Die FDP will wieder mitregieren – und hofft, mit dem Ausbau digitaler Gesundheitsdienstleistungen und dem Abbau von Bürokratie im Wahlkampf zu punkten. Im Interview bezieht die stellvertretende Bundesvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann Stellung.
Mit ihrem forschen Parteivorsitzenden Christian Lindner strebt die FDP danach, wieder an der Regierung beteiligt zu sein. Für die Gesundheitspolitik tritt die stellvertretende Bundesvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus Düsseldorf an, die bereits seit 1990 Mitglied in der FDP ist. Im Interview mit DocCheck News erklärt sie, welche Schwerpunkte sie setzen möchte. Wie wichtig ist für Sie die Digitalisierung? Wir setzen uns für den weiteren Ausbau digitaler Gesundheitsdienstleistungen ein. Sie verbindet das Ziel des Bürokratieabbaus mit der Entschlackung von Diagnostik-, Dokumentations- und Abstimmungsprozessen und erweitert Forschungsmöglichkeiten zur Bekämpfung von Krankheiten. Klar ist für uns aber auch, dass Telemedizin den persönlichen Kontakt zwischen Patienten und Arzt nicht ersetzen kann. Bisher nutzen Patienten die digitale Gesundheitsdienstleistungen kaum, aus Sorge, dass ihre Daten nicht sicher sind. Wie wollen Sie dem entgegenwirken? Digitale Dienstleistungen sorgen für ein effizienteres, schnelleres und sichereres Gesundheitssystem. E-Health-Systeme, bei denen relevante Daten gesammelt und nutzbar gemacht werden, bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Verbesserungen im Gesundheitswesen einzuführen. Sie ermöglichen bei einer dezentralen Speicherung den schnellen Zugriff im Notfall, soweit dies von den Patienten gepflegt und gewünscht wird. Der Staat muss die Hoheit des Einzelnen über seine Daten stets gewährleisten, darum bestimmt allein der Patient darüber, wer wann wie lange und für welchen Zweck darauf zugreifen darf. Plädiert für mehr Privatisierung und Konkurrenz: Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Was halten Sie von der derzeitigen Versorgung in Krankenhäusern? Verträge für Krankenhausleistungen müssen über die integrierte Versorgung hinaus möglich sein. Wir wollen dazu Qualitätsverträge dauerhaft einführen und die bisherigen Beschränkungen auf wenige Indikationen aufheben. Dann können Krankenkassen mit Krankenhausträgern gegen zusätzliche Anreize höherwertige Qualitätsanforderungen vereinbaren und dadurch die qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten fördern. Außerdem sollte bei integrierten und bei rein ambulanten Verträgen auf den Nachweis der Wirtschaftlichkeit verzichtet werden, wenn eine besondere Qualität der Versorgung erreicht wird. Laut einem Diskussionspapier von Experten heißt es, an die Stelle von derzeit mehr als 1600 allgemeinen Krankenhäusern sollten rund 330 Großkliniken treten, mit besserer Ausstattung und mehr Spezialisten. Sind Sie dafür? Wir wollen den Investitionsstau der Bundesländer bei der Finanzierung der Krankenhäuser abbauen. Wir plädieren für ein Anreizsystem, bei dem die Länder, die ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen, vom Bund einen Zuschuss erhalten. Es muss eine sinnvolle Profil- und Zentrenbildung geben, denn nur spezialisierte Krankenhäuser werden zukünftig überleben können, zugleich soll die Notfallversorgung flächendeckend erhalten bleiben. Die Kosten im Gesundheitssystem steigen von Jahr zu Jahr. Wo sollten wir aus Ihrer Sicht sparen? Wir wollen den Aufwand für Bürokratie und Dokumentation vermindern, damit mehr Zeit für Zuwendung zu pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung steht. So würden auch die Kosten im Gesundheitssystem sinken. Zudem müssen die Effizienz und der Verteilungsmechanismus des Gesundheitsfonds rasch und gründlich überprüft werden, es sind Marktverzerrungen und Ungerechtigkeiten entstanden. Vor allem ist