Forscher konnten jetzt zeigen, dass auch die menschliche Haut eine innere Uhr besitzt. Diese regelt in Abhängigkeit von der Tageszeit die Regeneration der Haut. Ein gezielter Eingriff in diesen Prozess könnte zukünftig die Behandlung von Hautkrankheiten optimieren.
Innere Uhren steuern eine Vielzahl von zellulären und physiologischen Funktionen in verschiedenen Organismen. Bei Säugetieren sitzt der zentrale zirkadiane Schrittmacher im sogenannten Suprachiasmatischen Nukleus, einem kleinen Teil des Hypothalamus, und kontrolliert dort unter anderem die Körpertemperatur oder den Wach-Schlaf-Rhythmus.
Seit kurzem ist bekannt, dass sich im peripheren Gewebe von Mäusen lokale Uhren befinden und dabei helfen, die Immunantwort und den Zellzyklus zu regulieren. Nun fand ein Forscherteam aus Berlin und Hamburg heraus, dass auch die menschliche Haut molekulare Taktgeber besitzt, die abhängig von der Tageszeit ihre Reparatur und Regeneration steuert. Wie die Wissenschaftler um Professor Achim Kramer im Fachmagazin PNAS bekannt gaben, wird die Aktivität eines dieser tageszeitabhängigen Gene durch das Stresshormon Cortisol gelenkt.
Rhythmisches Aktivitätsverhalten
Kramer und sein Team untersuchten bei 19 Probanden, welche Gene in der Epidermis ein rhythmisches Aktivitätsverhalten zeigten. Für diesen Zweck entnahmen die Forscher zu drei verschiedenen Zeitpunkten Proben aus der Haut der Studienteilnehmer. „Wir haben auf einem kleinen Areal am Unterarm der Probanden einen Unterdruck erzeugt. Die oberste Hautschicht löste sich dadurch ähnlich wie bei einer normalen Blase ab“, erklärt Kramer, Leiter der Arbeitsgruppe Chronobiologie am Institut für Medizinische Immunologie der Berliner Charité. „Anschließend wurden das Hautstückchen und die sich darunter befindliche Flüssigkeit entfernt und eingefroren.“
Die meisten oszillierenden Gene sind morgens aktiv
Aus den Hautzellen isolierten die Forscher die gesamte RNA und unterzogen sie einer Mikroarray-Analyse. RNA ist eine einzelsträngige Nukleinsäure und dient als Überträger der genetischen Information für die Proteinbiosynthese. Je mehr ein bestimmtes RNA-Molekül im Zellkern vorkommt, desto stärker ist das korrespondierende Gen aktiv. Insgesamt schauten sich die Wissenschaftler um Kramer die Aktivität von 18224 Genen an. Dabei stellte sich heraus, dass 294 Gene eine deutlich unterschiedliche Aktivität im Verlauf des Tages aufwiesen. Die meisten dieser Gene zeigten morgens den Höhepunkt ihrer Aktivität. Einige der gefundenen Gene waren den Forschern schon bekannt: Bmal1, Per1 und Rev-Erbalpha gelten als Hauptakteure der zentralen zirkadianen Uhr, die ungefähr einen 24-Stunden-Takt vorgibt. Ihre Aktivität oszilliert weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen.
Allerdings gibt es auch Gene, die in isolierten Hautzellen ihr rhythmisches Aktivitätsmuster verlieren. Sie werden durch Hormone gesteuert, deren Konzentration im Körper ebenfalls schwankt. Klf9, eines der nicht unabhängig oszillierenden Gene, nahmen Kramer und seine Mitarbeiter genauer unter die Lupe. Es trägt die Bauanleitung für ein Protein, welches die Zellteilung verlangsamt, indem es die Aktivität anderer Gene beeinflusst. Klf9 spielt dadurch vermutlich eine wichtige Rolle bei der Hautregeneration: „Hautzellen teilen sich immer wieder und wandern dabei von der untersten zur obersten Hautschicht, wo sie dann nach einer gewissen Zeit absterben“, sagt Kramer. „Diese Prozesse bedürfen einer strengen Regulierung, damit sie nicht aus dem Ruder laufen.“
Cortisol steuert Aktivität von Klf9
Um herauszufinden, auf welche Weise die Funktion von Klf9 von äußeren Faktoren kontrolliert wird, verwendeten die Forscher isolierte Hautzellen und behandelten sie im Reagenzglas mit Wachstumsfaktoren und Cortisol. „Je stärker die Hautzellen differenzierten, desto stärker wurde Klf9 exprimiert“, berichtet Kramer. „Das geschah jedoch nur, wenn Cortisol vorhanden war.“ Das Stresshormon scheint also notwendig zu sein, um Klf9 zu aktivieren. Auch in den Biopsieproben zeigte sich die gleiche Abhängigkeit zwischen Klf9 und Cortisol: Morgens, wenn in der Hautschicht der Probanden die Aktivität von Klf9 am größten war, wies die darunter liegende Flüssigkeit die höchste Konzentration an Cortisol auf.
Bedeutsam für Therapien
Vielleicht, so Kramer, vermehrten sich Hautzellen morgens aufgrund der erhöhten Aktivität von Klf9 nicht so gut wie abends oder nachts. Das würde erklären, warum die Haut in der Nacht besser regeneriert. Nach Ansicht des Berliner Forschers könnten die neuen Erkenntnisse auch bedeutsam sein für die Therapie von Hautkrankheiten: Die Behandlung mit Glukokortikoiden wie zum Beispiel Cortisol lindert bei Patienten mit Neurodermitis, Schuppenflechte und Ekzemen rasch deren klinische Symptome. Bei längerer oder großflächiger Anwendung dieser Medikamente drohen aber Nebenwirkungen.
Wenn man den Einsatz von Glukokortikoiden in Abhängigkeit von der Tageszeit optimieren würde, findet Kramer, könnten wahrscheinlich die Effizienz der Behandlung erhöht und die Nebenwirkungen verringert werden.