Einer der ersten Kurse des Medizinstudiums ist Terminologie. Hier lernt man, sich mit den griechischen und lateinischen Fachtermini in der Medizinersprache zurechtzufinden. Doch beugt das Missverständnissen wirklich vor oder lässt es manche gar erst entstehen?
Denjenigen, die sich für ein Studium Medizin interessieren, wird häufig ein Buch empfohlen: House of God von Samuel Shem, wohl eines der medizinischen Standardwerke in der Rubrik Romane. Der Leser bemerkt hier zum ersten Mal, wie eigen doch die Sprache und Ausdrucksweise der Mediziner ist. Das Akronym GOMER ist hierfür ein Paradebeispiel, es steht für "Get out of my emergency room" und bezeichnet ältere, multimorbide Patienten, die die meisten Ärzte nur ungern in der Notaufnahme haben möchten. Hat einen dieser Roman nicht vom Beginn eines Medizinstudiums abhalten können, sieht man sich bald mit der medizinischen Terminologie auseinandergesetzt, die einem Tag für Tag viele neue Fachbegriffe und Abkürzungen beschwert, die einem dann andauernd im Kopf herumschwirren.
Wenn die Welt einen nicht mehr versteht
Zu Beginn fällt das Eintauchen in die neue Sprache nicht gerade leicht und man fragt sich oft, wer sich dieses und jenes denn ausgedacht habe? Und dann auch noch der Spagat zwischen griechischen und lateinischen Termini, hätte eine Sprache nicht gereicht? Irgendwann - ganz langsam - beginnt dann allerdings ein Wandlungsprozess und man kann gar nicht mehr ohne die neuen Begriffe und Wörter leben. Auf Partys heißt es dann schnell mal: "Sorry, könntet Ihr das nochmal für normale Menschen erklären?" Oder auch: "Könnt Ihr mal aufhören mit Eurem Medizinergeschwafel?" Ein kleiner Tipp am Rande: Medizinerwitze werden auch wirklich nur von Medizinern verstanden und für lustig befunden. Bei allen anderen erntet man nur prüfende Blicke.
Die Ausdrucksmöglichkeiten nehmen mit dem weiteren Verlauf des Studiums zu. Es heißt dann nicht mehr: "Mir geht es heute nicht so gut." Sondern: "Ich bin dysthym." Logorrhoe wird mit Wortdurchfall übersetzt und auch sonst kann man seinen Mitmenschen mit dem eigenen hochtrabenden Gerede ganz schön auf die Nerven gehen, vor allem, wenn diese nur noch Bahnhof verstehen.
Machen Abkürzungen das Leben leichter?
Das Ganze wird von den verschiedenen Abkürzungen noch verschärft. Vor allem, da diese oft mehrere unterschiedliche Bedeutungen haben können. So steht das Kürzel HI einerseits für "Haemophilus influenza", ist andererseits aber auch eine gängige Abkürzung für die Herzinsuffizienz, nicht jedoch für den Herzinfarkt. Die Abkürzung für Herzinfarkt ist vielmehr MI für Myokardinfarkt! Also Vorsicht in Anamnesebögen und Arztbriefen mit Abkürzungen! Sie können zwar Zeit sparen, aber auch für nachhaltige Verwirrung und Unsicherheit sorgen. Es gibt schon einen Grund, dass man im Internet zahlreiche Lexika für Abkürzungen findet. Es sind gewiss nicht nur die Patienten, die in diesen nachschlagen.
Allerdings ist es auch ratsam, nachzuschauen, wenn man etwas nicht versteht, sonst kann einem folgendes passieren: Ein hier nicht näher benannter Student schrieb in den Anamnesebogen immer Z. n. (Zustand nach) vor die Diagnosen, ohne genau zu wissen, was das denn bedeutet. Dies machte dann natürlich in Bezug auf einige Krankheiten keinen wirklichen Sinn. Zum Beispiel Z. n. Asthma bronchiale ist eher unwahrscheinlich, wenn die Krankheit immer noch besteht und der Patient zur Behandlung dieser in die Klinik gekommen ist. Das kann dann schon unangenehm sein.
Fragen ist der Schlüssel zum Erfolg
Also, wenn Ihr mal eine Abkürzung nicht kennen solltet, kein Problem, einfach nachfragen oder -schlagen. Ich befand mich einmal in einer ähnlichen Situation: Die Ärztin, mit der ich - ziemlich zu Anfang meines Studiums - zum Dienst eingeteilt war, wurde ein bisschen hektisch, weil der RTW kommen sollte. Mich ließ das relativ kalt, da ich die Abkürzung nicht kannte. Auf meine Nachfrage, klärte sich mich auf und teilte mir mit, dass ein Notfall in die Rettungsstelle eingeliefert werde. Dann verstand ich ihre Eile und Hektik. Unangenehm könnte es auch in anderer Hinsicht werden. Studenten, die zuvor als Rettungssanitäter gearbeitet haben, verstehen oftmals keinen Spaß, wenn man von einem Krankenwagen statt einem Rettungswagen spricht. Und zu wissen, was ein NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) ist, ist sicherlich auch nicht von Nachteil. Damit Euch keine Verwechslungen passieren, könnt Ihr Euch hier informieren.
