Viele Studenten in der Vorklinik träumen davon, im Ausland Erfahrungen zu sammeln und ihren Horizont zu erweitern. Das macht sich gut im Lebenslauf und gibt einem die Chance, sich besser kennenzulernen. Schnallt Euch an! Unser Flug Richtung Traumziel startet in 3, 2, 1.
Unser erstes Flugziel lautet: Chile. Dort hat Helen Marber, mittlerweile Medizinstudentin im siebten Semester aus Freiburg, die drei Monate ihres Krankenpflegepraktikums absolviert. Nach dem Abitur machte sie ein freiwilliges soziales Jahr in dem südamerikanischen Staat und integrierte hierbei gleich das Pflichtpraktikum. Auf die Frage, warum sie sich für einen Auslandsaufenthalt zu diesem frühen Zeitpunkt entschieden hat, erwidert sie: "Ich habe mal einen guten Spruch gehört: Ein Auslandsjahr ist der Augenblick, in dem man seine Flügel spannt und anfängt zu fliegen. Aber gleichzeitig auch der Moment, die Wurzeln elastisch genug werden zu lassen. Nach 13 Jahren Schule wollte ich einfach mal raus aus meinem gewohnten alltäglichen Leben und die Welt sehen. Für meine Eltern war das zwar nicht ganz einfach, aber für mich war es ein entscheidender Schritt dahin, ein selbstständiges, unabhängiges Leben führen zu können."
Dennoch waren die ersten Wochen im unbekannten Land nicht einfach: "Ich hatte Spanisch bereits in der Schule gelernt, aber trotzdem hat es einige Zeit gedauert, bis ich die Leute einigermaßen verstanden habe. Das nächste Problem war dann, dass es so etwas wie ein Krankenpflegepraktikum in Chile normalerweise nicht gibt. Als ich am ersten Tag den Schwestern und Pflegern erklärte, was ich auf der Station zu tun gedachte, wurde ich erst einmal ordentlich ausgelacht. Dort konnte man sich die ganze Sache nicht so recht vorstellen. Im Endeffekt habe ich mich dann einer Schwester angeschlossen und mit dieser zusammen ihre täglichen Aufgaben erledigt."
Ein Krankenpflegepraktikum gehört zu jedem Medizinstudium und muss in der Regel bis zum Physikum nachgewiesen werden. Die Landesprüfungsämter und Hochschulen stellen jeweils unterschiedliche Anforderungen an das Krankenpflegepraktikum, die eingehalten werden müssen. Erfüllt man diese, ist auch jederzeit ein Krankenpflegepraktikum im Ausland möglich. Beispiele für solche Mindestanforderungen an das Praktikum sind:
Spaß und Wertschätzung
Trotz einiger Hürden war das Auslandspraktikum eine unbeschreibliche Erfahrung für Helen: "Die völlig unterschiedliche Kultur der Menschen dort kennenzulernen, war ein aufregendes Erlebnis für mich. Ich lernte nicht nur, wie der klinische Alltag der Ärzte und Krankenschwestern gestaltet ist, sondern konnte sie darüber hinaus ganz persönlich kennenlernen. Ein Arzt veranstaltete beispielsweise eine große Familienfeier bei sich zuhause und lud die gesamte Station dazu ein. So viel Herzlichkeit haben meine Kommilitonen in Deutschland sicherlich nicht erlebt. Dann macht es gleich dreimal so viel Spaß, das von vielen als unnötige Last empfundene Pflegepraktikum zu absolvieren. Und im Gegensatz zu deutschen Pflegepraktika gab es sogar eine geringe Vergütung für die Arbeit, was mir zeigte, dass die Ärzte und Schwestern meine Mitarbeit wertschätzten."
Helen war so begeistert von ihrem Auslandsaufenthalt, dass sie schon plant, ihre anstehenden Famulaturen wieder in exotischen Ländern zu absolvieren. "Ich kann das wirklich nur jedem empfehlen." Das lustigste Ereignis Ihres Krankenpflegepraktikums wird sie wohl so schnell nicht vergessen: "Da ich an meinem vorletzten Tag meine Pflegekleidung zur Reinigung abgeben musste, bekam ich einen weißen Kittel. Ein Patient hielt mich deshalb für die Stationsärztin, dankte mir überschwänglich für die Behandlung und schenkte mir einen Korb voller Papayas. Natürlich reichte ich das Geschenk an die betreffenden Ärzte weiter, die es mir aber freundlicherweise als Abschiedspräsent überließen."
Von Sprach- und Kulturbarrieren
Und wir heben wieder ab. Nach fast einem Tag im Flieger, erreichen wir unser nächstes Flugziel. Kaum steigen wir aus, empfängt uns eine feuchtwarme Hitze mit Temperaturen über 35°C und die Wüste. Wir sind in Bahrain gelandet. Nach einer Fahrt im - glücklicherweise klimatisierten - Taxi geht's los zum King Hamad University Hospital, einem der größten Krankenhäuser Bahrains. Dort absolvierte Severin Rodler, der im dritten Semester in München studiert, einen Monat seines Pflegepraktikums.
