Pünktlich zum Herbst steht der deutsche Apothekertag ins Haus. Was Jahre davor als Routinetermin galt, könnte sich in 2012 zum politischen Show-Down entwickeln: Delegierte fordern eine umfassende Neuausrichtung der ABDA.
Kollegen von „Apothekerprotest“ waren in den letzten Wochen nicht untätig: Sie bereiteten mehrere Anträge für die Hauptversammlung der Apothekerschaft vor – nicht ohne Sprengstoff: Es geht um mehr Transparenz, strategische Planung, aber auch um die stärkere Einbindung von Kollegen aus der Praxis. Mit hitzigen Diskussionen ist zu rechnen.
Neuer Name – neue Ziele
Das beginnt mit einem besonders heiklen Thema: Dr. Christoph Klotz und Kollegen fordern die ABDA auf, ihren Namen zu ändern. Sie raten, statt „ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände“ künftig die Bezeichnung „ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerinnen und Apotheker“ zu führen. Der aktuelle Begriff sei weder sachlich richtig noch spiegele er den Anspruch der Betroffenen wider, heißt es im Antrag. Apotheker wünschen sich keine Standes- sondern vielmehr eine Interessenvertretung, und bei über 70 Prozent Kolleginnen sollte auch der Name beide Geschlechter repräsentieren.
Meinung aller Verbände gefragt
Außerdem haben viele Organisationen jenseits von Apothekerkammern und -verbänden weder Sitz noch Stimme in der ABDA, etwa der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker, der Bundesverband Deutscher Versandapotheken, der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen sowie die Apothekengewerkschaft ADEXA. Alle berufsrelevanten Verbände sollen ab dem Apothekertag 2013 je fünf Minuten Redezeit haben, regen Delegierte an.
Basis stärker einbinden
Ann-Katrin Kossendey, bundesweit als „Videoapothekerin“ bekannt, möchte die Basis stärker als bisher mit einbinden. Zur Umsetzung schlägt sie vor, dass sich die ABDA künftig zur Hälfte aus Delegierten der Kammern und Verbände und zur andern Hälfte aus „direkt von der Apothekerschaft an der Basis gewählten, voll stimmberechtigten Delegierten“ konstituieren sollte. Kollegen, die nicht in der Selbstverwaltung organisiert sind, hätten damit Chancen, die Zukunft ihres Berufs mitzugestalten – und Kossendey hofft auf „neue, frische Gesichter“. Auch ließe sich die bisherige „Wanderung von einem Posten zum anderen“ vermeiden. Pharmaziestudierende möchten die Delegierten bereits an der Hochschule mit ins Boot holen, damit sie ihre Interessen vor einem geeigneten Podium vertreten können.
Neuer Wahlmodus
Weitere Satzungsänderungen bergen ebenfalls reichlich Gesprächsstoff: Laut Klotz soll die Delegiertenversammlung zum zentralen Gremium werden. Bislang gehen wichtige Entscheidungen rund um Personal und Strategie aus der Mitgliederversammlung hervor. Das ist nicht unproblematisch: Einzelne Vertreter der Kammern und Verbände mit hoher Zahl an Stimmen, etwa Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein, bestimmen letztlich, wohin die Reise geht. „Durch die jetzige Struktur werden gewollt demokratische Verhältnisse ausgehebelt“, heiß es im Antragstext. Eine derartige Bündelung von Machtbefugnissen wäre bei 400 Delegierten eher unwahrscheinlich.
Akzeptanz der ABDA-Führungsspitze stärken
Michael Mantell und Kollegen wollen zudem erreichen, dass der Präsident und sein Stellvertreter von allen Apothekern der Hauptversammlung gewählt werden. Durch diese „persönliche und basisdemokratische Abstimmung“ würde die Akzeptanz der ABDA-Führungsspitze gestärkt. Christoph Klotz schlägt vor, dass die bisherigen Mandatsträger ein weiteres Jahr im Amt bleiben. Entsprechende Neuwahlen will er auf den Apothekertag 2013 verschieben – damit im politischen Geschäft „persönliche Altlasten nicht mehr zum Tragen kommen“. Für Regierung und Opposition wäre nicht unerheblich, dass sich ein künftiger ABDA-Präsident auf 400 Delegierte berufen kann – statt auf 34 Mitgliedsorganisationen.
