Das Messie-Syndrom ist weitgehend bekannt, anders sieht es hingegen beim „Animal Hoarding“ aus. Betroffene Personen halten eine Vielzahl von Tieren auf engem Raum und können oft nicht mehr die gesundheitlichen Standards einhalten.
Jedes zweite Veterinäramt in Deutschland wurde bereits mit mindestens einem Fall von Animal Hoarding konfrontiert. Die Bearbeitungsdauer beträgt im Durchschnitt drei Jahre. Jedes zweite der über 500 dem Tierschutzbund angeschlossenen Tierheime musste Tiere aus Fällen von Animal Hoarding aufnehmen.
Tiermessies oder Diogenes-Jünger?
In wissenschaftlichen Publikationen wird überwiegend der Begriff "compulsive hoarding" verwendet. Diese Bezeichnung zwanghaften Hortens beschreibt somit die Störung am besten. Einige Betroffene sammeln Hautschuppen, Ohrenschmalz, abgeschnittene Nägel und vieles mehr. Sie packen es ordentlich in Tüten und katalogisieren es wie Briefmarken. In der deutschsprachigen Literatur ist der Begriff zwanghaftes Horten kaum gebräuchlich. Stattdessen wird meist die Bezeichnung Messie-Syndrom (mess engl.: Durcheinander, Unordnung) verwendet.
Im englischen Sprachraum hingegen ist diese unbekannt. Dem Vermüllungssyndrom sehr ähnlich ist das Diogenes-Syndrom, für das zudem noch die „schamlose” Vernachlässigung des eigenen Körpers und das fortgeschrittene Alter der Betroffenen typisch sind. Die Bezeichung Diogenessyndrom, auch als Syllogomanie, geht auf den Philosophen Diogenes von Sinope (391 – 323 v. Chr.) zurück. Er war bekannt für seine Bedürfnislosigkeit und seine Abwehr gegenüber Neuerungen. Er soll asketisch ein einer Hundehütte gewohnt haben.
Profil: Frau Mitte Fünfzig
Der oder besser die typische Hoarderin ist weiblich, durchschnittlich 50 Jahre alt und sammelt meist Katzen oder Hunde. Aber auch Kaninchen und Ziervögel stehen auf der regelmäßigen Einkaufsliste. Dieses Profil stammt u.a. von der interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Hoarding of Animals Research Consortium (HARC), 1999 wurde die erste systematische Studie zu dem Thema in den USA veröffentlicht. Die durchschnittliche Anzahl der Tiere beträgt 39, in 69 % der Fälle ist der Boden der Wohnung mit Exkrementen der Tiere bedeckt, bei einem Viertel der Fälle sogar das Bett des Hoarders. Ob dieses Bild auch auf deutsche Hoarder übertragbar ist, ist unklar. In Deutschland durchgeführte Studien sind sehr rar.
Hundeheld oder Animalausbeuter?
Die Beweggründe, viele Tiere zu halten, hat unterschiedliche Gründe. Einige sehen sich als Pfleger, manche als edle Befreier der Tiere. Dann gibt’s da noch die chaotischen Züchter und die egoistischen Ausbeuter.
Mod. nach Deininger, E, Akademie für Tierschutz, Neubiberg, kleintier konkret 2010; 13(2): 26-31Hoarder auf der Flucht
Um einer Strafverfolgung zu entgehen, ziehen die Betroffenen einfach in einen anderen Bezirk, für den ein anderes Veterinäramt zuständig ist. Den Betroffenen ist meist nicht bewusst, dass ihr Verhalten abnorm ist. Dieses Verhalten ist typisch für viele Süchte und Manien. „In annähernd zwei Drittel der Fälle waren die Tiere verletzt, in jedem dritten Fall fehlten Nahrungs- und/ oder Trinkmöglichkeiten“, so Dr. med. vet. Tina Susanne Sperling, die an der Tierärztlichen Hochschule Hannover über das Thema Animal hoarding ihre Dissertation anfertigte. Zwanghaftes Horten erzeugt bei den Betroffenen und deren Angehörigen beträchtlichen Leidensdruck und soziale Beeinträchtigung. Das auffälligste Symptom beim zwanghaften Horten ist die krasse Unordnung, die durch das Ansammeln von Gegenständen entsteht.
Nach Frost und Hartl wird zwanghaftes Horten durch folgende Merkmale charakterisiert:
Ursachen
Suchterkrankungen, Zwangsstörungen und die gesamte Palette der Neurosen können Ursache für das Animal hoarding sein. Ebenso Persönlichkeitsstörungen wie beispielsweise Borderline und Psychosen, Schizophrenie sowie manisch-depressive Erkrankungen. Relativ häufig finden sich bei den Tiersammlern auch Alterserkrankungen wie Demenz und Alzheimer oder aber auch ADHS.
Meistens wurde die Symptomatik allerdings bei Betroffenen mit Zwangsstörungen beschrieben und erforscht. Der Anteil der Patienten mit Zwangsstörungen, die gleichzeitig zwanghaft horteten, beträgt, je nach Studien, zwischen 18 und 40 Prozent. Saxena u. Mitarb. publizierten die Ergebnisse einer PET-Studie. Im posterioren zingulären Kortex der Hoarder fanden sie einen verminderten Glucosestoffwechsel. Verglichen mit Zwangspatienten ohne zwanghaftes Horten (n = 33) zeigten die Patienten mit zwanghaftem Horten zudem einen geringeren Glucosestoffwechsel im dorsolateralen präfrontalen Kortex.
Therapie: (Tier)Entzug
Mit Gesprächen, Bußgeldern und durch Tierzahlbegrenzungen oder Beschlagnahmung des Tierbestandes versuchen die Veterinärämter, die betreffenden Tierhalter zum Umdenken zu bewegen. In den USA haben Steketee u. Frost basierend auf dem kognitiv-behavioralen Modell für zwanghaftes Horten von Frost und Hartl ein 26 Sitzungen umfassendes Therapieprogramm erarbeitet. Die Behandlung dauert etwa sechs Monate und sieht neben Behandlungsstunden in der Praxis oder Klinik auch Therapiesitzungen in der häuslichen Umgebung der Patienten vor. Pharmakologisch haben sich Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI häufig nicht als effizient erwiesen. In einer placebokontrollierten Citalopram-Studie über 12 Wochen mit 401 Hoardern erwies sich die Therapie als gering wirksam. In einer offenen Paroxetin-Behandlungsstudie mit 97 Patienten war die Therapie bei einem Drittel der Patienten erfolgreich.
In ihrer Dissertation beziffert Dr. Sperling die Zahl der gehorteten Tiere in Deutschland auf 52.569. Diese werden von lediglich 501 Hoardern gehalten. Zitat in der Westdeutschen Zeitung: „Wer mehr als 100 Tiere besitzt, hat möglicherweise ein Problem“.