Jedes Jahr zieht es tausende angehende Medizinstudenten an ihren zukünftigen Wohnort. Was sollte bei der Studienortwahl berücksichtigt werden und wo lebt es sich besser – inmitten des Großstadtrummels oder im beschaulichen Städtchen? Wir haben uns umgehört.
Das Abitur ist in der Tasche, der nächste Lebensabschnitt steht an und es wird fleißig für die Zukunft geplant. Doch wo soll es eigentlich hingehen? Immerhin wird man die nächsten Jahre an seinem baldigen Studienort verbringen. Die Wahl sollte somit auf jeden Fall den fachlichen Interessen folgen. Doch auch wer sich für sein Studienfach entschieden hat, steht oftmals noch vor einer großen Auswahl. Für das Medizinstudium bieten sich deutschlandweit dabei laut hochschulstart.de über 30 verschiedene Städte an.
Eine individuelle Entscheidung
Ein Patentrezept bei der Entscheidung gibt es nicht. Was dem Einen wichtig ist, mag für den Anderen kaum eine Rolle spielen. Es hilft, sich anfangs einen Überblick zu verschaffen und persönliche Präferenzen festzuhalten. Wie ist das fachliche Ansehen der Universität, wie sieht der Lehrplan aus, möchte ich etwas komplett Neues erleben und möglichst weit weg von meinem Heimatort oder in der nächstgelegenen Stadt studieren, nahe bei Familie und Freunden? Wo fühle ich mich am wohlsten?
Unterschiedliches Freizeitangebot
"Ich wollte einfach mal raus, ich sehe das alles auch irgendwie als Abenteuer", sagt Anna*, die es aus einem einwohnerschwachen Dörfchen im hohen Norden Deutschlands nach München verschlagen hat. Sie reizt der Kontrast zu ihrem bisherigen Leben und die Vielfalt an kulturellen Möglichkeiten in der Großstadt. "Hier wird einem immer etwas geboten, es ist immer was los. Egal ob Abendgymnastik oder Opernbesuch, es ist für jeden was dabei." Das Angebot werde dabei von den Studenten auch großzügig in Anspruch genommen. Man dürfe sich aber bei einem solchen Freizeitangebot natürlich auch nicht allzu sehr von der Uni ablenken lassen.
Familiäre Atmosphäre in kleineren Städten
Lukas sieht das anders. In Hamburg geboren und aufgewachsen, studiert er nun schon seit einigen Jahren in Greifswald. "Ich vermisse das Großstadtleben nicht. Im Gegensatz zu Hamburg ist hier vielleicht weniger los, aber die Atmosphäre ist viel familiärer, nicht so anonym. Man läuft sich in der Stadt oft über den Weg, das ist mir früher nie passiert. Außerdem sind die Entfernungen viel kürzer, ich wohne nahe der Uni und fahre fast nur mit dem Fahrrad. Zwar ist das Sportangebot hier nicht ganz so riesig wie anderswo, dafür stehe ich in 10 Minuten umgezogen in der Turnhalle. Zu Hause bin ich immer ewig unterwegs, um von A nach B zu kommen." Nun könne er sich ganz spontan mit seinen Freunden und Kommilitonen verabreden, die Organisation sei wesentlich unkomplizierter, "wenn nicht alle über Kilometer hinweg voneinander entfernt wohnen."
Massenuni oder enge Betreuung
Auch fühle er sich gut betreut, die Anzahl an Studenten sei überschaubar. Erfahrungen wie Anna, die von der Videoübertragung in einen zweiten Hörsaal, aufgrund der Masse an Studenten, berichtet, habe er nie machen müssen. Tatsächlich beginnen in München so viele Medizinstudenten ihr Studium wie nirgendwo anders in Deutschland, über 900 waren es im Wintersemester 2012/13. Laut Anna werde die Situation im Verlauf des Studiums aber besser und in gewissem Maße würde ja auch das eigene Motivationsvermögen gefördert werden. "Außerdem gibt es hier eine riesige Fächerauswahl." Wer neben der Medizin noch weitere Interessen hat, habe ein breites Auswahlspektrum, "um einmal woanders reinzuschnuppern."
Das liebe Geld
Sonderlich günstig sei das Leben aber nicht, auch die Mietpreise hätten es ganz schön in sich. In der Tat ist das Leben in kleineren Städten oft günstiger. Laut der 19. Sozialerhebung des deutschen Studentenwerkes gibt es in Deutschland beispielsweise starke regionale Unterschiede bezüglich der Mietkosten. Die Spitzengruppe bilden dabei München (348 Euro) und Hamburg (345 Euro). Berlin ist unter den Millionenstädten mit durchschnittlich 298 Euro noch der günstigste Vertreter. Oft hilft es, sich nach Plätzen in Wohngemeinschaften oder Studentenwohnheimen umzusehen. Doch manchmal gestaltet sich das Ganze weitaus schwieriger, wie DocCheck kürzlich berichtete.
Dafür ist die Job- und Praktika-Auswahl in Großstädten besser. Wer neben dem Studium arbeiten möchte, hat hier größere Chancen und auch für Krankenpflegepraktika und Famulaturen besteht eine vergleichsweise breite Auswahlmöglichkeit.
Maria studiert in Hamburg und sieht in der großen Auswahl einen klaren Vorteil der Großstädte. "Hier in der Umgebung gibt es jede Menge Krankenhäuser. Während der Famulaturen muss ich nicht umziehen und kann ich in meiner Wohnung wohnen bleiben. Selbst wenn die Suche nicht direkt etwas ergibt, es findet sich meist doch etwas im Umkreis. Es muss zwar jeder für sich entscheiden, ob man Praktika und Famulaturen auch am Studienort machen möchte, aber zumindest hat man hier die Wahl und alle Möglichkeiten."
Flexibilität ist gefragt
Wer sich mit seiner Entscheidung schwertut, dem sei angeraten, sich seine potentiellen Wunschstädte direkt vor Ort näher anzuschauen. Um einen guten Überblick zu erhalten, bietet sich das Gespräch mit aktuellen oder ehemaligen Studenten an. Und vielleicht kann man auch schon einmal einen Blick in die eine oder andere Lehrveranstaltung werfen.
Johanna hat in diesem Semester ihr Studium begonnen. "Ich habe mir viel Zeit genommen und überlegt, welche Studienorte für mich überhaupt in Frage kämen. Viele Informationen erhält man über das Internet und bei Informationsveranstaltungen, aber ich habe mich trotzdem schwergetan. Deswegen habe ich mir jede Universität, die in Frage kam, vor Ort und Stelle angesehen und dort mit ein paar Studenten geredet. Zwar sind die Aussagen sicherlich immer etwas subjektiv, aber so erhält man einen guten Überblick. Am Ende habe ich mich dann für Regensburg entschieden und bin damit bisher sehr glücklich."
Bei der Wahl des Studienortes ist auch eine gewisse Flexibilität vonnöten. Die Nachfrage nach Studienplätzen für Medizin übersteigt das Angebot bei weitem und in Anbetracht des Auswahlverfahrens auf hochschulstart.de und eigener Vorgaben seitens der Universitäten muss jeder Bewerber seine eigenen Ortspräferenzen festlegen und genau abwägen, wo die Chancen auf Zulassung im eigenen Fall am höchsten sind. Der Studienort nimmt dabei für viele Bewerber eine untergeordnete Präferenz ein, solange überhaupt noch die Hoffnung darauf besteht, dass der Zulassungsbescheid im Briefkasten landet.
*Die Namen der Interviewten wurden auf deren Wunsch geändert.