Pro Jahr werden weltweit etwa 135 Millionen Kinder geboren. Von kinderlosen Paaren wird diese Zahl jedoch zwiespältig aufgenommen. Doch auch die pharmakologischen Möglichkeiten haben sich in den letzten Jahre für jene Paare erheblich verbessert.
Die in vitro Fertilisation (IVF) wird seit 1978 erfolgreich durchgeführt. Fälschlicherweise wird dieses Verfahren als "künstliche Befruchtung" bezeichnet. Die Befruchtung zwischen Spermien und Eizelle verläuft aber genau so wie im Eileiter. Lediglich der Ort des Geschehens ist ein anderer. Bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) wird etwas nachgeholfen, die Samenzelle in die Eizelle einzubringen. Psyche bestimmt den Erfolg mit Zur Auswahl der richtigen Therapie muss aber viel mehr bedacht werden als das kinetische oder dynamische Profil der hormonellen Pharmaka. Das "Target Frau" ist gerade im Bereich der Fertilität nicht immer berechenbar. Die körperliche und psychische Belastung einer Fertilitätsbehandlung spielen ebenso eine Rolle wie finanzielle Aspekte, gesundheitliche Risiken und die Logistik der Behandlung. In einer Studie von Verberg et al. wurde untersucht, warum Frauen eine Fertilitätsbehandlung abbrechen. Mit 17 Prozent ist die Rate der Abbrecherinnen nicht unerheblich. Von den 384 Paaren, die sich einer Kinderwunschbehandlung unterzogen, führten 65 die Behandlung nicht zu Ende. Der Hauptgrund (28%) waren therapiebedingte physische und psychische Belastungen der Behandlung. Die harten medizinischen Faktoren wie schlechte Embryoqualität (8%) oder mangelhaftes Ansprechen (6%) waren auf den hinteren Plätzen zu finden. Therapiestress steigert nicht nur die Abbruchrate, er mindert auch die Erfolgsrate. Die Autoren der Studie sind überzeugt, dass die tägliche Injektion für die Patientinnen eine wesentlich größere Belastung ist, als den meisten Ärzten bewusst wird. Protokollfrage Um eine Kinderwunschbehandlung erfolgreich durchzuführen, sind bestimmte "pharmakologische Tricks" notwendig. Diese sind in Form von standardisierten Behandlungsprotokollen definiert.
Um die Eizellreifung zu unterstützung und die Reifung multipler Eizellen zu bewirken werden Gonadotropine eingesetzt. Dies sind entweder humanes Menopausengonadotropin (hMG) oder urinäre oder rekombinante FSH- und LH-Präparate. Rekombinant hergestelltes humanes FSH steht als Injektion in Form von Follitropin alfa oder –beta zur Verfügung. Eine langwirksame Variante ist das Corifollitropin alfa.
Langes Protokoll – der Klassiker Beim "long protocol" wird in der Mitte der zweiten Zyklushälfte des Vorzyklus ein GnRH-Agonisten-Präparat eingesetzt. Die Substanzen stehen als täglich zu spritzende Agonisten, 2 x täglich als Nasenspray zu applizierende Stoffe oder Depotpräpate zur Verfügung. Wenn die Hormone LH, FSH und Estradiol ausreichend supprimiert sind, werden zur Stimulation Gonadotropine eingesetzt. Als GnRH-Agonisten stehen Triptorelin, Buserelin und Nafarelin zur Verfügung. Der Nachteil bei der Behandlung mit GnRH-Agonisten ist eine Downregulation der Hormonrezeptoren, eine Desensibilisierung der Hypophyse verbunden mit einer langsamen Reversibilität. Außerdem kann es zum initialen "flare-up-Effekt" kommen. Darunter versteht man die massive Ausschüttung von LH und FSH innerhalb der ersten drei Tage nach der Gabe eines GnRH-Agonisten. Erst wenn die Adenohypophye erschöpft ist, kommt es zu einer Senkung der endogenene Gonadotropinsekretion. Ein Vorteil des langen Agonistenprotokolls ist die gute Planbarkeit. Nach der Hypogonadie kann die Stimulation zu einem beliebigen Zeitpunkt erfolgen, da der physiologische Zyklus der Patientin außer Kraft gesetzt ist. Im Antagonistenprotokoll muss die Stimulation zyklussynchron erfolgen. GnRH-Antagonisten Protokoll – es geht auch anders Es gibt noch eine andere Möglichkeit den GnRH-Rezeptor dazu zu bringen, die endogene LH-Produktion zu unterdrücken. Statt eines Agonisten kann ein GnRH-Antagonist eingesetzt werden. Die Behandlung beginnt am 2. oder 3. Zyklustag mit täglichen FSH- oder HMG-Injektionen und wird dann ab dem 5. oder 6. Stimulationstag mit einem GnRH-Antagonisten kombiniert. Es kommt dadurch zu einer Blockade der GnRH-Rezeptoren. Dieser kompetitive Antagonismus bewirkt eine sofortige Suppression, ist rasch reversibel und ein flare-up-Effekt bleibt aus. Als Antagonisten stehen Cetorelix und Ganirelix zur Verfügung. Schaut man sich die kinetischen Parameter beider Substanzen an, fällt die unterschiedlich lange Halbwertzeit auf. Cetrorelix ist nach 30 Stunden zur Hälfte aus dem Plasma verschwunden, Ganirelix bereits nach 13 Stunden. Bedeutsam ist, dass die Halbwertzeit – gerade bei Hormonen – nicht mit der Wirkdauer korrelieren muss. Beide Pharmaka wirken über 24 Stunden. Paradigmenwechsel Bisher wurde dem GnRH-Agonistenprotokoll der Vorzug gegeben. Das häufigste Argument gegen das Antagonistenprotokoll war die Annahme, dass es vergleichsweise weniger effizient ist. Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2002 bescheinigte den Agonisten eine bessere Wirksamkeit. Das ist inzwischen widerlegt. Eine Cochrane-Analyse von Al-Inany et al. aus dem Jahr 2011 beziffert hinsichtlich der forlaufenden Schwangerschaftsrate und der Lebendgeburtenrate keinen Unterschied zwischen Agonisten und Antagonisten. Ein weiteres Argument gegen das GnRH-Antagonistenprotokoll war die schlechtere zeitliche Planbarkeit der Stimulationsbehandlung. Arbeiten von Tremellen und Levy belegen, dass auch im GnRH-Antagonistenprotokoll eine Planbarkeit der Eizellentnahme möglich ist, da der Zeitpunkt der Eizellentnahme um einen Tag vorgezogen oder einen Tag verschoben werden kann, ohne die Schwangerschaftsrate zu beeinträchtigen. Dadurch lassen sich Eizellpunktionen am Wochenende vermeiden. Dies spiegelt sich auch in der klinischen Praxis wieder. 2011 wurden erstmals in Deutschland die Mehrzahl der Stimulationszyklen im GnRH-Antagonistenprotokoll durchgeführt (IVF-Register/DIR 2012). Neben der Frage des Protokolls spielt die Auswahl des Gonadotropins eine Rolle. In Frage kommen hMG, Urofollitropin, rekombinant hergestelltes humanes FSH wie Follitropin alfa und Follitropin beta und Corifollitropin alfa. Nach einer Studie von Bitzer et al. haben Frauen in einer IVF-Behandlung Angst vor Fehlern beim Aufziehen der Injektionslösung und davor, die falsche Dosierung zu applizieren. Kosten im Auge behalten Auch die Kosten der Therapie spielen eine Rolle bei der Auswahl der Präparate. Crespi et al. analysierten retrospektiv die Daten von Frauen, die sich zwischen den Jahren 2008 und 2010 in drei Kinderwunschzentren in Schweden behandeln ließen. Insgesamt identifizierte man 1.409 Frauen mit 2.047 Zyklen, davon wurde in 1.832 Zyklen jeweils ein Gonadotropin pro Zyklus eingesetzt (n = 896 rekombinantes Follitropin beta, n = 544 rekombinantes Follitropin alfa, n = 378 humanes Menopausengonadotropin (hMG)). In GnRH-Agonistenzyklen wurden im Vergleich mit dem GnRH-Antagonistenprotokoll 14% mehr Gonadotropine eingesetzt. In Zyklen mit Follitropin alfa oder hMG wurden 6,6% bzw. 41% mehr Gonadotropine eingesetzt als dies in Zyklen mit Follitropin beta der Fall war. Dementsprechend waren die Gonadotropinkosten in GnRH-Agonistenprotokollen verglichen mit GnRH-Antagonistenzyklen um 14% höher. Bei einer Behandlung mit Follitropin alfa oder hMG fielen im Vergleich mit Follitropin beta um 6,8% bzw. 7,3% höhere durchschnittliche Kosten für Gonadotropine an. Hamster hilft Bezieht man die Abbruchraten bei der Wahl der geeigneten Therapieform mit ein, ist ein patientenschonendes Protokoll die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. Je weniger Spritzen, desto besser. Deshalb hat in den letzen Jahren eine Substanz mit langer Wirkdauer das Arsenal der Fertilitätspharmaka bereichert, das langwirksame Corifollitropin alfa. Die Grundlage für Corifollitropin alfa wird mittels rekombinanter DNA-Technologie in Ovarialzellen des chinesischen Hamsters (Cricetulus barabensis griseus) gewonnen. Biotechnologisch betrachtet ist die Substanz ein Fusionsmolekül aus FSH und hCG. Dazu wird vom hCG das Carboxyterminalpeptid (CTP) abgetrennt mit dem CTP wieder verbunden. Heraus kommt FSH-CTP, auch als Corifollitropin alfa bezeichnet. Es hat eine Wirkdauer von etwa 7 Tagen. Obwohl im Molekül ein Rest der Betaseitenkette des hCG vorkommt, besitzt es keine hCG-Eigenaktivität. Die ENGAGE-Studie hat gezeigt, dass die pharmakodynamischen Eigenschaften mit denen von rFSH vergleichbar sind. In der gerade veröffentlichen PURSE-Studie (Boostanfar et al.) wurde Sicherheit und Effizienz von Corifollitropin alfa im Vergleich zu rFSH erneut bestätigt. Beide Therapien waren vergleichbar wirksam und verträglich, wobei Corifollitropin alfa wegen der selteneren Applikationen anwenderinnenfreundlicher ist. Corifollitropin alfa reduziert die Anzahl der erforderlichen Injektionen erheblich. Eine Injektion ersetzt sieben täglichen rFSH-Spritzen. Im Vergleich zum langen Agonisten-Protokoll, das täglich als Injektion verabreicht wird wird die Injektionshäufigkeit von 35 auf 10 um etwa 70 Prozent reduziert. Bei der Pharmakotherapie des weiblichen Zyklus darf natürlich auch der Mann nicht vernachlässigt werden. Die Qualität seines Spermas wird erheblich von seinem Stressfaktor bestimmt. Ein "gestresstes Spermium" ist für die weibliche Eizelle nicht so attraktiv wie ein relaxtes. Nach einer Studie von Soler et al. ist klar was viele schon vermuteten: "Was die Samenqualität angeht, so haben attraktive Männer eine besonders gute Qualität".