Severin wollte Arbeitserfahrung im Ausland sammeln und herausfinden, wie die medizinischen Arbeitsabläufe und die Organisation des Gesundheitssystems in einem anderen Land funktionieren. Wie viele Pflegepraktikanten, die ins Ausland gehen, hatte auch Severin anfangs mit Sprachbarrieren zu kämpfen: "Obwohl die offizielle Sprache Englisch ist, musste ich mich erst an den starken indischen Akzent des medizinischen Personals gewöhnen. Für die arabischen Patienten mussten sogar angestellte Dolmetscher übersetzen."
Noch stärker überwiegen aber die kulturellen Unterschiede. "Es gibt häufig religiöse Verständigungsprobleme. Für einen im Ramadan befindlichen Muslim ist die Frage nach der obligatorischen Nüchternzeit von 24 Stunden vor Operationen gleichbedeutend mit dem Einhalten des dort geltenden Fastengebotes. Nach diesem darf aber bis Tagesanbruch gegessen werden und folglich konnte die ein oder andere Gastroskopie nicht durchgeführt werden." Zudem war für Severin auch das arabische Frauenbild ungewohnt: "Die Ablehnung von weiblichen Pflegekräften und Ärztinnen - insbesondere bei männlichen Patienten - empfand ich als sehr sehr seltsam. In Deutschland ist eine solche Diskrimierung zum Glück nicht erlaubt."
Das liebe Geld
Ein großes Problem ist allerdings für viele Studenten die Finanzierung des Auslandsaufenthaltes. Vor Absolvierung eines Auslandssemesters kann man im Internet viele Organisationen finden, die ihre Hilfe anbieten. Bleibt man hingegen nur maximal drei Monate in einem fremden Land, wird die Suche nach finanzieller Unterstützung schwieriger. Dennoch ist das kein Grund zum Verzweifeln. Ihr solltet rechtzeitig damit beginnen, Geld anzusparen. Sucht Euch weiterhin einen Nebenjob, der einerseits finanziell lohnenswert und andererseits zeitlich nicht zu aufwändig ist. Und diejenigen, die mit einfachem Sparen nicht wirklich weiterkommen und bei denen ein Nebenjob an den zeitlichen Kapazitäten oder sonstigen Hürden scheitert, gibt es noch weitere Alternativen der Finanzierung von vier bis zwölfwöchigen Praktika in einem anderen Land.
Der DAAD hat mit www.auslandsstipendien.de eine Stipendiendatenbank erstellt, die über alle möglichen Förderorgane wie Stiftungen, Vereine und Institute informiert, die Kurzstipendien für Praktika im Ausland anbieten. Als Student sollte man sich bei Fragen zudem immer auch an das International Office seiner Hochschule wenden. Und: Stipendien gibt es nicht nur für Überflieger. Ein Blick in die Datenbank lohnt sich für jeden. Auch das bekannte ERASMUS-Programm fördert Auslandspraktika, allerdings erst ab einer Dauer von drei Monaten und nur im europäischen Ausland. Weitere Informationen dazu, findet Ihr hier. Für Studenten, die Anspruch auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) haben, wird grundsätzlich auch ein mindestens zwölfwöchiger Auslandsaufenthalt finanziell gefördert.
Letzte Ausfahrt: Kredit
Und sollte es auch mit diesen Organisationen nicht klappen, kann man sich als letzte Möglichkeit überlegen, einen zinsgünstigen Kredit aufzunehmen. Das Bundesverwaltungsamt vergibt solche Kredite an Studenten. Für die Teilnahme an einem Auslandspraktikum können Studierende einen zeitlich befristeten Bildungskredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beantragen. Dieser reicht von 1.000 € bis 7.200 € und ist mit 2,15 % zu verzinsen. Der Bildungskredit wird unabhängig vom Einkommen ausbezahlt und muss vier Jahre nach Auszahlung in monatlichen Raten von 120 € zurückgezahlt werden.
Folgende Seiten könnten Euch bei Wahl des idealen Ortes behilflich sein:
Und folgende bei der Erstellung Eurer Bewerbungsunterlagen:
Was ist beim Auslandspraktikum zu beachten? Perfekt bewerben Bewerbungs-Tipps
Folgende Daten sollte Eure Bewerbung um ein Pflegepraktikum jedoch in jedem Fall enthalten:
Blick über den Tellerrand
Severin hat in jedem Fall viel Gutes über sein Praktikum zu berichten: "Überrascht war ich von der ausgesprochenen Freundlichkeit und lockeren Art der Menschen. Im Krankenhaus wurde mir alles gezeigt und ich durfte alles einmal ausprobieren - bis zum hin zum Assisitieren im OP. Das war wirklich ein unglaubliches Erlebnis, das ich so schnell nicht vergessen werde. Die Ärzte zeigten viel Verständnis und hatten großes Vertrauen in mich. Das wäre bei meinen Pflegepraktika in Deutschland niemals möglich gewesen, da war ich schon froh, wenn ich nach langem Betteln überhaupt ein einziges Mal bei einer OP zuschauen durfte." Auf die Frage, was denn das prägendste Erlebnis gewesen sei, antwortet Severin: "Eine Eidfeier des Krankenhauses, anlässlich des Endes des Ramadan. Hier lernte ich die Menschen, mit denen ich die ganze Zeit zusammengearbeitet hatte, noch einmal von einer ganz privaten Seite kennen. Ich erfuhr beispielsweise alles von teuren, aufwendigen Hochzeiten in Indien und auf den Philippinen, was die Leute von der Finanzkrise in Irland hielten und bekam einige lustige Geschichten über den Fahrunterricht in Bahrain zu hören, die den dortigen Verkehr in einem völlig neuen Blickwinkel erscheinen ließen."
