Bei Erkrankungen des Nervensystems oder dessen Verletzung ist die Anregung der Neurogenese eine Option, die aber praktisch bislang kaum umsetzbar war. Hoffnung auf neue Hirnzellen erweckt nun das Diabetes-Medikament Metformin.
Das Diabetes-Medikament Metformin hemmt die Glukoneogenese in der Leber und triggert mit dem gleichen Mechanismus ganz nebenbei einen Stoffwechselweg, der Stammzellen des Gehirns zu Nervenzellen werden lässt, so eine kanadische Untersuchung. Damit könnte Metformin ungeahntes Potential für die Therapie neurologischer Erkrankungen haben.
Zwei entscheidende Wirkungen – ein Stoffwechselweg
Freda Miller und Mitarbeiten vom Hospital for Sick Children in Toronto, Kanada, hatten bereits in einer früheren Untersuchung den Stoffwechselweg identifiziert, über den Metformin die Neurogenese anregt. Sie fanden heraus, dass ein Molekül namens CREB-bindendes Protein oder kurz CBP benötigt wird, um die Entwicklung embryonaler Nerven-Precursorzellen anzuregen. Aktiviert wird das Protein durch ein anderes Molekül, die atypische Proteinkinase C, kurz PKC.
Diesen als PKC-CBP bezeichneten Stoffwechselweg konnten andere Wissenschaftler der John Hopkins Universität in Baltimore derweil als Trigger für die Wirkung des Metformins in der Diabetestherapie ausmachen (Cell 2009).
Die Vermutung von Miller, dass Metformin neuronale Stammzellen zu Nervenzellen werden lässt, bestätigte sich an Stammzellen von Maus und Mensch in Nährmedien. Die Versuche ergaben, dass die Anzahl der sich aus den Stammzellen entwickelnden Neurone unter Metformin annähernd doppelt so hoch ist wie bei Kontrollen. An lebenden Mäusen zeigte sich bereits nach zwölf Tagen ein Anstieg neuer Neuronen im Hippocampus um 30 Prozent. Der Hippocampus gilt als Anker der Erinnerung.
Reparaturmechanismen verantwortlich?
Tatsächlich schnitten Mäuse mit einer Injektion von 200 mg Metformin pro Kilogramm während 38 Tage in Labyrinthtests zur Untersuchung der räumlichen Erinnerung signifikant besser ab als Mäuse, die nur eine Kochsalzlösung erhielten. Der kognitive Nutzen von Metformin ließ sich bereits mehrfach bei Alzheimer-Patienten beobachten und ergab sich auch in einer Studie aus dem Jahr 2008. Diese Beobachtungen waren aber bislang auf den blutzuckersenkenden Effekt zurückgeführt worden. Nach jetzigem Kenntnisstand könnten jedoch Reparaturmechanismen im Nervensystem verantwortlich sein, was Metformin für neurodegenerative Erkrankungen, aber auch Patienten mit anderen Hirnerkrankungen und -verletzungen interessant macht.
Vorteil ist, dass das Medikament bereits zugelassen ist und klinische Studien ohne Zeitverzögerung beginnen könnten. Interessant ist überdies der mögliche Einsatz des Medikament in der Frühphase der Alzheimererkrankung, besonders auch bei Patienten mit zusätzlichem Diabetes mellitus.