Der Immunoseneszenz liegt ein Alterungsprozess zugrunde, der in den Körperzellen fortschreitet. Diesen Prozess zu beeinflussen, machten sich Forscher zur Aufgabe und warten mit ersten Erfolgen im Tierversuch auf.
Mit steigendem Alter verliert unser Immunsystem allmählich die Fähigkeit effektiv gegen Infektionskrankheiten vorzugehen oder auf Impfungen zu reagieren. Bekanntes Beispiel ist die jährliche Grippeepidemie, die jedes Jahr für jeden zehnten Todesfall der über 65-Jährigen verantwortlich ist. Immunoseneszenz ist der Fachbegriff für die Alterungsprozesse des Immunsystems. Die Identifikation zugrundeliegender Mechanismen könnte diese Prozesse verlangsamen oder vielleicht sogar umkehren und einen wichtigen Beitrag zur Altersforschung und -behandlung leisten.
Altern – eine Frage der Oxidation
Laura Santambrogio vom Albert Einstein College of Medicine, New York, und ihre Mitarbeiter entdeckten nun verschiedene Mechanismen der Immunoseneszenz und fanden zumindest bei alternden Mäusen eine Möglichkeit, diese zu beeinflussen. Als Teil des normalen Zellstoffwechsels produzieren Zellen freie Radikale. Das sind hochreaktive instabile Moleküle, die Proteine, Lipide und andere Zellkomponenten durch Oxidation schädigen können. Dem oxidativen Stress versuchen Zellen zu begegnen, indem sie verschiedene antioxidativ wirksame Enzyme bilden, die freie Radikale unschädlich machen. Sie sind mit zellulären Aasfressern vergleichbar. Mit zunehmendem Alter jedoch ist eine erhöhte Produktion von freien Radikalen mit einer abnehmenden Produktion von Radikalfängern verknüpft, sodass immer mehr veränderte Proteine und andere Tellbestandteile Zellen toxisch schädigen.
Santambrogio und ihr Forscherteam untersuchten deshalb, ob der mit dem Altern verbundene oxidative Stress auch dendritische Zellen des Immunsystems aus Milz und Lymphknoten in ihrer Funktion beeinträchtigt. Dieser Zelltyp gilt als Wächter des Immunsystems und warnt den Körper vor gefährlichen mikrobiellen Eindringlingen. Dafür benutzen die Wissenschaftler isolierte dendritische Zellen alternder Mäuse.
Antioxidantien – ein Jungbrunnen?
Tatsächlich akkumulierten durch Oxidation geschädigte Proteine in den Zellen und schädigten diese. Beispielsweise hemmten sie die Funktion von Endosomen, Zellorganellen, die für die Inaktivierung von Pathogenen eine große Rolle spielen. Dieser Nachweis gelang durch eine Bestimmung veränderter Aminosäuren im Zelllysat. Dem Nachweis der Zellschädigung folgte der Therapieversuch. Die tägliche Injektion wirksamer Antioxidantien in die Bauchhöhle der Mäuse über zwei Wochen konnte den oxidativen Stress vermindern und einige seiner Wirkungen sogar umkehren. Daraus könnten sich Therapiemöglichkeiten für den Menschen ergeben, v.a. hinsichtlich Impfungen, der Entstehung von Infektionskrankheiten und Krebs.
Das alternde Immunsystem besser zu verstehen, um Therapien für ältere Menschen zu optimieren, ist im Hinblick auf die immer älter werdende Gesellschaft bedeutsam. Auch in Deutschland strebt das vom Bundesministerim für Bildung und Forschung geförderte Nationale Forschungskonsortium „GERONTOSHIELD“, bestehend aus verschiedenen Forschungseinrichtungen, nach neuen Erkenntnissen in Bezug auf die Alterung des Immunsystems. Die aktuelle Studie liefert möglicherweise einen der gesuchten Risikomarker für die Empfänglichkeit von Infektionskrankheiten und Krebskrankheiten im Alter und weist vielleicht den Weg in Richtung altersgerechte medikamentöse Behandlungen und Impfungen. Bezüglich Impfungen wäre es zum Beispiel denkbar, dass ein Zyklus einer Therapie mit Antioxidantien vor der Impfung die Impfantwort verbessert.