Bessere Honorare, mehr Basisdemokratie: Kollegen zeigten sich zuletzt selbstbewusst. DocCheck sprach dazu mit Gabriela Aures, Inhaberin der Rathaus-Apotheke im bayerischen Gaimersheim. Sie wurde durch deutliche Worte beim Apothekertag und durch nackte Proteste bekannt.
Gabriela Aures weiß sich zu wehren: Nur mit einem Apotheken-A „bekleidet“, ließ sie sich Mitte August fotografieren. Ihr Motto: „Herr Rösler, in welche Tasche wolle Sie uns noch greifen?“ Damit erregte sie bundesweit Aufmerksamkeit, auch über die Grenzen des Berufsstands hinweg. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) antwortete ihr – und bewertete 1,75 Euro als „faire Ausgangsbasis für die folgenden Verhandlungen zwischen Kassen und Apothekern“. Den GKV-Spitzenverband tangieren solche Äußerungen wenig. Das Resümee: Zwei Gesprächsrunden zum Kassenabschlag scheiterten. Monopol hinsichtlich Macht und Meinung „Die Kassen haben eine Vormachtstellung, die sie brutal und rücksichtslos ausnutzen“, sagt Gabriela Aures. „Ich habe oft das Gefühl, wenn die Kassen der Politik etwas einflüstern, dann wird das so gemacht.“ Sie kritisiert „eine gewisse Monopolstellung, was Macht und Meinung angeht“, hat aber eigene Wege des Widerstands gefunden. Kunden, die Rabattverträge ausbaden, bekommen einen Vordruck für Ihre Versicherung mit, und Aures dokumentiert diverse Probleme. Zusammen mit Belegen können Kunden die Protestnote bei ihrer Versicherung abgeben und Gelder einfordern, nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“. Auf Bundesebene hat der Konflikt zwischen Kassen und Apothekern längst eine andere Tragweite erreicht. Auf ganzer Linie gescheitert Während DAV-Funktionäre beim Abschlag aus ökonomischer Argumentation mit 1,75 Euro rechnen, würde der GKV-Spitzenverband nur allzu gerne den aktuellen Obolus von 2,05 Euro zementieren. Laut DAV sei es jedoch an der Zeit, geänderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Neben schlechteren Einkaufskonditionen stöhnen Apotheken auch unter der allgemeinen Teuerung. Der Kassenabschlag müsste GKV-spezifische Aufwendungen der Apotheker komplett abbilden, fordern Kollegen. Angesichts tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten scheiterten Gespräche am 17. Oktober und am 14. November. Dazu DAV-Chef Fritz Becker: „Falls der GKV-Spitzenverband den Ausgangswert für die Verhandlungen anders sehen sollte, wird der Deutsche Apothekerverband sehr schnell die Schiedsstelle anrufen.“ Über deren Besetzung scheiden sich indes die Geister: Dr. Rainer Daubenbüchel, ehemaliger Präsident des Bundesversicherungsamts, steht jedenfalls nicht mehr zur Verfügung. Ein neuer Unparteiischer jedenfalls ist momentan außer Sichtweite. Neben der Abgabe selbst entzweien auch technische Fragen die Kontrahenten. Daten erraten Im V. Sozialgesetzbuch heißt es lapidar, Abschläge seien so anzupassen, dass „die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel leistungsgerecht ist unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung.“ Große Worte – um desaströse Rahmenbedingungen schwarz auf weiß zu belegen, kamen Daten der Treuhand und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Einsatz. Zufrieden war der GKV-Spitzenverband damit nicht, über die Medien forderte ein Sprecher unabhängige Gutachten, im Idealfall von Prognos. Der Vorschlag ist nicht ohne Beigeschmack – im Honorarstreit zwischen GKV-Spitzenverband und Ärzteschaft hatte eben dieses Beratungsunternehmen Zahlen abgeliefert. Medizinern kritisierten das Machwerk als stark einseitig. Abschlag ade? Gabriela Aures fragt sich indes, ob der Kassenrabatt