Patienten mit Hochrisiko-Weichteilsarkomen haben trotz Chirurgie und Chemotherapie schlechte Prognosen. Hier bietet die regionale Tiefenhyperthermie eine Ergänzung. Auch bei anderen Krebsformen wurden mittlerweile Erfahrungen gesammelt.
Vor mehr als 125 Jahren fanden Chirurgen erste Anhaltspunkte, dass hohes Fieber bösartige Neoplasien zurückdrängen kann. Der Durchbruch blieb jedoch aus. Manfred von Ardenne (1907 bis 1997) arbeitete mit Ganzkörperhyperthermien und verabreichte zusätzlich Glucose beziehungsweise Sauerstoff. „Die Ardenne-Methode ist heute verlassen worden“, erklärt Professor Dr. Rolf Sauer, ehemaliger Direktor der Strahlenklinik, Uni Erlangen, im Gespräch mit DocCheck. Außerdem sei sie „unglaublich toxisch“, gerade Patienten mit zahlreichen Metastasen würden zusätzlich geschwächt. Im Gegensatz dazu hat die regionale Tiefenhyperthermie längst einen großen Sprung in Richtung Klinik gemacht. Heilsame Hitze „Die regionale Tiefenhypertherapie wird generell zusammen mit Chemo- oder Strahlentherapien eingesetzt“, so Sauer. „Hier geht es um eine örtliche Überwärmung um mindestens vier bis sechs Grad.“ Nach genauer Lokalisation via Bildgebung erwärmen Onkologen den Tumor gezielt mit hochfrequenten, elektromagnetischen Wellen auf 41,5 bis 44 Grad Celsius über so genannte Applikatoren, also Antennensysteme. Das Protokoll sieht eine halbstündige Aufwärmphase vor, dann wird die Temperatur 60 Minuten lang gehalten. Je nach Krebserkrankung bekommen Patienten bis zu 16 Behandlungen. Etwas Physik Im Körper regen elektromagnetische Wellen Wasserdipole an. Eine schnellere Schwingung entspricht physikalisch höheren Temperaturen. Je nach Gewebe und Tiefe einer Geschwulst sind dabei verschiedene Schwingungszahlen erforderlich. Radiowellen hoher Frequenz haben viel Energie, dringen aber nicht sehr tief ein. Niedrigere Frequenzen erreichen auch tiefere Schichten, sind aber schwerer fokussierbar. Heute findet der Bereich zwischen 70 und 220 Megahertz Anwendung. Neben der Frequenz ist auch die Phase entscheidend, um Energie zu bündeln. Damit lassen sich etliche Krebsarten behandeln. Gute Datenlage Strahlenmediziner und Onkologen setzen bei Tumoren im kleinen Becken auf eine Tiefenhyperthermie. Hinzu kommen fortgeschrittene gynäkologische Karzinome wie Gebärmutterhalskrebs, aber auch Mammakarzinome, Blasenkarzinome, Weichteilsarkome, Tumoren im Kopf-Hals-Bereich sowie maligne Melanome. Bei Weichteilsarkomen bewies eine randomisierte Phase-III-Studie mit 340 Patienten den Mehrwert. Davon wurden 169 mit Chemotherapie plus Hyperthermie behandelt, und 172 erhielten ausschließlich Zytostatika. Patienten profitierten hinsichtlich des lokal progressionsfreien beziehungsweise krankheitsfreien Überlebens und sprachen besser auf Therapien an. „Regionale Hyperthermie mit Chemotherapie ist eine neue, effektive Behandlung für Hochrisiko-Weichteilsarkome“, resümieren die Autoren. Momentan läuft unter anderem eine randomisierte, zweiarmige, offene Studie, um den Benefit bei resezierten Pankreaskarzinomen zu untersuchen. Was steckt dahinter? Molekulares Massaker Bei hohen Temperaturen werden Tumoren empfindlicher für die Strahlen- und Chemotherapie. Ansonsten kommt es zu einer besseren Perfusion des Gewebes, und Zytostatika – allen