Bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung kommt es zu einem unaufhaltsamen Verlust von Lungengewebe. Forscher haben eine Röntgentechnik entwickelt, mit der die bisher nicht heilbare Krankheit schon im Frühstadium diagnostiziert werden könnte.
Husten, vermehrter Auswurf und Atemnot bei Belastung sind die wichtigsten Warnzeichen der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland drei bis fünf Millionen Menschen an der Krankheit leiden, für die bisher keine Möglichkeit besteht, sie dauerhaft zu heilen. Diagnostiziert wird sie fast immer im fortgeschrittenen Stadium, wenn das Lungengewebe meist schon irreversibel geschädigt ist. Forschern aus München ist es nun gelungen, eine neue Technik zu etablieren, mit deren Hilfe Ärzte krankhafte Veränderungen des Lungengewebes wesentlich frühzeitiger als bisher entdecken könnten. Wie die Wissenschaftler um Professor Maximilian Reiser in der Fachzeitschrift PNAS bekannt gaben, ermöglicht die Kombination von Dunkelfeld- und konventionellem Röntgenbild eine klare Unterscheidung zwischen gesundem und geschädigtem Gewebe sowie eine Beurteilung der regionalen Verteilung der Krankheit.
Laser erzeugt phasengleiche Röntgenstrahlen
"Wir wollten Lungenemphyseme, die bei der COPD häufig auftreten, in einem besonders frühen Stadium aufspüren, mit einer geringeren Strahlenbelastung als bei der hoch aufgelösten Computer-Tomografie", sagt Reiser, der Leiter des Instituts für Klinische Radiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München ist. Für ihre Experimente nutzten Reiser und seine Kollegen eine Methode, die Physiker der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität München im Rahmen des Exzellenzclusters Munich-Center for Advanced Photonics entwickelt hatten. Dabei wird neben der Schwächung der Röntgenstrahlen im Gewebe auch deren kleinwinklige Streuung an den Grenzflächen der Lungenbläschen registriert. "Die Kombination beider Bilder führt zu einer deutlichen Verbesserung der diagnostischen Aussagekraft", erklärt Reiser. "Um die gestreuten Strahlen allerdings derart analysieren zu können, muss die Strahlenquelle die Röntgenstrahlen phasengleich aussenden." Deshalb verwendete das Team um Reiser im Rahmen einer internationalen Kooperation als Strahlenquelle ein lasergetriebenes Miniatur-Synchrotron, das diese physikalischen Voraussetzungen erfüllt.
Höhere Kontraste verbessern Diagnose
Das neue Verfahren testeten die Münchener Wissenschaftler an Mäusen. Der einen Hälfte dieser Tiere injizierten sie Elastase in die Lunge. Das Enzym verursachte einen allmählichen Abbau des Lungengewebes, wie er ähnlich bei einem Lungenemphysem passiert. Nach vier Wochen isolierten die Forscher sowohl aus den kranken als auch den gesunden Tieren deren Lungen. Anschließend analysierten sie die Organe mit der neuen Röntgentechnik. "Dank der höheren Kontraste konnten wir die gesunden und die veränderten Lungen viel besser voneinander unterscheiden als mit der konventionellen Technik," berichtet Reiser. Doch von einer klinischen Anwendung sind er und seine Kollegen noch ein ganzes Stück entfernt, wie der Forscher ohne Zögern eingesteht. Im nächsten Schritt, so Reiser, solle das Verfahren an lebenden Mäusen erprobt werden. Diese Experimente befänden sich zurzeit in Vorbereitung.
Biomedizinische Unternehmen zeigen Interesse
Unabhängig davon gilt es jedoch, die neue Röntgentechnik in ein Gerät zu packen, das in klinischen Studien zum Einsatz kommen könnte. "Hier müssen wir noch viel Entwicklungsarbeit für einen ersten Prototypen leisten, doch das Interesse an dieser Thematik ist bei den großen medizintechnischen Unternehmen schon jetzt groß", sagt Reiser. "Siemens unterstützt den Exzellenzcluster bereits mit seinem Know-how bei bildgebenden Geräten und so sollte der Schritt vom Prototypen zu einem klinisch anwendbaren System relativ schnell zu machen sein." Falls sich die neue Methode zur Früherkennung von Emphysemen eines Tages beim Menschen durchsetzen sollte, hofft Reiser, dass man Raucher, die den Großteil der COPD-Patienten stellen, mit einer frühzeitigen Indikation eher davon überzeugen kann, ihr Laster einzustellen.
Methode für weitere Lungenkrankheiten geeignet
Als weiteres Anwendungsgebiet sieht der Münchener Wissenschaftler die bessere Charakterisierung der Lungenfibrose, bei der sich verstärkt Bindegewebe zwischen den Lungenbläschen und um die sie umgebenden Blutgefäße bildet. "Die neue Röntgentechnik könnte uns erlauben, diffuse Lungenkrankheiten besser zu erkennen, zu quantifizieren und zu lokalisieren", sagt Reiser. Er hält die von ihm und seine Kollegen entwickelte Methode für einen Durchbruch auf dem Feld der Diagnose von Lungenkrankheiten, sieht aber auch bei der Computertomographie und der Kernspintomographie viele interessante Fortschritte: "Wahrscheinlich wird am Ende keine dieser Methoden das Rennen alleine machen, sondern sie alle werden sich mit ihren jeweiligen Stärken ergänzen und dadurch eine viel genauere Analyse eines Krankheitszustands als bisher ermöglichen."