Seit gut einem halben Jahr gilt die Novelle zur Apothekenbetriebsordnung. Viele Passagen des Machwerks sind mehr als schwammig formuliert und bieten Spielraum für Interpretationen. Jetzt machen Pharmazieräte Nägel mit Köpfen, um verschiedene Auslegungen des Gesetzeswerks zu verhindern.
Amtsapotheker und ehrenamtliche Pharmazieräte haben sich in der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) zusammengeschlossen. Ihr aktuelles Ziel: bundesweit einheitliche Regelungen zur Umsetzung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Das Thema stand während eines Arbeitstreffens Mitte Oktober auf ihrer Agenda. Jetzt weist eine Resolution Inhaber auf mögliche Fallstricke hin. So manche Forderung ist mit hohen Investitionen verbunden, etwa durch Umbauten in Labor, Offizin und im Außenbereich. Vollwertige Apotheken im Verbund Bereits mit Inkrafttreten der Novelle wurde Kollegen klar, dass der Gesetzgeber von ursprünglich geplanten "Light-Apotheken" Abstand genommen hat, nicht durch den Druck von Kollegen. Jede Apotheke eines Filialverbands muss alle typischen Dienstleistungen erbringen, sprich Plausibilitätsprüfungen durchführen, Rezepturen herstellen oder Ausgangsstoffe prüfen – entsprechende Arbeitsschritte lassen sich nicht zentralisieren. Benötigen Kunden individuell angefertigte Pharmaka häufiger, reicht ein Verweis auf bereits ausgeführte Plausibilitätsprüfungen und Herstellungsvorschriften. Dennoch ist jede Rezeptur zu protokollieren und wenigstens organoleptisch zu beurteilen. Bei Defekturarzneimitteln bereiten Pharmazieräte gerade ein sogenanntes risikobasiertes Stufenmodell vor. Gefahrenquelle Labor Auch das Labor selbst haben APV-Vertreter unter die Lupe genommen. Innerhalb dieses Bereichs dürfen sich Rezepturarbeitsplätze befinden, durch raumhohe Wände bis zur Decke abgetrennt. Arbeitsplätze zum Mischen beziehungsweise Abfüllen von Teedrogen sind jedoch außerhalb zu konzipieren. Wer pharmazeutische Tätigkeiten in externen Räumen ausübt, muss eine Überwachung durch Apotheker gewährleisten. Im Labor beziehungsweise in der Rezeptur gelten neue Regeln zur sachgerechten Beschriftung: Der Gesetzgeber verlangt, Reagenzien sowie Standgefäße ab sofort entsprechend der CLP-Verordnung (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures) zu kennzeichnen. Entsprechende Übergangsfristen endeten bereits am 1. Dezember. Für Mischungen bleibt noch bis Juni 2015 Zeit, Gebinde entsprechend der Richtlinie zu beschriften. Auf Anregung der Pharmazieräte haben Apotheker über den Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) jetzt Zugriff auf aktuelle Sicherheitsdatenblätter. Der Phagro selbst stellt entsprechende Informationen online bereit – für die Aktualität sind nach wie vor Hersteller verantwortlich. Vertretungsbefugnis ade? Beinahe hätten Rezepturen eine noch größere Tragweite bekommen. In der ApBetrO heißt es, Anforderungen zur Herstellung eines Rezepturarzneimittels seien "von einem Apotheker nach pharmazeutischen Gesichtspunkten zu beurteilen". Verlieren Pharmazieingenieure und Apothekerassistenten ihre zeitlich befristete Vertretungsbefugnis? Dr. Dagmar Krüger, Ministerialrätin im Bundesministerium für Gesundheit, beruhigte, dass vom Gesetzgeber keine Änderungen geplant wären. Einzige Ausnahmen seien nach wie vor Hauptapotheken im Filialverbund, krankenhausversorgende Apotheken sowie Apotheken mit speziellen