Der Einsatz von SGLT-2-Hemmern bei Typ-2-Diabetes scheint eine Erfolgsgeschichte zu sein: Studien zeigen, dass sie auch Herz, Gefäße und Nieren von Diabetes-Patienten schützen. Doch es gibt Nebenwirkungen, die das schöne Bild der neuen Medikamente empfindlich stören.
Der Klassiker unter den oralen Antidiabetika ist zweifelsohne Metformin. Inzwischen sind aber auch andere Medikamente wie die SGLT-2-Hemmer in aller Munde. Vor allem der Zusatzschutz für Herz, Gefäße und Nieren begeistert. Ein aktueller Review liefert den State of the Art der Wirkmechanismen, die dahinterstecken. Könnten die neue Arznei Metformin bald verdrängen? Die SGLT-2-Hemmer Empagliflozin und Canagliflozin waren die ersten Antidiabetika, die in großen klinischen Endpunkt-Studien (EMPA-REG-OUTCOME und CANVAS) das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulären Tod bei Typ-2-Diabetikern gesenkt haben. Auch die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz war signifikant niedriger als in der Placebogruppe. Unter Empagliflozin ging zusätzlich die Gesamtsterblichkeit zurück. Zudem zeigte sich, dass SGLT-2-Hemmer das Risiko für den Verlust der Nierenfunktion, für eine Nierenersatz-Therapie oder für Tod durch eine Nierenerkrankung reduzieren. Im Gegensatz zur blutzuckersenkenden Wirkung der Natrium-/Glukose-Co-Transporter-2 (SGLT-2)-Hemmer sind die kardiovaskulären Schutzeffekte nicht richtig verstanden. Stellt sich zu Recht die Frage: Wie wirken sie? Vor allem bei kardiovaskulären Hochrisiko-Patienten sollte der Kardio- und Nierenschutz unbedingt erhalten bleiben oder idealerweise verstärkt werden, wenn SGLT-2-Hemmer zum Beispiel mit anderen Substanzklassen und Wirkprinzipien kombiniert werden, etwa mit einem Inkretinmimetikum. Diese ahmen die Wirkung von körpereigenen Hormonen mit blutzuckersenkenden Eigenschaften nach. In einem aktuellen Review, publiziert im Journal of the American College of Cardiology (JACC), geben Prof. Dr. Eugene Braunwald von der Harvard Medical School in Boston und Dr. Thomas Zelniker von der Cardiovascular Division am Brigham and Women's Hospital, ebenfalls Boston, einen Überblick über den aktuellen Stand der (möglichen) Wirkprinzipien.
Bekannt ist, dass SGLT-2-Hemmer den systolischen Druck um durchschnittlich 4 bis 6 mmHg und den diastolischen Druck um 1 bis 2 mmHg senken, wobei die Herzfrequenz unverändert bleibt. Als Ursache hierfür sehen Experten die verstärkte Diurese. Erstaunlich ist jedoch, dass die Blutdrucksenkung auch nach 12 Monaten weiter besteht, obwohl das Urinzeitvolumen, also die Urinmenge, die in 24 Stunden ausgeschieden wird, bis dahin wieder auf den Ausgangswert zurückkehrt ist. Weitere Mechanismen seien hier denkbar, etwa eine bessere Endothelfunktion, elastischere Arterien oder der durch die erhöhte Zuckerausscheidung bedingte Verlust von Übergewicht, so die Review-Autoren.
Neben Glukose wird durch SGLT-2-Hemmer übrigens auch mehr Natrium über den Harn ausgeschieden. Beides senkt das Plasmavolumen und damit die kardiale Vorlast. Der niedrigere arterielle Blutdruck und elastischere Arterien reduzieren dagegen die kardiale Nachlast. Retrospektive Analysen der EMPA-REG OUTCOME-Studie hätten zudem gezeigt, dass es vor allem veränderte Hämatokrit- und Hämoglobinwerte sind, die eng mit der kardiovaskulären Mortalität assoziiert waren. Sie lieferten jedoch keine Beweise für einen kausalen Zusammenhang, da es sich um retrospektive Daten handele, bemerken Braunwald und Zelniker.