Die korrekte Aussprache von Fachbegriffen ist auch eine Krux. Spricht man in der Prüfung die Worte fehlerhaft aus, begibt man sich schnell auf dünnes Eis. Denn damit gibt man leider häufig unfreiwillig zu, dass man nicht in der Vorlesung war, sondern sich lieber anderweitig beschäftigt hat. Am besten hat mir allerdings der Beitrag einer Studentin gefallen, die auf den Hinweis von Pathologen verweist, dass Studenten aus der Lehrsektion ausgeschlossen werden, die den Unterschied zwischen einer Sectio (Schnitt), zum Beispiel Sectio caesarea (Kaiserschnitt) und einer Sektion (innere Leichenschau) nicht kennen.
Blutsturz und Wasserbauch - wenn man die Laiensprache nicht mehr versteht
Schlimm wird es auch, wenn man sich auf einmal ganz anderen Problemen ausgesetzt sieht. Wenn der Patient einem in Laiensprache erzählt, was er hat oder hatte und man kein Wort versteht. Was heißt denn bitte Wasserbauch? Okay, hier kommt man vielleicht noch darauf, dass es sich um eine Aszites handelt. Aber Blutsturz? Ich befragte hierzu mehrere Kollegen und wir waren uns nicht ganz einig. Eine stark beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit? Ein starker plötzlicher Blutverlust? Tatsächlich handelt es sich um eine "starke (meist plötzlich auftretende) Blutung", laut Definition des Psychrembels.
Generelle Missverständnisse
Dass die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten generell verbesserungswürdig ist, lässt sich leider immer wieder in Klinik oder Praxisalltag beobachten. Medikamente werden zum Teil gar nicht oder nicht richtig eingenommen. Wenn der Arzt dem Patient die Notwendigkeit eines Medikamentes nicht einleuchtend genug beschrieben hat, wird diesen allein der Beipackzettel vor der Einnahme zurückschrecken lassen. Anisha, Medizinstudentin aus Berlin, hat zum Thema Missverständnisse schon einiges mitbekommen. So habe zum Beispiel ein Arzt zu einer Patientin gesagt: "Ich leg' Ihnen mal schnell eine Nadel in den Arm." Die Patientin klagte, laut Anisha, kurz darauf über Schmerzen und hatte Angst, dass die Nadel etwas verletzen könnte. Eine kurze Erklärung, dass das nur noch ein kleiner Plastikschlauch ist, reichte aus, um die Patientin zu beruhigen. Eine weitere - für die betroffene Patientin wahrscheinlich mit sehr viel Aufregung verbundene - Geschichte erlebte Anisha in der Neurochirurgie: "Eine neurochirurgische Patientin hatte nach einer Wirbelsäulen-OP weiterhin anhaltende Schmerzen. Es erfolgte ein ausführliches Gespräch mit dem Oberarzt über die Notwendigkeit eines Korsetts. Am späten Nachmittag kam der aufgeregte Sohn der Patientin zu dem diensthabenden Arzt und wollte wissen, warum seine Mutter erneut operiert werden soll. Die Patientin hatte den Begriff "Korsett" mit einer zuvor kurz angesprochenen eventuell notwendigen Versteifung der Wirbelsäule in Verbindung gebracht."
Diese Beispiele belegen sehr gut, wie wichtig eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation ist. Die Patienten haben häufig Hemmungen, nochmals beim Arzt nachzufragen, da sie wissen, dass dieser wenig Zeit hat und sie somit dessen Zeit nicht überstrapazieren möchten. Und oft trauen sie sich auch einfach nicht.
So mancher Stolperstein
Die zum Teil nicht ausreichende Kommunikation zwischen Arzt und Patient, ist wohl auch ein Grund für den Erfolg der Webseite https://washabich.de/, der sich DocCheck an dieser Stelle intensiver widmete. Dort übersetzen und erklären Medizinstudenten und andere Freiweillige den Patienten ihre Befunde. Das Engagement hilft nicht nur den Patienten, auch die Studenten lernen sich auf eine für den Patienten verständliche Art und Weise auszudrücken.
Die Kommunikation zwischen Medizinern und Patienten weist somit einige Stolpersteine auf und liefert so manche obskure Abkürzung und Situation. Auch im fachlichen Gespräch unter Medizinern kann es zu Verständigungsproblemen kommen, nicht zuletzt aufgrund oft mehrdeutiger Abkürzungen. Wir haben einige amüsante und skurrile Abkürzungen für Euch zusammengetragen.
Einige witzige und skurille Abkürzungen
Wirrwarr: Abkürzungen mit gleich mehreren Bedeutungen