Diabetiker wünschen sich seit Jahren, ihre Blutglukose einfach, aber vor allem kontinuierlich und schmerzfrei zu messen. Solche Verfahren auf Basis elektromagnetischer Wellen sind durchausmöglich, viele Geräte scheitern jedoch beim Sprung in die Praxis.
Um die Blutglukose regelmäßig zu bestimmen, bleibt Patienten heute keine Wahl. Sie müssen regelmäßig etwas Kapillarblut gewinnen oder einen Nadelsensor in die Haut stechen. Diabetiker empfinden beide Optionen als unangenehm – deshalb fällt so manche Messung unter den Tisch. Old School Beim etablierten Glucose-Oxidase-Test setzt ein Enzym Glukose zu Glucoronsäure um. Das entstehende Wasserstoffperoxid lässt sich über eine Farbreaktion oder über Potenzialmessungen quantifizieren und ist proportional zum Glukosespiegel. Vom lästigen Piksen abgesehen, hat die Messung über Kapillarblut und Teststreifen einen gewichtigen Nachteil: Sie liefert nur Momentaufnahmen – pathologische Maxima oder Minima werden eher zufällig gefunden. Für eine künstliche Bauchspeicheldrüse bräuchten Technologen neben der Insulinpumpe zuverlässige, kontinuierlich arbeitende Glukose-Sensoren. Zurzeit gibt es vor allem Nadelsensoren, die ebenfalls mit der Glucose-Oxidase-Methode arbeiten. „Extrem attraktive Option“ Forscher versuchen seit Jahren, schmerzfreie physikalische Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln. „Ein nicht-invasives Glukosemonitoring ist unserer Ansicht nach eine für Patienten mit Diabetes extrem attraktive Option“, sagt der Diabetologe (Deutsche Diabetes Gesellschaft) Dr. Guido Freckmann. Durch seine Tätigkeiten am Institut für Diabetes-Technologie Forschuns- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Universität Ulm, und in der Arbeitsgemeinschaft diabetologische Technologie (AGDT) ist er mit allen Höhen und Tiefen der Materie vertraut. Geräte müssen unter Feldbedingungen ausreichend genaue Messerte liefern – bei einem erschwinglichen Preis. Auch nicht-invasive Systeme benötigen zur Kalibrierung in größeren Abständen etwas Kapillarblut. „Unter Laborbedingungen gibt es ja eine ganze Reihe von Ansätzen, die eine gute Korrelation der Messergebnisse mit Glukoseänderungen aufweisen“, erklärt Freckmann. In den letzten zehn Jahren hatten mehrere Start-Ups Morgenluft gewittert. Allerdings gelang es keinem Unternehmen, das jeweilige Produkt im Handel zu etablieren. Hochfrequenz am Handgelenk Besonders tragisch ist der Fall von Pendragon Medical zu bewerten. Deren Glucose-„Armbanduhr“ PENDRA® arbeitete mit der Impedanzspektroskopie, also dem Wechselstromwiderstand eines Elektrolyten im Frequenzbereich zwischen 20 und 60 Megahertz. Die Firma präsentierte vielversprechende Studien, um eine Korrelation zwischen dem Blutglukosespiegel und dem Messwert zu belegen. Allerdings führen manche Medikamente oder starkes Schwitzen zu Schwankungen, und trotz individueller Kalibrierung funktionierte das Prinzip nicht bei jedem Diabetiker. Aufgrund des ökonomischen Drucks versuchte die Firmenleitung trotzdem, PENDRA® in Holland zu positionieren. Das Ende vom Lied: Pendragon Medical musste Insolvenz anmelden. Freckmann: „Eine wesentliche Schwäche war dabei, dass die Eignung des Produkts für die Nutzung durch Patienten nicht von unabhängigen Forschern in entsprechenden klinischen Studien vor der Markteinführung belegt wurde.