Zinkfinger-Nukleasen sind künstlich hergestellte Proteine, die bestimme DNA-Abschnitte aufspüren und schneiden können. Der Transport durch die Zellmembran der molekularen Präzisionsschneidewerkzeuge gelang erstmals ohne potentiell gefährliche virale Träger.
Bisher ging man davon aus, dass Zinkfinger-Nukleasen (ZFN) Zellmembranen nicht passieren können. So wurden die molekularen Präzisionsschneidewerkzeuge zu gentherapeutischen Zwecken bis dato mit Hilfe von viralen Trägen in Zellen eingeschleust. Dort angekommen, produzieren die ZFN-Gene in viralen Trägern zahlreiche ZFN-Proteine, die innerhalb der zellulären DNA aktiv werden. Das Prinzip ist einfach: Die Zinkfinger-Domäne bindet an die DNA, die Nukleasen-Domäne schneidet sie - aber nicht irgendwo. Wie Wärme suchende Raketen sind Zinkfinger-Nukleasen so konstruiert, dass sie präzise vorbestimmte DNA-Abschnitte aufspüren und schneiden können. Das gelingt ihnen mit einer Art Navigationssequenz, einem kurzen DNA-Stück, mit dem sie sich an ganz bestimmten Stellen im Erbgut anheften – und zwar nur dort. Die Bindespezifität dieses Bereichs kann im Labor verändert und an ausgewählte Ziele angepasst werden. So können Wissenschaftler nahezu jede Stelle im Genom gezielt manipulieren.
Gentherapie birgt Gefahren
Das hört sich zunächst einfach an, ist aber mit einigen Risiken verbunden. Eine Gefahrenquelle dieses gentherapeutischen Ansatzes besteht darin, dass sich die virale DNA - selbst wenn es sich dabei nicht um ein Retrovirus handelt – zufällig in die zelluläre DNA integriert und je nach Integrationsort mehr oder weniger große Schäden im Organismus verursachen kann. Ein weiteres Risiko einer derartigen ZFN-Transportmethode liegt in der Überproduktion von ZFN-Molekülen durch das Trägervirus, was zu einer hohen Anzahl nicht zielgerichteter DNA-Schnitte führt. Wird so beispielsweise ein Tumorsuppressorgen zerschnitten, kann Krebs entstehen.
ZFN: nackt am besten
Dr. Carlos Barbas suchte nun mit seinem Kollegen nach einer sichereren Transportmethode für die künstlich hergestellten Restriktionsenzyme – möglichst ohne die Beteiligung von Viren und anderem genetischem Material. Der Chemiker am US-amerikanischen Scripps Research Institute hatte in den frühen 1990er Jahren die Technologie der sequenzspezifischen ZFN erfunden. Zuerst experimentierte die Arbeitsgruppe um Barbas mit ZNF-Proteinen, die über zusätzliche Proteinsegmente verfügten. Diese sollten den Durchgang durch Zellmembranen erleichtern. Derartige Proteine ließen sich aber nur schwer in brauchbaren Mengen herstellen. So besannen sich die Wissenschaftler auf die “nackten“ ZFN. „Wir haben versucht, mit unveränderten ZFN zu arbeiten, und siehe da, sie waren leicht herzustellen und drangen sehr effizient in Zellen ein“, kommentiert Dr. Barbas sein Vorgehen auf der Institutswebseite. Die Wissenschaftler hatten einfach die ZFN-Proteine direkt auf menschliche Zellen in einer Petrischale gegeben und kurze Zeit später nachgewiesen, wie die künstlich hergestellten Restriktionsenzyme ihre Arbeit in den Zellen effizient, präzise und mit minimalen Kollateralschäden vollzogen. „Diese Arbeit beseitigt den Hauptengpass beim effizienten Einsatz von ZFN-Proteinen als gentherapeutische Werkzeuge für den Menschen“, erklärt Michael R. Reddy von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde, die das Projekt mitfinanziert hat, die Bedeutung von Dr. Barbas Entdeckung.