der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (MorbiRSA), auf dessen Basis die Verteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds an die einzelnen Krankenkassen vorgenommen wird, auf eine manipulationssichere Basis zu stellen. Ist denn das jetzige System nicht sicher vor Manipulationen oder finden sie bereits statt? Durch die aktuelle Struktur besteht die Gefahr, dass Versicherer Druck auf Ärzte ausüben können, um sie für bestimmte Diagnosen zu honorieren. Dies ist zu unterbinden. Ebenso dürfen Kassen sich entsprechenden Kontrollen nicht verweigern. Zusätzliche Vergütung in Gesamtverträgen und nachträgliche Diagnosen bspw. sind zu unterbinden. Was halten Sie von der Idee einer Bürgerversicherung, bei der alle gleich versichert sind? Das Gesundheitssystem muss durch die Wahlfreiheit der Patienten gestärkt werden. Wir wollen deshalb, dass gesetzliche Krankenkassen über die Leistungen, die sie anbieten, stärker miteinander in den Wettbewerb treten. So sind Patienten gut versorgt und profitieren schneller von medizinischen Fortschritten. Dazu setzen wir uns neben einer starken privaten Krankenversicherung (PKV) auch für eine freiheitliche gesetzliche Krankenversicherung ein. Eine als „Bürgerversicherung“ getarnte Zwangskasse lehnen wir ab, denn staatlich organisierte und rationierte Zuteilungsmedizin führt aus unserer Sicht zu einer Verschlechterung der Versorgung und verschärft die demografischen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir wollen die Möglichkeiten vereinfachen, zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu wechseln. In einer Umfrage im Juli 2017 stimmte die Mehrheit der Befragten für eine Bürgerversicherung. Vor allem Besserverdiener befürworten die rot-grünen Pläne. Wie wollen Sie diese Wähler für sich gewinnen? Da wir unsere Meinung nicht um jeden Preis von Befragungen beeinflussen lassen, werden wir unsere Meinung entsprechend auch nicht verbiegen oder verändern. Fakt ist, dass eine Bürgerversicherung zu schlechteren Leistungen und zu einer Verschlechterung der Behandlungsqualität führen würde. Hierüber müssen wir die Befürworter einer Bürgerversicherung überzeugen und klarmachen, dass das duale Versicherungssystem und ein fairer Wettbewerb – auch zwischen den GKVen – für die Gesundheitsversorgung deutlich besser sind als eine Bürgerversicherung. Was schlagen Sie vor, um das Problem schwindender Praxen und Apotheken auf dem Land zu lösen? Um gerade in den ländlichen Regionen junge Ärzte für die dortige Arbeit gewinnen zu können, fordern wir die Schaffung eines entsprechenden bürokratiearmen Anreizsystems. Dazu kommt, dass insbesondere die Budgetierung im Gesundheitswesen zu einer nicht vertretbaren Verdünnung des medizinischen Angebots im ländlichen Raum geführt hat. Deshalb wollen wir die Budgetierung abschaffen. In Umfragen geben Medizinstudenten an, dass sie keine Praxis auf dem Land führen möchten, weil dort die Infrastruktur schlecht ist und die Arbeitszeiten in der Klinik flexibler. Die Budgetierung scheint nicht das Hauptproblem zu sein. Was ist denn gegen die Budgetierung einzuwenden? Sie hat zu einer Unterfinanzierung der medizinischen Versorgung sowie zu einem Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung in den ländlichen Regionen und strukturschwachen Regionen geführt. Derzeit leisten die Bürger Zusatzbeiträge, ohne damit Einfluss auf Art und Qualität der Behandlung nehmen zu können. Gleichzeitig werden ihnen Untersuchungen und Therapien durch Budgetierung und versteckte Zwangsrationierung vorenthalten. Wir wollen, dass Bürger über ihre Behandlung mitentscheiden können und Leistungen sowie Kosten transparent werden, damit sie erbrachte Leistungen auf ihre Notwendigkeit hin kontrollieren können. Dabei sind klare Härtefall- und Überforderungsregelungen aufzustellen, damit die Kosten für Gesundheit niemanden überlasten.