Für den Schnaps nach dem Essen gibt es viele Bezeichnungen: Digestif, Verteiler, Feuerwasser. Gerade in der hochkalorischen Weihnachtszeit mit ihren gustatorischen Herausforderungen ist die Frage spannend, ob ein Hochprozentiger wirklich die Verdauung anregt.
Schnaps bezeichnet alle alkoholischen Getränke, die durch Destillieren aus natürlichen und vergorenen Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen hergestellt werden. Dabei muss der Alkoholgehalt der Brände oder Wässer bei mindestens 15 Prozent liegen. Der Gehalt an Zucker ist teilweise nicht unerheblich. "Laut einer Untersuchung liegt die durchschnittliche Gewichtszunahme in der Weihnachtszeit bei etwa einem halben Kilo. Viele Menschen nehmen aber deutlich mehr zu", so das Ergebnis einer Untersuchung von Prof. Hans Hauner vom Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der TU München. Advent, Advent der Magen brennt Wenn Entenbraten, Knödel, Rotkohl & Co den Magen bis zum Äußersten belasten, dürstet es nicht selten nach einem "Verteiler". Unabhängig vom gustatorischen Genuss bleibt die Frage, was derartige Verdauungshilfen wirklich bringen. Der Internist Professor Manfred Singer aus Mannheim hat in einer Studie untersucht, ob die klassischen Mahlzeitabschlussgetränke wirklich die Verdauung unterstützen. Sein Ergebnis ist ernüchternd: "Weder Fernet-Branca, noch Aquavit, noch Williamsbirne hatten verdauungsfördernde Wirkung“. Leitungswasser ist genauso gut oder wenig wirksam. Bei den Likören ist zudem der Zuckergehalt mit 100 g oder mehr pro Liter Spirituose eine Verdauungsbremse. Atomspaltung nach Käsefondue Ein beliebtes Schweizer Gericht zu Weihnachten oder Silvester ist Käsefondue. Schweizer Wissenschaftler untersuchten, ob Alkohol in Form von hochprozentigem Schnaps im Magen wieder Klarheit schafft. Die zwanzig Probanden im Alter von 23 bis 58 Jahren aßen Käsefondue. Eine Gruppe erhielt als Getränk zum Essen Wein und im Anschluss einen alkoholischen Digestif ohne Kräuterextrakte. Die zweite Gruppe trank Wasser und Schwarztee. Um den Grad der Verdauung zu analysieren, erhielten alle Probanden mit dem Fondue eine mit Kohlenstoffatomen markierte Fettsäure. Die C13-Atome wurden im Magen während des Verdauungsprozesses freigesetzt, gelangten nach der Resorption ins Blut und die Lunge. Nach dem Essen wurden die Atemluftproben spektrometrisch untersucht. Auch hier eine Enttäuschung in der Schnapsgruppe. Die Anzahl der C13-Atome in der Teetrinkergruppe war größer, sie hatten also besser verdaut. Die Forscher schlussfolgerten, dass Alkohol die Verdauung nicht fördert, sondern sogar hemmt. Anderer Meinung ist Prof. Helmut Karl Seitz der Universität Heidelberg. Er ist überzeugt: Nach fettigem Essen kann ein Schnaps gegen das Völlegefühl helfen. "Kleine Mengen Magenbitter oder Grappa nach dem Essen steigern die Magenbewegung und damit auch die Magenentleerung". Trotz der Ergebnisse werden viele Konsumenten von alkoholischen Digestiven wie dem Korn oder Grappa das Gefühl haben, "es hilft irgendwie". Können so viele Anwender irren? Oder ist der gesundheitliche Aspekt nur ein Alibi zum Genuss harter Spirituosen? Alkohol fördert zwar nicht die Verdauung, entspannt aber die Muskulatur der Magenwand. Die Verdauung verläuft nun zwar langsamer, dennoch entsteht subjektiv das Gefühl eines entspannten Magens. Eine andere Theorie ist, dass hochprozentiger Alkohol einen anaesthetischen Effekt auf die Magenschleimhäute hat. Wenn, dann mit Kräutern Von den klaren Bränden wie Grappa, Korn oder Rum müssen solche Zubereitungen mit Kräuterextrakten anders bewertet werden. Bei alkoholischen Auszügen mit Oregano, Anis, Kümmel oder Bitterstoffen wie Angelikawurzel und Chinarinde agiert Ethanol eher als Trägermedium für Amara oder ätherische Öle. Diese haben in der Tat eine valide Wirkung auf die Magenmotorik. Anders ist dies beispielsweise bei Kümmel als Teezubereitung. Da vermag zwar das warme Wasser den Magen beruhigen, nicht aber das Kümmelöl. Dies verdampft als ätherisches Öl im Wassermazerat und geht nicht in Lösung. Wieder anders beim Pfefferminztee. Auch hier geht das Öl "flöten", aber das Menthol geht in das wässrige Medium über. Es wirkt cholagog und lokalanaesthetisch. In einer von der Pennsylvania State University durchgeführten Studie wurde die Wirkung von Oregano auf die Verdauung und die Flatulenzneigung an Holstein-Kühen untersucht. Das windige Ergebnis überrascht: Der Abgang von Methangas wurde um 40 Prozent reduziert. Voraussetzung ist jedoch, dass das Kraut bereits dem Essen zugesetzt wird und nicht post cenam verabreicht wird. Also am Besten Oregano nach der Zubereitung der Speisen zugeben, damit sich die ätherischen Öle beim Garprozess nicht verflüchtigen. Auch ein Glas Orangensaft kann dem Fett den Kampf ansagen. Orangensaft ist reich an Flavonoiden und Antioxidantien. Laut einer Studie von "The American Journal of Clinical Nutrition" können die sekundären Inhaltstoffe die ungünstigen Effekte eines kalorienreichen Essen ausgleichen. Bereits ein Glas Saft zum Essen getrunken bewirkt eine Minderung der freien Radikale im Essen. In der Limonaden- und der Wassergruppe bewegte sich hier nichts. Koffein lockt keine Säure Auch Kaffee oder Espresso kann die Verdauung anregen. Es ist jedoch nicht die häufig postulierte Anregung der Magensaftproduktion. Nicht das Koffein, sondern bestimmte Kaffeeinhaltstoffe setzen den Muskeltonus herab. Röststoffe und Chlorogensäure reizen den Magen hingegen. Es ist also Unsinn, bei Magenproblemen auf die koffeinfreie Variante zurückzugreifen, besser ist röststoffarm. Eine cholesterinsteigernde Wirkung ist nur bei gekochtem, ungefiltertem Kaffee bzw. bei Espresso nachweisbar. Das Diterpen Cafestrol wird vom Papierfilter zurückgehalten. Bei täglichem Genuss von 5 Tassen ungefilterten Kaffees ist ein Anstieg der Cholesterinwerte um bis zu 5 Prozent feststellbar. Die im Kaffee enthaltenen Polyphenole haben gute und negative Eigenschaften. Sie hemmen die Eisenresorption, wirken andererseits jedoch antioxidativ. Die enthaltenen Diterpene stimulieren außerdem ein wichtiges Entgiftungssystem in der Leber, wodurch die Abwehrfähigkeit des Körpers gegenüber toxischen Substanzen erhöht wird. "Kaffeetrinken regt nach einer Dickdarmentfernung die Darmtätigkeit schneller als Wasser an und wird gut vertragen", so das Ergebnis einer Studie der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, publiziert im "British Journal of Surgery". PD Dr. Sacha Müller et al. teilten die Patienten in zwei Gruppen. Eine Gruppe trank nach der Operation dreimal täglich je 100 ml Wasser, der anderen Gruppe wurde dreimal täglich je 100 ml Espresso (100 Prozent Arabica) serviert. In der Wassergruppe vergingen durchschnittlich 74 Stunden bis zur ersten Darmentleerung. In der Espressogruppe verkürzte sich diese Zeitspanne signifikant auf 60 Stunden. Die Espressotrinker waren bereits nach durchschnittlich 49 Stunden statt 56 Stunden in der Lage, feste Nahrung zu sich nehmen. Koffein ist für die Wirkung nicht verantwortlich, da auch entkoffeinierter Kaffee darmanregende Effekte zeigt. Wer kennt den werbelyrischen Spruch nicht aus der Werbung, bei dem postuliert wird, dass ein bekanntes Antacidum "den Magen aufräumt". Wie stellt sich der medizinische Laie wohl Aufräumen vor: Die Knödel werden atomisiert, die Entenkeule zerkleinert, das Mousse emulgiert. Antacida können jedoch eher verdauungshemmend wirken. Besonders Schichtgitterantazida mit salz- und gallesäurebindenden Eigenschaften schränken den Magen in seiner Verdauungsarbeit ein. Säure gegen Fett Bei einer Studie verfütterten Kondo et al. fettes Futter an Labormäuse. Das Futter der ersten Gruppe wurde mit 1,5 % Essig, das der zweiten mit 0,3 % Essig und das der dritten Gruppe nur mit Wasser ergänzt. Am Ende der Studie stellten die Forscher fest, dass bei beiden “Essig-Gruppen” eine dosisunabhängige Verminderung der Fettmasse im Vergleich zur Kontrollgruppe um rund zehn Prozent eingetreten war. Vermutlich übt Essig einen Einfluss auf die Fettoxidation, die Thermoregulation der Leber und PPAR-alpha-Rezeptoren aus. Ob dies auf den Menschen und die digestive Wirkung von Aceto balsamico nach dem Essen übertragbar ist, wurde nicht untersucht.