Es hat eine Menge Vorteile, einmal einen Blick über den Tellerrand zu werfen und auf große Fahrt zu gehen. Und wenn man seinen Auslandsaufenthalt dann auch noch mit einem studiumsbezogenen Praktikum kombinieren kann, lohnt es sich gleich doppelt, in fremde Länder einzutauchen. Severin empfiehlt dieses Erlebnis jedem reisewilligen Medizinstudenten: "Es ist für jeden die einmalige Chance, nicht nur viele nette und interessante Menschen kennenzulernen, sondern auch die Mentalität und Kultur eines anderen Landes unmittelbar zu erleben und so über sich selbst hinauszuwachsen. Wer das nicht erlebt, ist selbst schuld."
Checkliste für das Auslands-Krankenpflegepraktikum
Die Bescheinigung für das Krankenpflegepraktikum ist das Wichtigste, woran es zu denken gilt. Ihr müsst im Voraus mit dem Prüfungsamt Eurer Universität klären, in welchem Land und unter welchen Bedingungen Ihr das Pflegepraktikum absolvieren dürft, damit dieses anerkannt werden kann. Meist gibt es dafür spezielle zweisprachige Formulare, die ihr Euch vorab besorgen müsst. Zudem ist es an manchen Unis, einen genauen Tätigkeitsbericht beizulegen, der amtlich beglaubigt von einem Dolmetscher übersetzt werden muss.
Wichtig ist es zudem, dass ihr die zeitlichen Angaben einhaltet. Allgemein gilt, dass das Praktikum insgesamt 90 Tage umfasst, die unterschiedlich aufgeteilt werden können (z. B. in dreimal 30 Tage oder in einmal 30 und einmal 60 Tage). Gezählt wird dabei vom ersten Tag des Praktikums bis einschließlich des letzten Tages, wobei Wochenenden und gesetzliche Feiertage voll mitzählen. Das Pflegepraktikum kann man erst nach Erhalt der Hochschulreife absolvieren, sonst wird es nicht angerechnet. Solltest du es nicht vor Studienbeginn schaffen, dass Praktikum vollständig durchzuführen, so kannst du es auch noch während des Studiums ableisten, allerdings dann nur in der offiziell vorlesungsfreien Zeit.
Wie in Deutschland, müsst Ihr auch im Ausland darauf achten, dass Ihr Euer Praktikum in einer Klinik mit Bettenstation ableistet. Ihr sollt die Grundpflege der Patienten betreiben, deswegen dürft Ihr nicht in der Notaufnahme, der Anästhesie, im Operationssaal, in einer Ambulanz, einer Dialysestation, in Einrichtungen, bei denen kosmetische Behandlungen im Vordergrund stehen, in Rehabilitationseinrichtungen, Altenpflegeheimen, Behindertenheimen, mobilen sozialen Hilfsdiensten oder in Arzt- oder Gemeinschaftspraxen arbeiten.
In Deutschland wird das Krankenpflegepraktikum in der Regel nicht bezahlt. Ihr habt auch keinen Anspruch darauf, denn das Pflegepraktikum ist als ein "unentgeltlich durchzuführendes Praktikum" definiert. Trotzdem haben viele im Ausland das Glück, einen geringen Lohn und somit eine kleine finanzielle Wertschätzung für ihre Arbeit zu erhalten. Auch deshalb ist es sehr beliebt, das Praktikum in einem anderen Land zu absolvieren.
Besondere Beachtung verdienen auch die Impfbestimmungen in den anderen Ländern. Gerade in Ländern mit niedrigen hygienischen Standards sollte man an den Selbstschutz denken und sich gegen die wichtigsten Krankheiten impfen lassen. Für Medizinstudenten ist beispielsweise die Hepatitis B-Impfung kostenlos, eine Kombiimpfung gegen Hepatitis A und B ist entweder ebenfalls kostenlos erhältlich oder für Studenten der Medizin meist vergünstigt (oft für lediglich 30,- Euro).
Wenn man sich für ein Krankenpflegepraktikum im Ausland entscheidet, sollte also einer der ersten Gänge direkt zum Hausarzt oder - besser noch - in eine tropenmedizinische Sprechstunde führen. Neben Hepatitis gibt es nämlich in vielen Ländern noch weitere Risiken, gegen die man sich absichern sollte.