigt werden.“ Neue Studie in Planung Er setzt deswegen auf eine neue Studie, bei deren Finanzierung sich die Deutsche Krebshilfe und die Krankenkassen wahrscheinlich mit einem hohen Betrag beteiligen werden. In der PREFERRE-Studie werden ab nächstes Jahr 7.500 Patienten, die alle an einem Prostatakarzinom mit niedrigem Rezidivrisiko leiden, randomisiert in vier Gruppen eingeteilt. Die beteiligten Ärzte behandeln die Probanden entweder mit radikaler Operation, Brachytherapie oder externer Bestrahlung oder überwachen diese nur aktiv. Auch soll mit Hilfe dieser Studie erstmals geprüft werden, ob alle Therapieformen gleichwertig in Bezug auf das prostatakarzinomspezifische Überleben sind. Auf Ergebnisse müssen Ärzte und Patienten allerdings noch sehr lange warten, denn das Ende der Studie ist aufgrund der erforderlichen Nachbeobachtungszeit auf das Jahr 2029 festgesetzt.