Bewegung und körperliche Aktivitäten tun dem Körper und der Seele gut. Eine echte Depression jedoch kann durch Sport nicht gemindert werden, berichtet die britische TREAD (TREAtment of Depression with physical activity)-Studie, die kürzlich veröffentlicht wurde.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO betrachtet Depressionen als eine der häufigsten, wenn nicht als die häufigste gesundheitliche Störung. „Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leiden am Vollbild. 5,4 Prozent der Männer und 9,9 Prozent der Frauen in Großbritannien haben aber eine depressive Verstimmung unterhalb des Pegels einer vollen Depression“, rechnet Lewis vor. Obwohl die Häufigkeit der allen diagnostischen Kriterien entsprechenden Depressionen nicht angestiegen sei, habe sich beispielsweise in England und Wales seit 2005 die Zahl der Verschreibungen für Antidepressiva verdreifacht. Obwohl Antidepressiva eine effektive Behandlung darstellen, suchen daher sowohl viele Patienten als auch die sie behandelnde Ärzte nach Begleitmaßnahmen oder einer anderen nicht medikamentösen Form der Therapie. Daher ist es nur zu verständlich, dass man nach kostengünstigeren Alternativen sucht. Sehr oft werden daher sportliche und körperliche Aktivitäten als Alternative in Betracht gezogen und empfohlen.
Glücksgefühle dank körperlicher Aktivität?
Die bei ausreichender körperlicher Anstrengung ausgeschütteten Hormone sollen das Gemüt der erkrankten Patienten aufhellen. Die kritische Durchsicht der bestehenden wissenschaftlichen Literatur sprach jedenfalls für einen positiven Effekt von Ausdauertraining beziehungsweise gesteigerter Intensität und Dauer von körperlicher Aktivität bei psychischen Erkrankungen. Das sich international stets als besonders „unabhängig“ und „objektiv“ bezeichnende Cochrane-Netzwerk, welches klinische Studien einer kritischen Prüfung unterzieht und Meta-Analysen mit dem Poolen von Daten zahlreicher Studien und neuen Gesamtanalysen anfertigt, kam sogar zu folgendem Ergebnis: Körperliche Aktivitäten führen zu einer Milderung von Depressionen bis zu einem Faktor von 90 Prozent! Dass die Meta-Analysen auch Mini-Studien zwischen sieben bis 50 Probanden umfasste, machte diese nicht wirklich aussagekräftig und Lewis stutzig, was ihn dazu veranlasste, die Resultate anzuzweifeln und eine eigene Studie zum Thema: “Facilitated physical activity as a treatment for depressed adults“ zu verfassen.
Das Studienprofil
In der vorliegenden randomisierten TREAD-Studie ging es darum, die Effektivität eines Programms zur Erhöhung der körperlichen Aktivität bei Patienten mit Depressionen, die sich in hausärztlicher Behandlung befanden, zu analysieren. Die 360 Studienteilnehmer waren zwischen 18 und 69 Jahre alt. Ausgewählt wurden Patienten, bei denen bei Routineuntersuchungen eine Depression diagnostiziert wurde oder aus deren elektronischen Krankenakten hervorging, dass sie unter einer Depression leiden. Dabei musste es sich laut der internationalen Klassifizierungstabelle ICD-10 zumindestens um eine leichte, depressive Episode (F32) und/oder einen Beck Depressions Inventory Score von mindestens 14 handeln.
Nicht berücksichtigt wurden hingegen Patienten, die nicht in der Lage waren eingeständig einen englischen Fragebogen zu beantworten, weiters solche, denen körperliche Aktivitäten durch ihren Arzt untersagt waren, oder wegen Psychosen, Bipolaren Depressionen oder Medikamentenmissbrauch in Behandlung waren, und schließlich Schwangere und stillende Mütter. Alle in der Studie erfassten 360 Patienten stammten aus insgesamt 65 Arztpraxen in Südwestengland und setzten ihre bestehende Behandlung inklusive Medikation fort. Die Interventionsgruppe erhielt darüber hinaus ein strukturiertes Programm zur körperlichen Aktivität (ca. 150 Minuten moderate bis stärkere körperliche Belastung pro Woche) mit persönlichen, telefonischen Kontaktaufnahmen zur Unterstützung. Untersucht wurde die Symptomatik der Depression zwischen vier, acht und zwölf Monaten sowie die Anzahl der verwendeten Antidepressiva.
Sport hilft tatsächlich, kann aber nicht heilen
Die britischen Studienergebnisse zeigten, dass die Interventionsgruppe tatsächlich körperlich aktiver war, es konnte jedoch kein Effekt auf die Symptomatik der Depression oder auf die geringere Verwendung der verschriebenen Antidepressiva gefunden werden: „Mehr körperliche Aktivität ist nicht effektiv in der Behandlung von Depressionen. Manche Patienten berichten über eine positive Wirkung. Eine klinische Studie muss natürlich immer auf Durchschnittswerte ausgerichtet sein. Das bedeutet aber auch, dass bei manchen Patienten negative Effekte auftreten können“, fasst Lewis die wichtigsten Studienergebnisse zusammen. Die objektive Erhebung der Schwere der depressiven Symptome mit wissenschaftlich anerkannten Fragebögen im Rahmen der Untersuchung brachte insgesamt nur minimale und statistisch nicht signifikante Ergebnisse zutage. Freilich bringen Ausdauersport bzw. ähnliche Aktivitäten für die Gesundheit in Sachen Herz-Kreislauf, Stoffwechsel etc. große Vorteile. „Psychologische und soziale Effekte dürften beim Absolvieren solcher Aktivitäten in Gruppen auftreten“, so Lewis abschließend.
Exkurs: Ausdauersport hellt Stimmungen auf
Forscher der Universität Tübingen unter der Leitung von Christoph Laske kamen in einer Studie aus dem Jahr 2010, die im International Journal of Neuropsychopharmacology veröffentlicht wurde, zum Schluss, dass sich Ausdauersport (Laufen, Schwimmen, Nordic Walking oder Radfahren) durchaus positiv auf depressive Stimmungen auswirkt. Für diese Studie wurden 35 ältere Frauen als Probanden herangezogen, die unter temporären, depressiven Verstimmungen litten. Sie radelten eine halbe Stunden auf einem Fahrradergometer, vor und nach der körperlichen Belastung wurde der Faktor des Nervenwachstums BDNF (Brain-Derived-Neurotrphic-Factor) im Blut untersucht.
Ergebnis: Durch die körperliche Betätigung werden Stresshormone ausgeschüttet und biochemische Prozesse beschleunigt, wodurch das durch die Depression gehemmte Nervenwachstum wieder zunimmt. Wichtig sei allerdings, dass der Sport auch Spaß macht. Empfehlenswert sei auch die sportliche Betätigung in der Gruppe, worauf Dr. Gerhard Eschweiler, Studienleiter für den Bereich Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen besonders hinwies.