Beim Stichwort Radiologie denken immer noch viele Menschen an Krebs im Erwachsenenalter und wenden sich ab. Tatsächlich ist der moderne Kinderradiologe kein Röntgen-Freak, sondern ein ausgewiesener Experte für strahlungsfreie Bildgebung.
Bildgebende Verfahren sind aus der modernen Medizin nicht wegzudenken. Sie beschleunigen die Diagnose, ermöglichen Verlaufsbeobachtungen, sind Bestandteil therapeutischer Interventionen aller Art und geben Informationen über das Ansprechen auf Therapien. Das alles ist grundsätzlich gut. Die Kehrseite freilich ist, dass die Zahl der bildgebenden Untersuchungen seit den 90er Jahren stark angestiegen ist. Ganz aktuelle Zahlen sind schwer zu bekommen, aber an der Grundtendenz ist nicht zu rütteln. Die wesentlich durch die Medizin verursachte zivilisatorische Strahlenbelastung ist nach Daten des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2010 mit 1,8 mSv pro Jahr mittlerweile im Mittel annähernd so hoch wie die natürliche Strahlenexposition, für die 2,1 mSv angegeben werden.
Vor allem die CT treibt die Strahlenbelastung in die Höhe
Das ist klar mehr als in den 90er Jahren, und international liegt Deutschland dabei durchaus im vorderen Bereich. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) spricht für den Zeitraum von 1996 bis 2005 von einem nahezu kontinuierlichen Anstieg der zivilisatorischen Strahlenbelastung, der im Wesentlichen durch die Zunahme der CT-Diagnostik bedingt sei. Seither scheint allerdings ein gewisses Plateau erreicht zu sein, wie der aktuelle BfS-Bericht, Stand 2010, erneut zeigt.
Nun lässt sich mit solchen Zahlen gut Politik machen. Die entscheidende Frage ist, was sie für den Einzelnen bedeuten. Wenn das Gros der CT-Diagnostik in den letzten Lebensjahren stattfindet, ist die Situation natürlich anders zu beurteilen als bei intensiver Strahlenexposition früh im Leben. Zur Verteilung der medizinischen Strahlenbelastung über die Lebensjahrzehnte gibt es aber leider nur wenige Daten. Tatsache ist, dass zumindest die Kinderradiologen extrem darauf achten, mit wenig oder ganz ohne ionisierende Strahlung auszukommen. Das zeigte sich unter anderem bei der 49. Jahrestagung der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie e.V. in Düsseldorf, bei der der Ultraschall eines der Topthemen war.
Osteoporose bei Kindern: DXA ist out, Schallkopf ist in
So stellten dort Kinderradiologen um Professor Dr. Hans-Joachim Mentzel vom Universitätsklinikum Jena eine Studie vor, bei der sie den Einfluss einer Krebserkrankung und Krebstherapie im Kindesalter auf die Knochenentwicklung nicht mit der bei Erwachsenen üblichen DXA-Messung, sondern mittels Ultraschall evaluiert haben. Der Schallkopf wird dabei an der Ferse der Kinder aufgesetzt. "Dort messen wir die Geschwindigkeit, mit der die Ultraschallwellen durch den Knochen dringen", so Mentzel. Wird der Schall stark abgeschwächt, spricht das für einen dichten, gesunden Knochen. Fehlt diese Abschwächung, liegt eine Osteoporose vor.
In ihrer Studie konnten die Jenaer Kinderradiologen zeigen, dass eine krebsbedingte Knochenmarktransplantation und der damit einher gehende Bewegungsmangel tatsächlich einen erheblichen negativen Einfluss auf die Knochendichte haben. 13,5 Prozent der Kinder haben nach dem Eingriff und der Immobilisierungsperiode Hinweise auf eine Osteoporose, doppelt so viele wie vorher. Im Verlauf eines Jahres holen die Kinder das teilweise wieder auf, aber nicht vollständig. So deutlich hatte das bis dahin noch keiner gezeigt. Mit der Ultraschallmessung an der Ferse kann die Knochenentwicklung jetzt bei Kindern nach Krebstherapie beobachtet werden, ohne die ohnehin durch Zweittumore im Erwachsenenalter gefährdeten Kinder zusätzlicher Strahlung auszusetzen.
Moderner Ultraschall misst selbst zarteste Gefäßwände
Wie sich der Ultraschall bei Kindern zur strahlungsfreien Abschätzung des kardiovaskulären Risikos einsetzen lässt, zeigt eine ebenfalls in Düsseldorf vorgestellte Studienserie unter der Leitung von Professor Dr. Rainer Wunsch von der Vestischen Kinder-Jugendklinik in Datteln. Ziel dieser Studienserie war es, mit einem einfachen, strahlungsfreien Verfahren nachzuweisen, ob die metabolischen Veränderungen bei stark übergewichtigen Kindern schon im Kindesalter zu nachweisbaren Veränderungen an den Blutgefäßen führen. Gemessen haben die Kinderradiologen dabei die Intima-Media-Dicke, die bei Erwachsenen bekanntermaßen mit dem Herzinfarktrisiko korreliert. Bei Kindern dagegen war das bisher nicht so eindeutig. "Das Problem bei Kindern sind die insgesamt relativ dünnen Gefäßwände. Wir reden hier teilweise von 0,3 Millimetern. Oft wurden für diese Messungen Ultraschalltechniken eingesetzt, mit denen solche dünnen Strukturen gar nicht exakt messbar sind", so Wunsch.
Die Experten haben deswegen das für die Intima-Media-Messung bei Erwachsenen üblicherweise eingesetzte Harmonic Imaging links liegen gelassen und einen neuen Standard etabliert, das Speckle Reduction Imaging (SRI). Dabei handelt es sich um eine hoch auflösende Ultraschallmethode, die zumindest moderne Geräte in der Regel beherrschen, wenn ein entsprechender Schallkopf zur Verfügung steht. Mit dieser Methode konnten die Kinderradiologen aus Datteln klar zeigen, dass es auch bei Kindern einen Zusammenhang zwischen einer größeren Intima-Media-Dicke und dem Auftreten von Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Störungen des Zuckerstoffwechsels und erhöhten Entzündungsmarkern im Blut gibt. "Mit unserem nicht-invasiven Ultraschallverfahren können wir diese frühe Atherosklerose bereits im Kindesalter elegant sichtbar machen", so Wunsch.
Erfolgskontrolle an der Halsschlagader
Auch bei diesem Verfahren liegt der Charme darin, dass es auf radiologische Großtechnologie, mit der sich die entsprechenden Veränderungen natürlich prinzipiell auch nachweisen ließen, explizit verzichtet. Und nur durch diesen Verzicht öffnet sich ein Fenster für einen Einsatz im klinischen Alltag. Die Kinderradiologen konnten in einer Folgestudie zeigen, dass sich eine erfolgreich absolvierte Adipositasintervention nicht nur im Gewicht, sondern auch an den Gefäßwänden zeigt: "Bei den 24 Kindern, die es geschafft haben, ihr Gewicht deutlich zu senken, verbesserten sich nicht nur Blutdruck und Fettstoffwechsel. Auch die Dicke der Gefäßwand nahm signifikant ab", betont Wunsch. Hier lässt sich den Kindern also mit einem medizinisch relevanten Parameter unmittelbar der Erfolg einer Adipositasintervention demonstrieren. Überzeugender als die Badezimmerwaage ist das allemal.