Wie sich eine Klinik mit dem richtigen Social Media-Mix erfolgreich gegen die Schließung der Palliativstation wehrt, zeigt der Fall des Johanna-Etienne-Krankenhauses. Das Ergebnis lässt nicht nur Politiker, sondern auch Social Media-Skeptiker aufhorchen.
Wer immer noch glaubt, dass Botschaften in den Tiefen des World Wide Web eher verhallen, als gehört zu werden, der sollte sich den folgenden Case aus unserer Social Media-Serie einmal genauer anschauen. Hier wird eindrucksvoll gezeigt, wie über den richtigen Einsatz der verschiedenen Social Media-Kanäle, gepaart mit Offline-Maßnahmen, eine Botschaft in der Tat gehört wird. Und nicht nur das: Die Social Media-Aktion löste eine ganze Bewegung aus – und das für einen guten Zweck.
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Der Beschluss wurde im April 2012 von der Bezirksregierung Düsseldorf getroffen: Die Palliativstation des Johanna-Etienne-Krankenhauses in Neuss, das zum Verbund der St. Augustinus-Kliniken gehört, soll geschlossen und an zwei anderen Stellen mit einem immensen Kostenaufwand wieder aufgebaut werden. Vor einigen Jahren hätte diese Entscheidung vermutlich einige wenige Beschwerdebriefe und vereinzelte Unterschriftenblätter als Reaktion nach sich gezogen. Nicht so in 2012. Mit einem intelligenten Social Media-Mix setzte sich das Krankenhaus gegen diesen Beschluss zur Wehr, nutzte die gebündelte Macht der vielen Social Media-Nutzer, und verschaffte sich so Gehör, auch außerhalb des Web 2.0.
Digitaler Protest: Die Online-Petition
Neben einem Twitter-Account und einer Facebook-Seite spielte die Online-Plattform openPetition im Fall der Palliativstation eine zentrale Rolle. Über openPetition können Unterschriftenlisten zu den unterschiedlichsten Themen im Handumdrehen aufgesetzt werden – einfach den Absender und Adressat gemeinsam mit dem Anliegen und einer Begründung eintragen und schon steht eine Petition mit seriösem und professionellem Design. Virtuell unterschreiben können Unterstützer einer Petition ganz einfach per Angabe des Namens und der Adresse. Wer darüber hinaus noch den klassischen Weg gehen mag, für den stehen Unterschriftenlisten auch zum Download zur Verfügung. Am Ende werden alle Unterschriften, ob reell oder virtuell, gesammelt und in verschiedenen Dateiformaten zur Einreichung zur Verfügung gestellt. So gingen auch die Anhänger der Palliativstation des Johanna-Etienne-Krankenhauses vor. Soweit so gut – doch was nutzt ein energischer Aufruf, wenn ihn niemand hört?
Der Mix macht’s!
An diesem Punkt kam die Verzahnung der verschiedenen Online-Kanäle zum Zug. Parallel zur Veröffentlichung der Online-Petition wurde ein Twitter-Kanal und eine Facebook-Seite aufgesetzt, um der Aktion einen virtuellen Schub zu geben. Auf Twitter wurde der Palliativmedizin-Kanal ins Leben gerufen. Hier werden nicht nur Informationen zu Palliativmedizin und der Station in Neuss gepostet, sondern vor allem anderen Nutzern gefolgt, die relevante Tweets zum Thema veröffentlichen. Viele davon folgen im Gegenzug auch dem Palliativmedizin-Kanal und so entstand das erste Nachrichtennetzwerk. Auf der Facebook-Seite werden Informationen rund um die von der Auflösung bedrohte Palliativstation bereitgestellt. Zudem werden regelmäßig aktivierende Posts eingestellt, die auf die Petition verlinken und Zwischenstände verkünden. Die Seite hatte nach dem Start im April 2012 innerhalb kürzester Zeit bereits über 200 „Gefällt mir“-Klicks, hinter denen eine große Anzahl engagierter Nutzer steckt. Viele von ihnen leisteten nicht nur ihre Unterschrift, sondern waren dankbar für die neugeschaffene Plattform, auf der sie sich über das sehr spezielle Thema austauschen können. Die Nutzer starteten mit ihrer Interaktion einen Schneeballeffekt, der schnell für eine hohe Reichweite der Inhalte sorgte – je höher diese Viralität wurde, desto mehr Unterschriften gingen letztendlich auf openPetition ein.
Das Beispiel der Palliativstation zeigt jedoch nicht nur, wie im Web Wirbel gemacht werden kann: Die Verzahnung der einzelnen Maßnahmen umfasste auch die Offline-Welt. Die Unterschriftenlisten von openPetition zum Download waren eine Sache. Das Angebot wurde dankbar angenommen und so wurden aus knapp 3.000 gesammelter Online-Unterschriften letztendlich nahezu 15.000. Die Online-Kanäle wurden zudem genutzt, um eine Informationsveranstaltung des Johanna-Etienne-Krankenhauses zur geplanten Schließung zu promoten. Das Ergebnis war überwältigend: Aus erwarteten 100 Interessierten wurden letztendlich nahezu 400 Besucher – inklusive Pressebegleitung.
Ende gut – alles gut?
Das Beispiel der Palliativstation zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie die Verzahnung von verschiedenen Social Media-Plattformen mit Offline-Maßnahmen zu einer Erfolgsgeschichte für den Protest 2.0 wurde. Die Nutzung eines intelligenten Social Media-Mixes verhalf dieser lokalen Aktion zu großer Aufmerksamkeit und beachtlicher überregionaler Verbreitung. Ob sich das Engagement auszahlt, wird sich demnächst zeigen – die Unterschriften wurden überreicht. Wir drücken die Daumen!