HIV-Therapie mit ZFN
Welche praktische Anwendung ihre Entdeckung haben könnte, zeigten die Wissenschaftler um Dr. Barbas in einem Versuch mit T-Zellen von HIV-Patienten. Das AIDS-verursachende Virus infiziert normalerweise T-Zellen über einen Oberflächen-T-Zell-Rezeptor namens CCR5. T-Zellen ohne diesen Rezeptor sind weitgehend resistent gegen eine HIV-Infektion. Im Jahr 2006 erfuhr ein HIV-Patient, der in Berlin mit Stammzellen gegen seine Leukämie behandelt wurde, genau diesen Effekt. Das Knochenmarktransplantat enthielt Spenderzellen mit einer CCR5-Genvariante, bei denen der CCR5-Rezeptor nur in stark verminderter Form auf den T-Zellen ausgeprägt war. Kurz nach der Knochenmarktransplantation verlor der Patient alle Anzeichen einer HIV-Infektion. Dieser Effekt könnte auch auftreten, wenn es gelänge, die CCR5-Gene in T-Zellen mit einer ZFN-Therapie gezielt zu zerstören, vermuten Dr. Barbas und seine Kollegen. „Unsere Idee war es, einige T-Zellen eines Patienten vor dem HI-Virus zu schützen, sodass das Immunsystem stark genug bleibt, um die Infektion zu besiegen“, so Dr. Barbas.
Es laufen bereits klinische Studien zur Gentherapie, in denen ZFN untersucht werden, die CCR5-Gene in T-Zellen zerstören sollen. Barbas und seine Kollegen könnten eventuell den gleichen Effekt in den T-Zellen mit weit weniger Nebenwirkungen erzielen wie ihre Kollegen, die gentherapeutische Ansätze mit viralen Trägern durchführen. In ihren Versuchen hatten sie einfach ZFN-Proteine direkt zu menschlichen T-Zell-Kulturen gegeben und bereits nach wenigen Stunden eine stark verminderte CCR5-Genaktivität gemessen. Doch damit nicht genug. Die Arbeitsgruppe um Dr. Barbas tüftelte weiter und konnte mit einer speziellen Kühlmethode, die den Durchtritt der ZFN-Proteine durch die Zellmembranen erleichtert, die CCR5-Gene ähnlich effizient wie bei einer Gentherapie inaktivieren. Der neue Ansatz scheint außerdem auch wesentlich sicherer als eine Gentherapie zu sein: Bei Vergleichsversuchen mit DNA- oder Viren-basierten Methoden produzierten die Zellen tagelang so viele überschüssige ZFN, dass die Zellen durch unspezifisch geschnittene DNA zum Teil erhebliche Schäden davontrugen. Direkt eingeschleuste, nackte ZFN hingegen waren nur ein paar Stunden in den Zellen aktiv und hinterließen sehr wenig nicht korrekt geschnittene DNA. „An manchen Nicht-Zielsequenzen, wo der gentherapeutische Ansatz häufig Schäden hinterlässt, sahen wir mit unserer Technik überhaupt keine Beeinträchtigungen“, so Dr. Barbas.
Therapeutische Zellfabriken
Das Forscherteam untersuchte seine neuartige ZFN-Einschleusmethode an zahlreichen weiteren Zellarten und fand heraus, dass sie am effizientesten in Fibroblasten der menschlichen Haut funktioniert. Wissenschaftler arbeiten nun an weiterführenden Therapien, bei denen sie Patienten solche Fibroblasten entnehmen und die Genexpression dieser Zellen so umprogrammieren, dass sie wieder zu Stammzellen werden. Derartige Stammzellen könnten dann entsprechend den Bedürfnissen des Patienten mit ZFN modifiziert werden. Zurück im Organismus des Patienten könnten diese Zellen über einen langen Zeitraum Millionen therapeutischer Zellen hervorbringen.
„Mit dieser Technik könnten eines Tages zahlreiche Krankheiten behandelt werden“, mutmaßen die Autoren in ihrer im Juli erschienen Publikation in Nature Methods. Dr. Barbas sich will jedoch zunächst mit kleinen Produktionsstätten für HIV-resistente T-Zellen beschäftigen, indem er eine auf ZFN basierende Therapie in hämatopoetischen Stammzellen entwickelt.
Das große Potential seiner Entdeckung erklärt Barbas folgendermaßen: „Selbst eine kleine Anzahl an Stammzellen, die resistent gegen HIV sind, könnten die ursprüngliche, HIV-empfindliche T-Zell-Population eines Patienten komplett ersetzen.“