voran Alkylantien – wirken stärker. Tumorgewebe führt Wärme nur schlecht ab, schuld sind Anomalien im Stoffwechsel und in der Gefäßversorgung. Ein Hitzestau hemmt wichtige Enzyme, die ansonsten Reparaturaufgaben übernehmen. Molekularbiologen fanden Hinweise, dass speziell homologe Rekombinationen unterbunden wird. Bei chemotherapieresistenten Krebszellen kommt es auch zur Inaktivierung molekularer Pumpen, welche normalerweise Zytostatika nach außen befördern. Sauer: „Außerdem werden Hitzschockproteine (HSP) freigesetzt, die im gesamten Körper zu immunologischen Reaktionen führen.“ HSP70 gibt als molekulares Signal Krebszellen zum Abschuss durch natürliche Killerzellen frei. Nicht nur der lokale Befund bessert sich – es überleben mehr Patienten. Hitze mit Qualität Um einen guten Behandlungserfolg zu gewährleisten, hat Rolf Sauer zusammen mit Kollegen der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DGRO) eine Leitlinie veröffentlicht. Mit dem Papier werde grundsätzlich definiert, was unter Hyperthermie zu verstehen sei. Das beginnt bei der technischen Ausrüstung, sprich dem Applikator. Hinzu kommen Möglichkeiten zur Temperaturmessung. Sauer: „Wenn ich ein Enddarmkarzinom therapiere, muss nachgewiesen werden, dass tatsächlich am Tumor die Temperaturerhöhung erreicht wird.“ Das geht mittlerweile unblutig über Hybridsysteme. Viel Personal benötigt Ärzte kombinierten dazu Applikatoren mit offenen MRT-Systemen. Während der Therapie müssen immer ein Arzt und ein Physiker anwesend sein, gegebenenfalls unterstützt von Pflegekräften, heißt es in dem Dokument. Alle Behandlungen sind zu protokollieren, und für Hyperthermiezentren kommt ein externer Audit mit hinzu. Von den klar formulierten Eckpunkten profitieren auch Krankenkassen. Sauer: „Mit der Leitlinie geben wir Kostenträgern etwas in die Hand, damit klar wird, ob überhaupt eine effektive Hyperthermie gemacht wurde oder eben nicht.“ Heißes Eisen Finanzierung Ohnehin ein kritisches Thema: Bereits vor Jahren hat der Gemeinsame Bundesausschuss Hyperthermien als „Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen“, eingestuft. Im Bereich der klinischen Versorgung übernehmen laut Sauer mittlerweile Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und bald auch Berlin entsprechende Kosten. „Das ist jeweils eine harte Verhandlung“, sagt der Kollege. „Es braucht etwas Überzeugungsarbeit bei den Kassen.“ Holländische Leistungsträger haben die Methode in ihren Katalog aufgenommen, etwa beim fortgeschrittenen Mammakarzinom oder Zervixkarzinom. Auch das US-amerikanische National Comprehensive Cancer Network (NCCN) und die European Society for Medical Oncology (ESMO) empfehlen Hyperthermie als Ergänzung zur Chemo- und Strahlentherapie. Neue Impulse kommen aus der Wissenschaft. Nanofähren im Körper Um regionale Tiefenhyperthermien noch selektiver zu machen, entwickelten Physiker magnetische Nanopartikel aus Eisenoxid. Aufgrund spezieller Beschichtungen reichern sich die Teilchen im Tumor an. Durch elektromagnetische Felder angeregt, heizen sie Tumoren auf. Eine andere Strategie setzt auf hoch toxische Zytostatika, verpackt in thermosensitive Liposomen. Diese setzen ihre giftige Fracht erst bei höheren Temperaturen, sprich direkt am erhitzten Tumor, frei.