Wer sich auf Reisen oder im Ausland bei Notfällen engagiert, wird in vielen Ländern gesetzlich vor möglichen Folgen geschützt. Für humanitäre Einsätze reichen diese Regelungen aber nicht aus.
Die Welt braucht engagierte Ärzte mit Zivilcourage, die nicht wegsehen und auch im Urlaub erste Hilfe leisten. Trotz kultureller und politischer Unterschiede, fördert nahezu jeder Staat Hilfeleistungen in Notsituationen. Wer Opfern nicht beisteht, riskiert eine entsprechende Verurteilung. Immer häufiger fragen sich Kollegen jedoch, wie die Situation hinsichtlich möglicher Regresse zu bewerten ist. Eine zentrale Frage: Welches Rechtssystem findet überhaupt Anwendung? Deutsches Recht bei 30.000 Fuß Ein Kreuzer unter deutscher Flagge oder ein deutsches Flugzeug unterliegen gemäß internationalem "Flag Right" auch der deutschen Gesetzgebung. Das bedeutet, auf hoher See oder in der Luft gilt Paragraph 323c des Strafgesetzbuchs: "Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." Vom moralischen Standpunkt abgesehen, haben Ärzte keine weiteren Pflichten als medizinische Laien. Sie müssen generell nur "zumutbare Hilfe" leisten – ein Begriff, der sicher bei Intensivmedizinern anders zu bewerten ist als bei Ärzten aus der industriellen Forschung. Risikolose Hilfe Während größere Kreuzfahrtschiffe meist medizinisches Personal an Bord haben, sieht es über den Wolken nicht so gut aus. An Bord von Flugzeugen ereignen sich regelmäßig medizinische Zwischenfälle – etwa einer pro 10.000 bis 40.000 Passagiere. Rein rechnerisch sind Ärzte bei nahezu jedem 25. Interkontinentalflug gefordert. Sie erwartet ein breites Spektrum von Befindlichkeitsstörungen bis hin zu lebensbedrohlichen Erkrankungen. Crews halten meist sogenannte Enthaftungserklärungen bereit, um Ärzte – außer bei grober Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz – abzusichern. Das Dokument ist Bestandteil der Haftpflichtversicherung von Flugzeugen und schützt auch Kollegen, sollte ihre Approbation im Zulassungsland des Flugzeugs nicht gültig sein. Wer sich nach einem Aufruf der Crew als Mediziner zu erkennen gibt, handelt trotzdem nicht im Auftrag der Fluglinie. Bei Fragen einer Ausweichlandung sollte die Möglichkeit genutzt werden, via Satellitentelefon Notfallmediziner am Boden zu konsultieren. Ansonsten entscheiden Kollegen de jure nie über ungeplante, kostspielige Zwischenstopps – dass kann nur der Kapitän. Deutschland: Sicherheit für Ersthelfer Deutsche Gerichte haben außerdem bestätigt, dass ärztliche Ersthelfer einen besonderen Schutz genießen. Beispielsweise leistete ein Gynäkologe, der zufällig Zeuge eines Badeunfalls wurde, erste Hilfe. Nach anfänglichen Bemühungen, unterließ er weitere Versuche, da das Unfallopfer seiner Ansicht nach verstorben war. Dennoch gelang einem zwischenzeitlich verständigten Notarzt die Reanimation – durch den Sauerstoffmangel waren aber schon bleibende Schäden eingetreten. Das Oberlandesgericht München stellte hier einen fahrlässigen Diagnoseirrtum fest, sprach den Arzt aber vom Tatbestand grober Fahrlässigkeit frei. Anders als im Arzthaftungsrecht musste er keine Beweislast tragen. Auch kam kein Behandlungsvertrag im eigentlichen Sinne zu Stande. Ein Notarzt, der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit vor Ort erste Hilfe geleistet hätte, wäre laut den Richtern anders zur Verantwortung gezogen