Nach einem Eingriff kann es zu Keloiden oder hypertrophen Narben kommen, die sich immer weiter ausbreiten. Eine S2-Leitlinie gibt Empfehlungen zur Therapie. Die Kernaussage: Besser postoperativ vorbeugen statt später nachbessern.
Nicht immer verschwinden Narben über Monate von selbst. Im Gegenteil: Kommt es zur überschießenden Neubildung von Bindegewebe, ist ärztliche Hilfe gefragt. Kollegen formulieren zu Beginn ein Therapieziel. Fühlen sich Patienten stark entstellt oder leiden sie mehr unter Schmerzen, Juckreiz sowie Bewegungseinschränkungen? Sollte es nach maximal sechs Behandlungen beziehungsweise sechs Monaten nicht zu einem deutlichen Erfolg gekommen sein, ist es Zeit für einen Richtungswechsel. Schicksalhafter Schnitt Das spätere Schicksal einer Narbe beginnt direkt nach der Verletzung: Primär laufen entzündlichen Vorgänge ab, um nekrotische Zellen und gegebenenfalls auch Keime zu entfernen. In der Granulationsphase sorgen Fibroblasten und Keratinozyten für neues Gewebe am Wundrand, und extrazelluläre Matrixbestandteile werden gebildet. Außerdem wachsen neue Blutgefäße ein. Hier spielen Matrix-Metallo-Proteasen sowie Botenstoffe eine wichtige Rolle. Mit der Epithelisierung hat sich die Wunde äußerlich geschlossen, während es im Inneren zur Sache geht, Stichwort Remodellierung: Durch den Transforming Growth Factor β1 (TGF-β1) wandeln sich Fibroblasten in Myofibroblasten um. Diese Spezies sollte nicht überhand nehmen, ansonsten entstehen hypertrophe Narben. Hier beschränkt sich der Wulst auf die ursprüngliche Wunde. Bindegewebstumoren, also Keloide, gehen weit über deren Grenze hinaus. Als Auslöser kommen genetische Einflüsse und Umweltfaktoren infrage, die Mechanismen haben Wissenschaftler noch nicht vollständig aufgeklärt. Da Europäer dunkleren Hauttyps ein höheres Risiko für Keloide tragen, spielt das Erbgut mit Sicherheit eine Rolle. Nebenwirkung mit Nutzen Um bei überschießendem Bindegewebe zu intervenieren, helfen bekannte Nebenwirkungen von Glukokortikoiden. Sie hemmen die Teilung von Fibroblasten. Auch werden weniger Glykosaminoglykane synthetisiert, die normalerweise zur Festigkeit eines Gewebes beitragen. Laut der Leitlinie sprechen 50 bis 100 Prozent aller Patienten auf eine Injektion von Triamcinolonacetonid (TAC) an, bei neun bis 50 Prozent entstehen später allerdings Rezidive. Äußerlich macht der Wirkstoff keinen Sinn. Die besten Erfolge erzielen Dermatologen durch die Kombination mehrere Verfahren, etwa Glukokortikoid plus Kryochirurgie. Heiß und kalt Flüssiger Stickstoff hat es in sich: Durch die Kälte sterben unerwünschte Zellen, je nach Ausmaß des Narbengewebes sind mehrere Behandlungen erforderlich. Danach bilden sich Blasen. In verschiedenen Literaturstellen ist von guten Erfolgsquoten über 60 Prozent zu lesen, wobei Keloide deutlich anspruchsvoller sind. Anstatt Zellen Wärme zu entziehen, setzt die Laserablation auf hohe Energiemengen. Auch hier gehen Gewebe zu Grunde. Als postoperative, prophylaktische Maßnahme sind beide Verfahren nicht empfehlenswert. Narben weggedrückt Vorbeugend lohnt sich bei großflächigen Narben eine Druckbehandlung – durchaus mit gutem Erfolg, sollten Betroffene Geduld mitbringen. Gibt es beim Patienten selbst oder in seiner Familie Anhaltspunkte für entsprechende Risiken, sollten postoperativ umgehend Kompressionsbandagen oder -anzüge mit einem Druck von mindestens 20 bis 30 mmHg angepasst werden. Mit einer Behandlungsdauer von sechs bis 24 Monaten ist zu rechnen. Durch die Krafteinwirkung werden Zellen schlechter durchblutet und Stoffwechselprozesse bremst. Wissenschaftler