“ Durch die Haut in die Uhr Andere Firmen wie von Cygnus / Animas setzten auf „Armbanduhren“ mit Iontophorese-Technik. Patienten trugen deren GlucoWatch® am Handgelenk. Alle 20 Minuten erfasste ihr Gerät den jeweiligen Blutzuckerspiegel, indem ein schwacher Strom etwas Flüssigkeit aus der Haut in eine gelartige Matrix zog. Die Messung erfolgt nach dem bekannten Verfahren über Wasserstoffperoxid, das bei der Oxidation von Glukose entsteht. Alle 13 Stunden musste eine neue Elektrode verwendet werden. Fast jeder zweite Anwender klagte über lokale Hautreaktionen, was die Compliance nicht gerade förderte. Der eigentliche Todesstoß kam jedoch in Form zweier Studien (MITRE und DirecNet). Beide Arbeiten erbrachten keinen Beweis, dass Patienten hinsichtlich ihrer Stoffwechsellage von einer GlucoWatch® profitieren. Damit wären Kassen nicht einmal in Sonderfällen zur Kostenübernahme bereit gewesen, und die GlucoWatch® verschwand vom Markt. Glukose im Auge Bleibt noch die vordere Augenkammer als messtechnische Alternative. Kammerwasser enthält ähnlich viel Glukose wie unser Blut. Bis sich veränderte Blutglukosespiegel auch im Auge bemerkbar machen, kann es aber dauern – ein nicht zu unterschätzender Nachteil. Zur Technik: Treffen Lichtstrahlen die Linse und werden anschließend wieder nach außen reflektiert. Sie passieren auf ihrem Weg zwei Mal die Kammerflüssigkeit, was sich zur Glukosebestimmung verwerten lässt. Das Verfahren scheitert momentan vor allen an schlechten Reflexionseigenschaften der Linse. Ein hochenergetischer Laserstrahl kann aus naheliegenden Gründen schlecht eingesetzt werden. Da viele Typ-2-Diabetiker ohnehin aufgrund von Katarakten unter das Messer müssen, liegt es nahe, spezielle Intraokularlinsen zu entwickeln, die für sichtbares Licht durchlässig sind, aber im Messbereich stark reflektieren. Ansonsten bleibt als Option, gleich einen Minisensor in die Augenkammer zu implantieren, der Daten drahtlos an Handheld-Geräte überträgt. Neue Sterne am Diabeteshimmel? Jetzt ist der Markt wieder einmal in Aufruhr. Der „C8 MediSensors Optical Glucose Monitor“ setzt auf die sogenannte Raman-Spektroskopie. Elektromagnetische Strahlung regt bei Glukosemolekülen bestimmte Schwingungen an, was Rückschlüsse auf die Konzentration zulässt. Auch hier gibt es gute Ergebnisse aus Laborexperimenten mit wässrigen Lösungen. Ob sich das Signal-Rausch-Verhältnis soweit verbessern lässt, dass Messungen durch die Haut möglich wären, ist fraglich. Dr. Guido Freckmann berichtet, zwar habe eine retrospektive Analyse der Versuche zu „akzeptablen Korrelationen der Messwerte mit den Blutzuckerverläufen der Patienten“ geführt. Sein Einwand: „Bisher wurden unserer Kenntnis nach keine Daten von Studien präsentiert, bei denen prospektive Messergebnisse unter Alltagsbedingungen erhalten wurden.“ Patienten mit einbinden Genau diese Praxis wird von der AGDT kritisiert: Im Zuge einer vorsichtigen Markteinführung sollten erst einmal Fachgesellschaften und Diabetologen die Möglichkeit haben, neue Systeme eingehend zu prüfen. Ärzte könnten Patienten auswählen, um beispielsweise ein nichtinvasives System zeitgleich mit invasiven, kontinuierlich messenden Glukosesensoren („Nadelsensoren“) zu testen. Juristisch wäre dies nicht notwendig, da C8 MediSensors kürzlich eine CE-Zertifizierung bekommen hat – große Hürden sind damit generell nicht verbunden. Vom Ergebnis eines Praxistests könnten jedoch Hersteller und Patienten gleichermaßen profitieren. Neben technischen Aspekten ließe sich klären, ob Arzneimittel oder Vorerkrankungen entsprechende Daten negativ beeinflussen und wie lange ein System unter realen Bedingungen funktioniert.