Dienstleistungen. Dazu gehören die Herstellung von Parenteralia, das Verblistern sowie das Stellen von Arzneimitteln. In diesen Fällen bleibt jede Vertretung Approbierten vorbehalten. Qualität hat ihren Preis Die nächste Baustelle: Viele Inhaber bereiten momentan ihr eigenes Qualitätsmanagement vor. Etwas Zeit bleibt noch – immerhin gelten Übergangsfristen von 24 Monaten. Wer jedoch eine neue Apotheke eröffnet, muss bereits mit einem QMS an den Start gehen. Selbstinspektionen einmal im Jahr durch pharmazeutisches Personal werden ebenfalls Pflicht, Optimierungen inklusive. Als externe Überprüfungen kommen neben Audits Pseudocustomer, ZL-Ringversuche oder Besuche des Pharmazierats infrage. Stichwort Qualität: APD-Mitglieder haben sich auch Gedanken zur Aufbewahrung von Medikamenten gemacht. "Es muss eine Lagerhaltung unterhalb einer Temperatur von 25 Grad Celsius möglich sein", heißt es in der ApBetrO. Künftig haben Angestellte mehrmals am Tag die Temperatur im Lager und in der Rezeptur zu bestimmen und dokumentieren. Erreicht das Quecksilber kritische Werte, ist es an der Zeit, eine Klimaanlage einzubauen. Explizit weisen Pharmazieräte darauf hin, dass Lieferungen, die außerhalb der Öffnungszeiten eintreffen, ebenfalls mit großer Sorgfalt zu behandeln sind, um Temperaturschäden zu vermeiden. Sparbüchse Offizin Neben Labor und Qualitätsmanagement haben sich Pharmazieräte auch die Offizin vorgeknüpft. Künftig müssen Apotheken einen barrierefreien Zugang haben. In der Praxis bedeutet das viel Ärger – vor allem bei denkmalgeschützten Häusern. Auf alle Fälle lohnt es sich, bauliche Verbote zu dokumentieren und bei Problemen Aufsichtsbehörden um Rat zu fragen. In der Offizin selbst stehen pharmazeutische Aspekte über Marketingstrategien. Künftig müssen HV-Tische klar erkennbar und vor allem direkt erreichbar sein – ohne Umwege durch diverse Regale beziehungsweise Aufsteller. Pharmazieräte betonen damit einen "Vorrang des Versorgungsauftrags" gegenüber Freiwahlprodukten. Bei der Beratung werden Informationsangebote zur Pflicht, orientiert am Kenntnisstand des Kunden. Inhaber sollten sich generell Gedanken machen, ab welchem Punkt beispielsweise PTA einen approbierten Kollegen zu Rate ziehen müssen. Auch hier wird die Dokumentation entsprechender Befugnisse verpflichtend. Generell sind Beratungsgespräche vertraulich, ab sofort sind zwei Meter Diskretionsabstand von Patient zu Patient im HV das Minimum. Bereits 2007 hatte die APD entsprechende Forderungen aufgestellt, ohne auf große Resonanz zu stoßen. Fand in der Apotheke kein Beratungsgespräch statt, ist das spätestens bei einer Lieferung nachzuholen. Dann müssen sich PTA oder Apotheker selbst auf den Sattel schwingen. Wehret dem Wertverlust Alles in allem sie die neue Apothekenbetriebsordnung durchaus geeignet, "den Heilberuf Apotheker und die pharmazeutische und heilberufliche Ausrichtung der öffentlichen Apotheke zu stärken", heißt es von den Pharmazieräten. Sicher ein Schritt in Richtung Zukunft. Während die APD bei Apotheken mit bestehender Betriebserlaubnis kulant sein will, werden Pharmazieräte diverse Bereiche genau unter die Lupe nehmen, sollte eine neue Zulassung beantragt werden. Auch beim Eigentümerwechsel prüfen sie nach Punkt und Komma. Wer in den nächsten Jahren an einen Verkauf denkt, wird bald tief in die Tasche greifen müssen, um den Wert seines Lebenswerks zu erhalten.