Der Einsatz von Prothesen beschränkt sich in der Regel auf den Ersatz der Funktion von Extremitäten. Eine Neuentwicklung von US-Forschern ist eine Neuroprothese. Sie soll verloren gegangene Fähigkeiten der Kognition wiederherstellen.
Die neuronale Aktivität von Nervenzellen lässt sich elektrisch beeinflussen. Das ist therapeutisch bereits bei verschiedenen Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Epilepsie nutzbar. Dabei stimulieren sogenannte Hirnschrittmacher bestimmte Hirnregionen, um die Fehlfunktion von Nervenzellen zu unterbinden beziehungsweise zu unterdrücken. Forscher des Wake Forest Baptiste Medical Center in North Carolina entwickelten nun eine Neuroprothese, die die Kognition beeinflussen kann. Mithilfe der Prothese lassen sich nicht nur existierende Schaltungen aufzeichnen, sondern auf zellulärer Ebene auch verändern.
MIMO-Modell
Zunächst identifizierten Robert Hampson et al. bei fünf Rhesusaffen mit der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) einen Bereich des präfrontalen Kortex, der für Entscheidungen bedeutsam ist. Es folgte die Implantation zweier Elektroden in zwei unterschiedlichen Schichten der sechs Laminae der Hirnrinde. Die zwei ausgewählten Laminae sind eine äußere Schicht für die Verarbeitung sensorischer Reize (Input von Reizen) und eine innere Schicht mit Verbindung zu anderen Hirnschichten (Output). Die Platzierung der Elektroden und die Aufzeichnung der Muster neuronaler Impulse erfolgte nach dem "multi-input multi-output nonlinear (MIMO)-Modell“, einem mathematischen Modell, das Forscher der Universität South Carolina entwickelt hatten. Es ermöglicht grob gesagt Signale aus der äußeren Schicht aufzuzeichnen und Signale an die innere Schicht abzugeben.
Signalverstärkung richtiger Entscheidungen
Die Affen nahmen an einem Training teil, bei dem sie sich am Computerbildschirm verschiedene Symbole merken und diese nach einer zeitlichen Verzögerung von zwei Minuten unter mehreren verschiedenen Symbolen wieder erkennen sollten. Richtige Entscheidungen wurden belohnt. Nach zwei Jahren Training, zeichneten die Forscher die neuronale Aktivität auf, die mit der richtigen Entscheidung der Auswahl der Bilder verknüpft war. Diese bestimmten Muster der Hirnsignale der richtigen Entscheidungen machten sich die Forscher zunutze und verstärkten die Hirnsignale der richtigen Auswahl, während die Affen ihre Entscheidung noch überlegten. Richtige Entscheidungen ließen sich auf diese Art steigern.
Kokain simuliert kognitiven Schaden
Nun simulierten die Wissenschaftler eine schwerere Hirnverletzung, die die Kognition beeinträchtigt. Dies war mit der intravenösen Verabreichung von Kokain möglich. Erwartungsgemäß litt die kognitive Leistungsfähigkeit und war um 13 Prozent reduziert. Die Aktivierung der Prothese in dieser Situation konnte die Leistung wieder steigern, sogar über die Leistung der Affen ohne simulierte Hirnschädigung hinaus. Denn die Ergebnisse waren um zehn Prozent besser als die des Versuchs ohne Kokain. Der eingeschränkten Kognition unter Kokaineinfluss ließ sich demnach zumindest bei den Versuchstieren mit gezielter elektrischer Stimulation effektiv entgegenwirken. Nun unterscheidet sich das menschliche Gehirn auch nicht gravierend von dem der Affen, sodass die Forscher die Hoffnung hegen, eines Tages auch Menschen mit Hirnschäden und kognitiven Defiziten helfen zu können.
Forschungsbedarf
Allerdings beschränkte sich der Einsatz der Neuroprothese auf eine einzige Aufgabe. Bei einer Hirnschädigung fallen meist mehrere Bereiche aus und es ist mehr als eine Fähigkeit beeinträchtigt. Wie von der Parkinsonbehandlung bekannt, ist die elektrische Stimulation auch mit Problemen verbunden und nicht alle Patienten profitieren von der Therapie. Nebenwirkungen der Therapie können etwa Sprach- und Gleichgewichtsstörungen sein und auch, dass die Effektivität der Behandlung mit der Zeit nachlässt.
In der Parkinsonforschung liegt deshalb der Fokus des im Mai 2012 gestarteten Forschungsprojektes DBS SMART, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, auf der Neuentwicklung von Hirnschrittmachern, die von der Schädigung betroffene Nervenverbände gezielt beeinflussen.