haben außerdem nachgewiesen, dass Kollagene schneller reifen. Vor allem bei Keloiden, häufig an den Ohrmuscheln zu finden, bringt die Methode exzellente Ergebnisse. Dermatologen der Uniklinik Mannheim entwickelten dazu Kompressionsschienen. Nach chirurgischer Resektion der Keloide injizierten sie erst einmal TAC. Patienten bekamen ihre individuelle Schiene mit nach Hause. Das System muss nur nachts getragen werden und ist über Magneten leicht bedienbar – gut für die Compliance. Nach 16 Monaten ließ sich das Ergebnis unter ästhetischen Aspekten durchaus sehen, und ein Follow-up nach 24 Monaten fiel ebenfalls erfreulich aus: Rezidive waren nicht entstanden. Wunde aufgefrischt Steht eine hypertrophe Narbe unter Spannung, sind ebenfalls Chirurgen gefragt. Mit Z- oder W-Plastiken entlasten sie das Gewebe. Auf molekularer Ebene vermuten Wissenschaftler, dass mechanische Kräfte Zellen anregen, mehr Bindegewebe zu synthetisieren. Steckt eine verzögerte Wundheilung hinter Keloiden beziehungsweise hypertropen Narben, schafft die Exzision gute Startbedingungen. Und nicht zuletzt bieten frische Wunden die Chance, postoperativ sofort prophylaktische Maßnahmen gegen überschießendes Narbengewebe zu treffen. Allerdings geben die Autoren der Leitlinie zu bedenken, dass es kaum Studien mit hoher, methodischer Qualität gibt, um den Behandlungserfolg zu quantifizieren. Vor allem seien Nachbeobachtungszeiten recht kurz bemessen. Teilweise wurde auch nicht zwischen Keloiden und hypertrophen Narben unterschieden. Bekanntes aus der Tumortherapie Nicht immer muss gleich operiert werden. Auch das Zytostatikum 5-Fluoruracil (5-FU) wirkt effektiv gegen die Proliferation von Fibroblasten. Eine Schwangerschaft oder Vorerkrankungen des blutbildenden Systems sollten ausgeschlossen werden. Ansonsten müssen Patienten beachten, wirkstoffhaltige Cremes nur auf ihren Läsionen zu verteilen. Unter die Haut eingebrachtes 5-FU reduzierte bei einer Doppelblindstudie Gewebe effektiver als TAC. Zur postoperativen Prophylaxe ist 5-FU jedoch nicht geeignet. Bestrahlungen verhindern ebenfalls, dass es zu Rezidiven kommt. In Veröffentlichungen sind Werte zwischen acht und 30 Gray zu finden, was bei 79 bis 92 Prozent der Patienten Gewebsneubildungen verhindert. Die Leitlinie setzt einen etwas niedrigeren Wert an, maximal zwölf Gray, auf bis zu zehn Behandlungen verteilt. Bei Keloiden wird diese Strategie empfohlen, wenn auch nicht an erster Stelle. Hypertrophe Narben sollten jedoch nicht bestrahlt werden. Neues und Altbekanntes Gerade in Apotheken fragen viele Kunden nach Silikongelen. Diese führen zu Okklusionseffekten inklusive Durchfeuchtung des Stratum corneum. Allerdings fanden Autoren einer Cochrane-Metaanalyse nur sehr schwache Hinweise auf einen möglichen Nutzen. Sie konstatierten, etliche Studien seien von schlechter Qualität und nicht ohne Bias. Ansonsten erwähnt die neue Leitlinie erstmals Zwiebelextrakte mit Allantoin und Heparin. Quercetin, ein Flavonoid aus Zwiebeln, hemmt in vitro die Proliferation von Fibroblasten, während Allantoin keratolytisch wirkt. Heparin scheint wiederum die Polymerisation von Kollagen zu stören. Auch produzierten Zellen weniger Wachstumsfaktoren, wodurch es nicht zur überschießenden Neubildung von Kollagen kommt. Im Tierexperiment heilten Wunden schneller, und die Narbenbildung verringerte sich. Bei älteren, methodisch schwächeren Studien zeigte reiner Zwiebelextrakt im Vergleich zu Vaseline keinen Benefit. Allerdings führte eine Kombination mit TAC im Vergleich zum reinen Kortikoid zu deutlich besseren Resultaten.