Warum sich Autoantikörper bei Typ-1-Diabetes gegen Betazellen in den Langerhans'schen Inseln richten, ist unklar. Forscher versuchen, mit Immunisierungen unerwünschte Reaktionen zu vermeiden. Sie haben Coxsackie-Viren, aber auch Insulin selbst, zum Ziel.
Weltweit erkranken Kinder und Jugendliche immer häufiger an Typ-1-Diabetes. Andreas Neu von der Diabetes-Ambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Tübingen zufolge sei dieser Trend konstant über die letzten dreißig Jahre hinweg zu beobachten. Die Inzidenzrate in Deutschland liegt aktuell bei 22,9 Kindern pro 100.000 und Jahr. Als mögliche Ursachen sprechen Forscher von genetischen Risiken und äußeren Faktoren wie Infektionen. Neuerkrankungsrate bei Typ 1-Diabetes, Kinder zwischen null und 14 Jahre, in Deutschland. © Neu A, Ehehalt S, Dietz K.
Schon länger stehen Enteroviren in Verdacht, das Krankheitsgeschehen zu triggern. Minna M. Hankaniemi von der University of Tampere in Finnland hat jetzt mehr als hundert Vertreter dieser Gattung untersucht. Das Coxsackie-Virus B1 (CVB1) führe besonders häufig zu Infektionen, so Hankaniemi. In aktuellen Studien sei auch die Vermutung geäußert worden, dass ein Zusammenhang mit Typ 1-Diabetes bestehe. Die Strukturen eines Enterovirus sind im Pankreasgewebe (braun) sichtbar. Das Virus befindet sich in Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die bei Typ 1-Diabetes zerstört werden. © Jutta Laiho und Maarit Oikarinen Wissenschaftler haben auf Basis von Formalin-inaktiviertem CVB1 eine Vakzine entwickelt. „Schon jetzt ist bekannt, dass der Impfstoff bei Mäusen wirksam und sicher ist“, sagt Coautorin Heikki Hyöty. „Der Entwicklungsprozess hat nun einen bedeutenden Sprung nach vorn gemacht, da die nächste Phase ist, den Impfstoff beim Menschen zu untersuchen.“ In der ersten klinischen Phase planen Forscher, ihren Impfstoff bei gesunden Erwachsenen zu untersuchen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Läuft alles nach Plan, schließt sich Phase zwei mit Kindern an. Hier geht es neben der Sicherheit auch um die Wirksamkeit. In der dritten Phase mit deutlich mehr Teilnehmern bleibt zu klären, ob eine Impfung tatsächlich verhindert, dass Typ 1-Diabetes ausbricht. Hyöty und Hankaniemi hoffen in rund acht Jahren auf Antworten.
Deutlich weiter sind Ärzte bei einer anderen Strategie zur Impfung. Ihre Idee beruht auf einer bekannten Tatsache: Schlucken Kinder schon in jungen Jahren Erdnussproteine, leiden sie seltener an Allergien. Hinzu kommt als Erkenntnis, dass Typ 1-Diabetes wissenschaftlich betrachtet nicht aus heiterem Himmel kommt. Monate oder Jahre, bevor Kinder erkranken, tauchen Autoantikörper im Blut auf. Sie richten sich vorrangig gegen Insulin, später auch gegen die Glutamatdecarboxylase GAD65 und die Phosphatase IA-2 beziehungsweise gegen den Zinktransporter ZnT8. Vielleicht lässt sich unser Immunsystem ja auch mit Insulin „impfen“? Ezio Bonifacio, Forscher am Paul Langerhans-Institut in Dresden hat gezeigt, dass orales, über die Mundschleimhaut aufgenommenes Insulin versus Placebo zu einer Reaktion des Immunsystems führt. Seine Zielgruppe waren Kinder mit hohem familiären Risiko, jedoch ohne Autoantikörper. Jetzt untersuchen Forscher um Anette-G. Ziegler vom Helmholtz Zentrum München, ob in jungen Jahren verabreichtes oral appliziertes Insulin zu einer gesteigerten Toleranz führt und die Krankheitsprogression verhindert. Sie rekrutieren für ihre Fr1da-Insulin-Interventions-Studie Kinder, bei denen mindestens zwei Inselautoantikörper nachweisbar sind. Über zwölf Monate hinweg erhalten Teilnehmer Insulin oder Placebo.