„Für uns ist die Digitalisierung ein Mittel zur Kostenersparnis.“ Maria Michalk ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Mit DocCheck sprach sie in unserer Interviewserie unter anderem über das Thema eCard.
Derzeit wird viel über Sinn und Unsinn der Bürgerversicherung diskutiert. Was ist Ihre Position? Wir halten am dualen Krankenversicherungssystem fest. Der Wettbewerb unter Krankenkassen und Versicherungen ermöglicht Patienten die Auswahl nach Qualität und Wirtschaftlichkeit ihrer Versorgung. Aufgabe der Politik bleibt es, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Eine staatliche Einheitsversicherung für alle lehnen wir ab. Für die wachsende Zahl der Selbständigen mit geringem Einkommen, für die die Monatsbeiträge derzeit eine Überforderung bedeuten, werden wir sachgerechte Beiträge einführen. In der letzten Zeit gab es viel Wirbel um die eCard. So sind sich etwa die Akteure nicht darüber einig, welche Informationen für wie lange wem zugänglich gemacht werden sollen. Wofür werden Sie sich einsetzen? Die höchstpersönlichen Daten der Versicherten müssen geschützt werden. Dafür haben wir uns bereits im E-Health-Gesetz eingesetzt. Die elektronische Gesundheitskarte enthält zugleich die Möglichkeit, dem behandelnden Arzt wesentliche Gesundheitsinformationen zur Verfügung zu stellen. Das spart Behandlungszeit, Kosten und rettet Leben. Aus unserer Sicht sollen neben persönlichen Angaben die Notfalldaten, der Medikationsplan, der Impfstatus und Informationen über die Organspendebereitschaft enthalten sein. Die rasante technische Entwicklung bedingt natürlich auch hier ständige Anpassung. Für bessere Ausbildung für Mediziner und Pflegberufe: die scheidende sorbische Politikerin Maria Michalk aus Bauzen. Was bedeutet das konkret für die Planung und Einführung der eCard? Bereits heute sind Praxen mit Terminals ausgestattet, mit denen die eCard eingelesen werden kann. Zusätzliche sicherheitszertifizierte Komponenten, mit denen Praxen derzeit nach und nach ausgestattet werden, sollen dann die Durchführung des Versichertenstammdatenmanagements als erste Anwendung der Telematikinfrastruktur ermöglichen. Dafür gibt es einen Zeitplan, der unbedingt eingehalten werden muss. Fristverlängerungen verzögern den Prozess. Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview wurde aufgezeichnet, bevor die Frist infrage stand. Mehr dazu lesen Sie hier. Halten Sie die derzeitigen Leistungsobergrenzen und Budgetierungen für Ärzte für angemessen? Wir in der Politik legen keine Leistungsobergrenze oder Budgetierung fest. Es ist Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen, morbiditätsbedingte Gesamtvergütungen zu vereinbaren. Dazu gehört die Festlegung der Behandlungsbedarfe, von den Planungsregionen bis hin zu den finanziellen Verteilungen. Die sogenannten extrabudgetären Leistungen werden zusätzlich vergütet, was inzwischen mehr als ein Drittel der vertragsärztlichen Leistungsanteile ausmacht. Ob die aktuellen Verteilungsansätze zwischen den einzelnen Gruppen der Leistungserbringer ausgewogen sind, bedarf einer ständigen Überprüfung. Wir sehen allerdings den Verzicht auf sämtliche Mengensteuerungsinstrumente derzeit nicht als gangbaren Weg. Die Kosten im Gesundheitssystem steigen von Jahr zu Jahr. Wenn Sie die Wahl gewinnen würden und ganz allein die Mehrheit hätten – wo würden Sie sparen? Ihre Annahme ist eine wunderbare Vorstellung. Bisher ist die Gesundheitspolitik das Ergebnis von politischen Kompromissen. Da wir eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben, waren auch viele daran beteiligt, vernünftige Lösungen zu finden. Jeder Mensch ist direkt von der Gesundheitspolitik betroffen. Es ist notwendig, die Ausgabenentwicklung im Blick zu behalten. Präventive Aktivitäten zum Beispiel schützen vor Erkrankungen, aber wieviel weniger Ausgaben sie tatsächlich bewirken, lässt sich nicht in Euro ausdrücken. Ähnliche Beispiele gibt es viele. Eine aufwändige und kostenintensive Operation durch einen minimal invasiven Eingriff zu ersetzen spart zwar Kosten, berücksichtigt aber keine Folgen für die Zukunft der Lebensdauer. Oder: Neue innovative Arzneimittel sind erst einmal teuer, ersparen aber vielleicht die lebenslange Einnahme eines anderen Medikaments mit Folgewirkungen. Wo konkret würden Sie sparen, wenn Sie es müssten? Für uns ist die Digitalisierung, die zunächst Anschaffungskosten bedeutet, ein Mittel zur Kostenersparnis. So könnten wir Doppeluntersuchungen vermeiden. Online-Sprechstunden bringen für Ärzte und Patienten Zeitersparnis. Zudem sichern telemedizinische Abklärungen die Diagnose und garantieren einen raschen Behandlungserfolg. Wir halten Struktur- und Qualitätsreformen für dringend nötig, vor allem im Krankenhaus. Sie wirken kostendämpfend, ohne die medizinische Versorgung zu beeinträchtigen. Die Qualitätssicherung in der Behandlung ist ein weiterer Ansatz zur Kostenoptimierung. Nicht notwendige Nachoperationen bringen menschliches Leid und verursachen handfeste Kosten im Krankenhaus. Sie sagen, Sie halten Strukturreformen für dringend nötig. Können Sie uns konkret ein Beispiel einer solchen Strukturreform nennen? Die Krankenhausbettenzahl ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Einheitliche Vorgaben sind jedoch wegen unterschiedlicher Bevölkerungsstrukturen bedenklich. Die Auslastung der Betten aber durch unbegründbare Mengenerweiterung zu forcieren, ist nicht hinnehmbar. Die Länder haben die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern. Auch Geburtsstationen gehören dazu, auch wenn die Inanspruchnahme nicht planbar ist. Mehr geriatrische Stationen bei mehr älteren Bürgern brauchen strukturpolitische Antworten. Sie verlassen nach fast zwei Jahrzehnten im Bundestag die politische Bühne, die Sie in der Gesundheitspolitik mit gestaltet haben. Wo besteht aus Ihrer Sicht für die Zukunft der größte Handlungsbedarf? Wir müssen politisch stärker auf die veränderten Bedürfnisse junger Mediziner zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf reagieren und die Niederlassungsmöglichkeiten den Bedarfen anpassen. Die stärkere Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung war das Thema von gestern. Mehr Kooperation ist angesagt. Der Wiederspruch, einerseits den Segen der medizinischen Forschung und der technischen Möglichkeiten für jedermann zu nutzen, andererseits den Datenschutz als unveränderbar zu pflegen, muss aufgelöst werden. Haben Sie persönlich in unserem Gesundheitssystem etwas erlebt, was nicht sein darf? Nicht nur in meiner Berufsausübung, sondern auch aus familiär bedingten Besuchen in ambulanten und stationären medizinischen und pflegerischen Einrichtungen habe ich das große Engagement der Leistungserbringer erlebt. Das Entlassmanagement ist nicht immer überall gut. Das haben wir gesetzlich optimiert. Als Problem für alle sehe ich die Verbreitung von resistenten Keimen. Noch mehr Hygiene und auch Forschung ist hier angesagt. Und Korruption im Gesundheitswesen geht gar nicht.