Für die in EMPA-REG-Outcome sichtbare Abnahme der kardiovaskulären Mortalität unter Empagliflozin könne, so mutmaßen die Autoren, eine verbesserte Mitochondrien-Funktion der Herzzellen verantwortlich sein, die ihrerseits Herzleistung und Hämodynamik verbessert. Ihre Begründung: Empagliflozin, Canagliflozin und auch Dapagliflozin hemmen nachweislich ein kardiales Membranprotein – den Na+/H+-Austauscher. Das verringert die Natrium-Konzentration im Zytosol. Da Calcium normalerweise im Austausch mit Natrium die Herzmuskelzelle verlässt, verändert sich auch dessen Konzentration: Es reichert sich in den Mitochondrien an und nimmt im Cytosol ab. In Summe könnten diese Effekte kardioprotektiv sein, da erhöhte Natrium-Konzentrationen in der Zelle und ein verstärkter Na+-/H+-Austausch mit Arrhythmien, myokardialer Hypertrophie und der Verschlimmerung einer bestehenden Herzinsuffizienz korrelieren, erklären die Review-Autoren. Zudem veränderten SGLT-2-Inhibitoren den Glukose-Stoffwechsel. Nach längerer Therapie erhöht sich die Oxidation freier Fettsäuren und die Synthese von Ketonkörpern schnellt nach oben. Die Folge: Der Körper nutzt verstärkt körpereigenes Fett zur Energieproduktion. In den Herzzellen wird in der Folge mehr Beta-Hydroxy-Butansäure verstoffwechselt. Auch das könnte die Mitochondrien-Funktion verbessern und die Herzleistung stärken, schlussfolgern sie. Außerdem scheinen SGLT-2-Hemmer epikardiales Fett zu verringern, wie eine kürzlich publizierte Studie aus Japan gezeigt hat. Das liegt zwischen dem Herzmuskel und der Außenhaut des Herzens. Weniger epikardiales Fett – so die Vermutung – führt zu weniger schädlichen Einflüssen, etwa durch Teile des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), das entzündliche und fibrotische Prozesse in Herz und Gefäßen triggert.
Wie genau SGLT-2-Hemmer ihre Schutzwirkung hier entfalten sei noch nicht geklärt, so die Autoren. Klar ist, dass für die diabetische Nierenerkrankung vor allem für erhöhten intraglomerulären Druck, glomeruläre Hyperfiltration und eine fortschreitende Fibrose verantwortlich ist. Es kommt zu mikrovaskulären Schäden in der Niere, die bis zur terminalen Niereninsuffizienz und Nierenersatz-Therapie führen können. Braunwald und Zelniker mutmaßen, dass SGLT-2-Hemmer die Feedback-Schleife des renalen Tubulussystems verändern. Diese passt die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) der tubulären Resorption an. Möglicherweise beeinflusst das auch die neurohumorale Aktivierung, das Flüssigkeitsvolumen und die extrazelluläre Elektrolyt-Homöostase. Zudem unterdrückt der Feedback-Mechanismus die Sekretion von Renin und mit ihr die Produktion von Angiotensin 2, was den Druck in den Nieren senkt. Er kann außerdem die efferenten Glomerulus-Arteriolen erweitern, was den Druck in den Glomeruli und die GFR weiter senkt. In Summe scheinen SGLT-2-Inhibitoren den Nierenfunktionsverlust zu bremsen. Eine Nierenersatz-Therapie wird erst zu einem späteren Zeitpunkt nötig und das Risiko, an einer Nierenerkrankung zu sterben, sinkt.
Der Einsatz von SGLT-2-Hemmern bei Typ-2-Diabetes scheint eine Erfolgsgeschichte zu sein, wären da nicht verschiedene Faktoren, die das Bild empfindlich stören. So hat die FDA die SGLT-2-Hemmer erst im zweiten Anlauf zugelassen. Zudem warnte die Behörde erst kürzlich vor einem möglicherweise erhöhten Risiko einer Fournier-Gangrän. Das ist eine seltene Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis des Leisten- und Genitalbereiches, die in der Regel durch bakterielle Infektionen des Urogenitaltrakts verursacht wird und potenziell lebensbedrohend ist. Hierzu passt auch, dass bei Frauen unter SGLT-2-Hemmern vermehrt Harnwegsinfektionen und genitale Infektionen auftreten. Denn der erhöhte Glukosegehalt im Urin fördert das Wachstum von Mikroorganismen. Wiederholt warnte die FDA auch vor einem – paradoxerweise – erhöhten Risiko für Nierenversagen unter Canagliflozin und Dapagliflozin. Die Europäische Arzneimittelbehörde hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass unter Canagliflozin mehr Zehenamputationen auftreten. Es braucht also noch mehr Daten zu Sicherheitshinweisen und Wirkungsmechanismen, aber auch zu möglichen Kombinationstherapien – gerade mit neueren Wirkstoffklassen. Sonst kannibalisieren sich unterschiedliche Wirkprinzipien im schlechten Fall gegenseitig und positive Effekte gehen verloren.