Bis zu zwei Drittel aller bekannten Krankheitserreger könnten in Zukunft vom Klimawandel profitieren. Auch Ozon und Feinstaub werden immer mehr zum Problem für unsere Gesundheit. Die Prognosen sehen für einige Teile der Weltbevölkerung verheerend aus.
„Obwohl es eine gut etablierte Verbindung zwischen Klimawandel und Infektionskrankheiten gibt, haben wir bisher nicht verstanden, wie groß die Effekte sein werden und welche Krankheiten am stärksten betroffen sind“, sagt K. Marie McIntyre von der University of Liverpool. Sie wollte wissen, wie Pathogene auf höhere Temperaturen reagieren. Ihr Fazit: „Die Auswirkungen des Klimawandels könnten größer sein als bisher angenommen.“
Für ihre Veröffentlichung hat McIntyre Studien über die 100 wichtigsten humanpathogenen und 100 wichtigsten zoopathogenen Erreger gesucht. Basis war die Enhanced Infectious Disease Database (EID2), eine Datenbank mit über 60 Millionen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, weiteren elektronische Quellen und Lehrbüchern. Zwei Drittel aller Pathogene reagierten nachweislich auf Temperaturänderungen. Von diesen standen wiederum zwei Drittel in Zusammenhang mit weiteren klimatischen Faktoren, wie etwa der Luftfeuchte. Als besonders klimasensitiv erwiesen sich Krankheiten, die von Vektoren übertragen werden. Dazu gehören Mücken oder Zecken. McIntyre nennt an zweiter Stelle Erreger, die sich über Wasser, Boden oder Nahrungsmittel verbreiten. Ihrer Literaturrecherche zufolge waren Vibrio cholerae als Erreger der Cholera, der Große Leberegel (Fasciola hepatica) als weltweit vorkommender Parasit, der Milzbrand-Erreger Bacillus anthracis sowie Borrelia burgdorferi als Auslöser der Lyme-Borreliose besonders klimasensibel. Generell seien Zoonosen stärker von Klimafaktoren abhängig als Erreger, die nur Menschen oder bestimmte Tiere befallen, schreibt McIntyre. Da 75 Prozent aller Erreger zoonotischer Natur sind, rechnet die Forscherin demnach mit starken Effekten.
In einer nahezu zeitgleich publizierten Studie ging Raquel A. Silva, Forscherin an der University of North Carolina, der Frage nach, welche Effekte der Klimawandel auf Schadstoffe in unserer Atemluft haben könnte. Sie arbeitete dabei mit dem RCP8.5-Szenario. Dieses geht von einer Erwärmung um 2,0 Grad Celsius bis 2065, beziehungsweise um 3,7 Grad Celsius bis 2100 aus. Steigt die Temperatur an, laufen chemische Reaktionen in der Luft schneller ab. Ozon und Feinstaub entstehen dann in höherer Konzentration. Silva prognostiziert weltweit zusätzliche 60.000 Todesfälle bis 2030. Bis 2100 könnten der Simulation zufolge sogar 260.000 Menschen durch Folgeerscheinungen von Luftverunreinigungen sterben – mit starken regionalen Unterschieden: Von Ozon wäre Ostasien besonders stark betroffen (weitere 45.600 Todesfälle pro Jahr), gefolgt von Indien (16.000) und Nordamerika (knapp 10.000). Für Europa sieht Silva im Rahmen ihrer Extrapolation keine steigende Mortalität. In Indien wird bis 2100 vor allem der Feinstaub – mit zusätzlichen 80.000 Todesfällen pro Jahr – zu einem Problem. Für den Nahen Osten nennt Silva im gleichen Zeitraum zusätzliche 50.000 Todesfälle, für Ostasien 47.000, und für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion knapp 12.000. Europa steht mit < 5.000 Todesfällen noch vergleichsweise gut da.
„Dass die meisten Modelle zur Simulation einen wahrscheinlichen Anstieg der Todesfälle zeigen, ist das klarste Signal, dass der Klimawandel die Luftqualität und somit auch unsere Gesundheit beeinträchtigen wird“, resümiert Coautor J. Jason West von der University of North Carolina.