Vorausschauend agieren statt nur reagieren
Ein anderes Dokument thematisiert die aktuelle Honorarsituation. Apotheker sind für ein funktionierendes Gesundheitssystem unerlässlich, so der Tenor. Manche Volksvertreter sehen das offensichtlich anders. Deshalb muss sich die ABDA verstärkt in gesundheitspolitische Zukunftsvisionen einbringen und selbst Ideen zu entwickeln, „anstatt immer nur auf die Vorschläge der Politik zu reagieren“. Zu modernen Konzepten – Stichwort ABDA-KBV-Modell – gehört auch, mit Ärzten auf Augenhöhe an Lösungen zu arbeiten. Entsprechende Strategien dürfen aber keineswegs im stillen Kämmerlein bleiben. Mehr Transparenz lautet das Gebot der Stunde, um die Arbeit auch in Richtung Basis zu transportieren. Delegierte kritisieren den kürzlich verabschiedeten „Maulkorberlass“ als „skandalös“. Jetzt wird der Ruf nach mehr Kommunikation laut – zeitgemäß auch über Social Media.
Schlagkräftige Öffentlichkeitsarbeit
Neben der Politik ist die Öffentlichkeit Inhalt eines Dokuments. In den letzten Wochen und Monaten sei es immer wieder zu Anfeindungen durch Medien gekommen. Über den dpa-Ticker mussten Apotheker beispielsweise lesen, „der angeblich bedrohlich steigende Kostendruck auf die Apotheken führt nicht zu mehr Insolvenzen.“ Kossendey stellt klar, ABDA-Vertreter hätten „schneller und vor allem offensiver“ zu handeln. Parallel dazu ist es an der Zeit, langfristige, mit der Basis abgestimmte Kampagnen zu entwickeln, um die öffentliche Wahrnehmung an vorherrschende Gegebenheiten anzugleichen. In der Bevölkerung gelten Apotheken teilweise immer noch als Goldgruben, entsprechende PR-Maßnahmen wie Hintergrundgespräche oder ein Flyer zeigten kaum Wirkung.
Bundeseinheitliche Bußgelder
Ein weiteres Thema brennt Apothekern unter den Nägeln: In der Vergangenheit verzerrten föderale Strukturen das Strafmaß bei berufsrelevanten Vergehen – Bayern und Westfalen-Lippe verhängen besonders drakonische Bußgelder. Einheitliche Richtlinien für Geldstrafen, orientiert am üblichen Maß anderer Bereiche, könnten Abhilfe schaffen. Dieser Bußgeldkatalog soll jedoch nur bei Apothekern greifen, die ihrem Berufsstand schaden oder sich eines Rechtsverstoßes schuldig gemacht haben. Neben monetären Sanktionen käme Sozialarbeit als Alternative infrage. Die doppelte Gerichtsbarkeit bewerten Delegierte hingegen als „Zopf aus alten Zeiten“: Wer bereits in einem anderen Verfahren verurteilt wurde, soll nicht auch noch vom Berufsgericht gemaßregelt werden.
Unter ferner liefen
Doch was bringen wohldurchdachte Eingeben, sollten diese erst kurz vor Sitzungsende thematisiert werden? Vor einem Jahr fanden diverse Anträge lediglich einen Platz unter den Tagesordnungspunkten 8.3.1 bis 8.4.1 – bei insgesamt neun Themengruppen. Zeit zur ausführlichen Diskussion blieb nicht mehr. Deshalb fordern Christoph Klotz zusammen mit Kollegen die Delegierten auf, alle Satzungsänderungen mit Priorität zu bearbeiten, falls die Antragskommission eine anderweitige Reihung vorgenommen hat.
Der Kongress protestiert
Mit Anträgen allein geben sich Apotheker jedoch nicht zufrieden: Was liegt näher, als den Apothekertag für Protestkundgebungen zu nutzen? Selbst aus der Jägerstraße heißt es, sollten letzte Gespräche mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) erfolglos verlaufen, sei man zu „außerordentlichen Kommunikationsmaßnahmen“ bereit, darunter „eine Kampagne zum Deutschen Apothekertag“. Das hätte durchaus Charme: Selten sind derart viele Kollegen vor Ort – und die Aufmerksamkeit von Politik beziehungsweise Medien wäre ihnen gewiss.