In die Situation, Erste Hilfe zu leisten, kann jeder kommen. Als Medizinstudent sollte man darauf bestens vorbereitet sein. Sollte. Aber ist dem wirklich so? Und steht der Medizinstudent in einer Erste Hilfe-Situation in einer größeren Verantwortung als Laien? Wir haben uns umgehört.
Vor der Situation, an einem Unfallort als Ersthelfer einzutreffen, graut es wohl jedem. Aber auch Notfallsituationen in kleinerem Ausmaß können beängstigend sein. Wir haben Medizinstudenten und Ärzte befragt, ob sie sich bereits in einer solchen Situation befanden, in der sie Erste Hilfe leisten mussten und ob sie sich als fachliche Spezialisten in einer besonderen Verantwortung sehen.
Der Ernstfall tritt ein
Anisha, Medizinstudentin aus Berlin, musste bereits einmal erste Hilfe leisten: "Im Supermarkt hatte ein Mann einen Krampfanfall. Ich habe ihn in die stabile Seitenlage gebracht und darauf geachtet, dass er sich nicht verletzt. Bis der Rettungswagen kam, habe ich die Vitalparameter überwacht." Petra, Medizinstudentin im 7. Semester, berichtet davon, dass eine Kommilitonin in der U-Bahn Erste Hilfe geleistet habe. Eine junge Frau sei kollabiert und es sei schwierig gewesen, die Atmung festzustellen. Sie hätten an der Uni kurz zuvor jedoch bereits ein Training in Notfallmedizin absolviert, wodurch die Kommilitonin wusste, was zu tun ist.
Zirkeltraining und Schauspielpatienten
Ob man sich gut auf Notfälle vorbereitet fühlt, scheint zumeist damit zusammenzuhängen, wie oft - vor allem praktisch - dafür geübt wurde. Sabine, mittlerweile praktizierende Ärztin, berichtet: "Wir hatten mehrere Blöcke Notfallmedizin an der Universität. Nach dem letzten Block hatte ich das Gefühl, gut auf die häufigsten Notfälle vorbereitet zu sein. Das Training fand im TÄF (Trainingszentrum für ärztliche Fähigkeiten) statt. Es gab Seminare, in denen die Grundlagen dargeboten wurden, an Dummies wurden verschiedene Situationen geübt und zusätzlich gab es noch simulierte Fälle mit Schauspielpatienten."
Auch Petra fühlt sich durch das Studium gut auf Notfälle vorbereitet und findet es wichtig, diese Situationen zu trainieren, um praktische Erfahrungen zu sammeln, z.B. in der Notaufnahme, denn: "Es kann einfach jeden treffen, egal wo man arbeitet." Die Charité scheint ihre Studenten in dieser Hinsicht gut zu schulen. Es gibt mehrere Blöcke Notfallmedizin in unterschiedlichen Semestern, die Seminare werden mit praktischen Übungen ergänzt. Jedoch ist das leider nicht an jeder Medizinischen Fakultät der Fall. Hier besteht zum Teil noch erheblicher Nachholbedarf, vor allem, was die Häufigkeit und das Üben von praktischen Fähigkeiten und Handlungsabläufen betrifft.
Es geht noch besser
Aber auch an der Charité gibt es laut Anisha noch Verbesserungsbedarf: "Ich würde sagen, die Ausbildung ist nicht ausreichend, da Notfälle zu wenig trainiert werden." Sie hat vor dem Studium eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin absolviert. Durch die mehrere Monate dauernde Ausbildung gewinne man eine andere Routine und das nötige Wissen. Im Gegensatz dazu fehle es in der Medizinischen Ausbildung daran, dass man sich in dem Moment, in welchem man handeln müsse, auch sicher fühle. Auch Sina, eine weitere Ärztin, die wir befragt haben, fühlte sich durch das Medizinstudium nur unzureichend auf Notfallsituationen vorbereitet. "Ich denke, es hätte häufiger und intensiver geübt und praktisch geschult werden müssen."
Verantwortung? Verantwortung!
In einem sind sich alle einig, als Medizinstudent hat man in einer Notfallsituation eine besondere Verantwortung, was Sina unterstreicht: "Ich sehe Medizinstudenten auf jeden Fall in einer besonderen Verantwortung. Zum einen dadurch, dass man - zumindest theoretisch - aufgrund seines Wissens, im Gegensatz zu Laien, die fachliche Kompetenz zur Ersten Hilfe haben müsste. Zum anderen entscheidet man sich mit der Wahl des Studiums dazu, anderen Menschen zu helfen." Das sieht Sabine ebenso, sie fühlt sich durch das Studium verpflichtet, zu helfen, da man im Vergleich zu anderen Personen über einen Erfahrungs- und vor allem Wissensvorsprung verfüge.
Das sagt der Profi
Uli ist seit 15 Jahren Notarzt und zu ca. 1.500 Einsätzen gefahren. Er sagt, ein Einsatz bedeute immer puren Stress, da man nicht wisse, was auf einen zukomme. Das höre auch nicht mit steigender Anzahl der Einsätze auf. In solchen Situationen müsse alles schnell gehen und man habe meist nur wenige Sekunden, sich zu entscheiden, wie gehandelt werden müsse. Auf die Frage, was ein gutes Vorgehen in einer Notfallsituation ausmache, antwortet er, man solle ruhig zur Unfallstelle gehen. An erster Stelle stehe die eigene Sicherheit und die Unfallstelle müsse dementsprechend abgesichert werden (z.B. auf der Autobahn). Dann solle man sich einen Überblick verschaffen, wie viele Patienten es gebe? Nach der Durchführung einer Triage könne mit den lebensrettenden Sofortmaßnahmen begonnen werden. Man könne gut ausgebildete Rettungssanitäter mit in den Prozess einbeziehen, welche sich zum Beispiel bereits weitere Patienten anschauen könnten. Auch gelte es, weitere anwesende Personen - wie zum Beispiel Feuerwehrmänner oder Polizisten - miteinzubeziehen, sollte man zusätzlich deren Hilfe benötigen. Diese müssten jedoch exakt instruiert werden.
Extremsituation trainieren
Eine Notfallsituation ist immer eine extreme Situation. Diese kann und sollte deswegen an der Universität verstärkt geschult und geübt werden, damit der Ersthelfer sich so gut wie eben möglich darauf vorbereitet fühlt. Dafür ist es wichtig, dass es Wiederholungen in den einzelnen Studienabschnitten gibt. Als Medizinstudent hat man die Möglichkeit, den Wunsch nach einer zunehmenden Anzahl der Notfallkurse an seiner Universität anzusprechen oder sie selbst zu organisieren.
Rechtliche Informationen zum Thema Erste Hilfe*:
*hinzugefügt am 29.11.2012