überhaupt noch zeitgemäß sei oder besser abgeschafft werden sollte. Das wäre mit erheblichem Aufwand verbunden: "Bei der Forderung, die während des DAT aufkam, geht es um eine Gesetzesänderung." Dennoch sollten auch negative Konsequenzen beleuchtet werden. Beispielsweise könnten Kassen Zahlungen zurückhalten und Gelder lieber gewinnbringend auf dem Kapitalmarkt anlegen, ein Patentrezept dagegen gibt es nicht. Doch momentan geht es um das Jahr 2013, und die ABDA gibt sich selbstbewusst – mit 500.000 Euro in der prall gefüllten Kampfkasse. Davon soll nach etwaigem Scheitern der zweiten Verhandlungsrunde eine bundesweite Informationskampagne gestartet werden. Aures: "Hoffen wir mal, dass es nicht wieder auf Plakate hinausläuft." Ansonsten sind Apotheker bereit für neue Streiks, das hat eine Umfrage des Kölner Instituts für Handelsforschung ergeben. Neun von zehn befragten Inhabern beziehungsweise Filialleitern befürworteten entsprechende Maßnahmen. Auch würden 86 Prozent ihre Angestellten auffordern, sich an Aktionen zu beteiligen. Dazu gehören Warnstreiks (52 Prozent Zustimmung) und Informationsmaterialien (61 Prozent). Auf Unterschriftenaktionen (zehn Prozent) oder Demonstrationen (neun Prozent) würden Kollegen lieber verzichten. Immerhin stimmten 75 Prozent der Aussage zu, Bürger seien für Belange der Apothekerschaft sensibilisiert worden. Dass entsprechende Botschaften auch bei Politikern angekommen sind, sahen 50 Prozent als bestätigt an. "Weniger als in Mindestlohnlisten" Der Zwangsabschlag wird noch einige Zeit als große Unbekannte im Raum stehen. Viel konkreter sind schon Versprechen, Notdienstpauschalen von 200 Euro einzuführen. Nur 200 Euro? "Vor ziemlich genau einem Jahr waren die Forderung höher", kritisiert Aures. Ein Blick in die Archive fördert interessante Fakten zu Tage: Im Oktober 2011 verlangte die ABDA, dass Apotheken an Werktagen 249 Euro und an Sonn- und Feiertagen 293 Euro als Dienstpauschale erhalten sollten. "Bei einem 24-Stunden-Sonntagsdienst ist eine Pauschale von 200 Euro ein Stundenlohn von 8,33 Euro, also weniger, als in den Mindestlohnlisten angegeben ist." Ungelernte Maler oder Lackierer können aktuell mit 9,75 pro Stunde rechnen. Ob Kassen bei angekreuztem „noctu“ zusätzlich 2,50 Euro übernehmen, ist ebenfalls unklar. "Fällt das weg oder bleibt das?", fragt sich Aures. "Sonst wird das für umsatzstarke Apotheken ein Minusgeschäft." Die Protestapothekerin bezweifelt ohnehin, dass Kollegen plötzlich zusätzliche Dienste übernehmen. "Schwierigkeiten, wie die Politik sie heraufbeschwört, sehe ich nicht." Transparenz umsetzen Doch was werden die nächsten Monate außer Honorarfragen noch bringen? "Momentan gibt es viele Baustellen, auf denen gearbeitet wird", sagt Gabriela Aures. Für eine Bilanz sei es noch zu früh. Ihr Resümee: "Wir wurden gehört, und die Basis wurde auch ein bisschen politisiert." Jetzt geht es weiter mit vereinten Kräften: "Wir müssen von unten etwas machen, damit sich oben etwas dreht." ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz hatte Apotheker ermuntert, sich in ihrer Berufsvertretung zu engagieren. Gabriela Aures hofft, dass "dieses Engagement auch an entsprechenden Stellen positiv aufgenommen wird und nicht eine rein rhetorische Einladung ist." Bald wissen wir mehr: In den nächsten Wochen stehen Wahlen bei den Spitzenverbänden der Apothekerschaft an. "Es wird interessant, wie die ABDA, die Kammern und die Verbände mehr Transparenz, wie sie versprochen haben, umsetzen. Und das wird von der Basis natürlich interessiert begleitet", stellt die Protestapothekerin klar.