worden. Ansprüche im Ausland Leisten Kollegen bei Unfällen oder akuten Erkrankungen im Ausland erste Hilfe, sind sie auf der sicheren Seite. Selbst ältere Berufshaftpflichtversicherungen decken diese Tätigkeit ab, außer bei grober Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz. Hier sind vor allem zwei Stellen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu nennen, die eine mögliche Haftung beschreiben. Im Paragraphen 280 ist festgelegt: "Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat." Ergänzend formuliert der Paragraph 823: "Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet." Doch wie bewerten andere Länder dieses Thema? Gute Samariter im Einsatz Immer wieder ist im Web zu lesen, Kollegen sollten in den USA bei Notfällen über "911" Rettungsdienste verständigen, ansonsten aber lieber die Finger von jedweder Hilfe lassen. Im schlimmsten Falle drohten ansonsten horrende Schadensersatzklagen. Das amerikanische, kanadische oder britische Recht verpflichtet Ärzte nicht, erste Hilfe zu leisten, falls es davor noch kein Behandlungsverhältnis gab. Auch gelten die Hemmschwellen eines Prozesses durch Anwälte, die rein auf Erfolgsbasis arbeiten, als deutlich niedriger. US-Bundesstaaten haben deshalb sogenannte "Good Samaritan Laws" erlassen, also Gesetze, um Helfer vor etwaigen Regressen zu schützen. Viele andere Staaten Europas, Asiens, des mittleren Ostens sowie die Bundesstaaten Australiens haben vergleichbare Rechtsnormen. Ähnlich der biblischen Geschichte, müssen "gute Samariter" aus freien Stücken heraus handeln, sprich ohne kommerzielle Interessen und ohne berufliches Mandat. Notärzte, die einen Unfallort in dienstlichem Auftrag anfahren, werden nicht von Good Samaritan Laws geschützt. Obwohl entsprechende US-Gesetze ursprünglich für medizinisches Personal entwickelt wurden, um deren privates Engagement abzusichern, gelten sie teilweise – aber keinesfalls generell – für Ersthelfer ohne entsprechende Ausbildung. Humanitärer Einsatz – heikle Haftung Werden Ärzte in Katastrophengebieten ehrenamtlich tätig, sollten sie im Vorfeld Kontakt zu ihrer Haftpflichtversicherung aufnehmen und klären, wie es um den Schutz bestellt ist. Manche Policen decken nur Erste-Hilfe-Maßnahmen ab, nicht jedoch längere Einsätze in Katastrophengebieten. Auch muss überprüft werden, inwieweit sich Tätigkeiten ändern. Nimmt ein Allgemeinmediziner mit eigener Hausarztpraxis im humanitären Einsatz kleinere, chirurgische Eingriffe zur Wundversorgung vor, wird die Berufshaftpflicht etwaige Behandlungsfehler nicht übernehmen. "Ärzte ohne Grenzen" sichert Kollegen deshalb mit einem umfangreichen Paket aus Privat- und Berufshaftpflichtversicherung ab. Hinzu kommen Reise-, Gepäck-, Auslandskranken-, Invaliden-, Berufsunfähigkeits-, Lebens-, Unfall- und Rückholversicherungen: wichtige Bausteine, sollten Kollegen vor Ort selbst verunfallen. Mehr als 140 Staaten bestehen auf lokalen Versicherern, die entsprechende Policen ausstellen ("Non-admitted-Verbotsländer"). Hier informiert die jeweilige Botschaft. Ansonsten ist auch ein Strafrechtsschutz empfehlenswert. Hilfe aus Berlin Sollten Ärzte aufgrund der von ihnen geleisteten Hilfe in Bedrängnis geraten, wird sie das Heimatland nicht im Stich lassen. Deutsche, die in Not geraten, bekommen politische Unterstützung von ihrer Botschaft beziehungsweise vom Auswärtigen Amt.