Die Klassifikation von Handekzemen ist komplex: Stets müssen exogene und endogene Noxen und unterschiedliche Manifestationslokalisationen unterschieden werden. Dementsprechend anspruchsvoll ist auch die Pharmakotherapie.
Die Häufigkeit von Handekzemen liegt bei etwa 10%, die von schweren chronischen Handekzemen nach Untersuchungen von Prof. Diepgen, Heidelberg bei 5-7%, Tendenz steigend. 60 Prozent der Friseure, 27 Prozent des Krankenpflegepersonals und 15 Prozent der Metallarbeiter im 1. Ausbildungsjahr entwickeln ein Handekzem. Nicht selten führt dies zur Berufsunfähigkeit. Teures Jucken Das Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) untersuchte in einer Krankheitskostenstudie über 200 Patienten mit Handekzem in 25 dermatologischen Praxen und Ambulanzen auf ihre direkten und indirekten Krankheitskosten. Behandelt wurden 63,2 Prozent mit topischen Zubereitungen; 15,7 Prozent zusätzlich mit UV-Therapie, 11,7 Prozent erhielten eine orale Medikation und 9,4 Prozent aller Patienten wurden stationär behandelt. Die Gesamtkosten pro Jahr und Patient lagen bei 2.128 €. Systematisches Vorgehen sinnvoll Die Systematik und Klassifikation der Handekzeme ist komplex und wird in der Literatur sehr unterschiedlich dargestellt. Es gibt nicht "das Handekzem", sondern es müssen stets verschiedene exogene und endogene Noxen, morphologische Erscheinungsformen und unterschiedliche Manifestationslokalisationen unterschieden werden. Gemäß der Leitlinie für Handekzeme der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) handelt es sich bei Handekzemen "um entzündliche, nicht-infektiöse Hautveränderungen". Sie können nach Kontakt mit exogenen Faktoren entstehen, wobei je nach Ätiologie irritative (subtoxisch-kumulative), allergische Kontaktekzeme sowie Handekzeme im Rahmen einer atopischen Dermatitis unterschieden werden können. Ätiologie (Handekzemtypen)
Lokalisation
Morphologie
Stadiengerechte Stufentherapie Je nach Stärke des Handekzems werden unterschiedliche Therapeutika eingesetzt:
Feucht oder trocken? Grundregeln der topischen Therapie: "feucht auf feucht". Beim nässenden und oder superinfizierten Ekzem kommen Handbäder und feuchte Umschläge in Frage. Chlorhexidin, Povidon-Jod, Octenidin, Wasserstoffperoxid, Clioquinol sowie Silbersulfadiazin haben sich als bakterizide Wirkstoffe bewährt. Ist das Ekzem trocken und schuppig, ist Rückfettung und Ekzemprophylaxe das Ziel. Zum Einsatz kommen Emulsionen oder glycerolhaltige Basiscreme. Basistherapie: fetten, fetten, fetten Ziel der Basistherapie ist die konsequente Rückfettung der Haut, die Vermeidung oder Reduktion von Triggerfaktoren sowie Hautschutzmaßnahmen. Es sollten möglichst konservierungs- und duftstofffreie Präparate eingesetzt werden. Im akuten Stadium wird mit Umschlägen, Lotionen oder Cremes behandelt, im subakuten Stadium mit Salben und im chronischen Stadium mit Fettsalben. Keratolytika: bitte lösen sie Als Keratolytika werden Salicylsäure und Harnstoff eingesetzt. Salicylsäure wird in Konzentrationen bis zu 20 Prozent wegen ihrer keratolytischen Wirkung bei chronischen, insbesondere hyperkeratotischen Handekzemen mit Einrissen eingesetzt. Harnstoff wirkt in Konzentrationen von 5 bis 10 Prozent wegen seiner keratolytischen, glättenden, penetrationsfördernden und wasserbindenden Wirkung geschätzt. Die Anwendung ist nicht frei von Tücken. Eine falsche Wirkstoffkonzentration oder das Anlegen eines Okklusivverbandes kann zu Hautreizungen führen. Glukokortikosteroide: kurz und stark Die antiphlogistische topische Lokaltherapie mit Kortikoiden ist eine der wichtigsten Säulen der Ekzemtherapie. Die Zubereitungen stehen in verschiedenen galenischen Formulierungen zur Verfügung. Je nach Morphologie und Ekzemstadium werden Lösungen, Fettcremes oder Salben eingesetzt. Gerade beim Ekzem spielt nicht nur der Wirkstoff, sondern auch die Grundlage eine entscheidende Rolle. Kortikosteroide sollten immer mit einer rückfettenden steroidfreien Lokaltherapie kombiniert werden. Besser als lang und schwach ist kurz und stark. D.h. ein potentes Kortikoid im Schub ist effizienter als ein mildes über lange Zeit. Zur Einsparung von topischen Kortikosteroiden hat sich die Intervall- oder Stufentherapie bewährt. Die S1-Leitlinie betont, dass ein Kortikoideinsatz kein Ersatz für eine adäquate ätiologisch-diagnostische Abklärung ist. Obwohl Kortikoide weit verbreitet sind, wurde bisher nur in 5 randomisierten kontrollierten klinischen Studien die Wirksamkeit bei Handekzemen untersucht. Die Potenz des eingesetzten Kortikosteroides und die Therapiedauer hängen von der Schwere des Handekzems und der Lokalisation ab. Die Bereits im Jahr 2005 erschienene Leitlinie "Topische Dermatotherapie mit Kortikosteroiden –therapeutischer Index" der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft leistet immer noch eine hervorragende Hilfestellung bei der Auswahl des geeigneten Kortikoids. Auswahl nach TIX Ein besonders guter und reproduzierbarer Parameter für das Ausmaß von Nebenwirkungen ist die Induktion von Hautatrophien. Dermatologen haben einen literaturbasierten therapeutischen Index (TIX) der kortikoidhaltigen Dermatika entwickelt. Er ist eine Ration zwischen erwünschten und unerwünschten Wirkungen. Kategorie 1 erfasst die Präparate, deren Verhältnis von erwünschten zu unerwünschten Wirkungen "nur" etwa ausgeglichen ist, der Index beträgt 1- <2. Dazu gehören:
Kategorie 2 erfasst die Präparate, bei denen die erwünschten im Verhältnis zu den unerwünschten Wirkungen deutlich überwiegen, der Index beträgt 2-3. Dazu gehören:
Zur Therapie des chronischer Handekzeme sind besonders Glukokortikoide der Kategorie 2 mit möglichst hohem therapeutischen Index (TIX > 2) empfohlen, da sie eine besonders günstige Ratio von erwünschter zu unerwünschter Wirkung zeigen. Momethasonfuroat, Prednicarbat und Methylprednisolonaceponat erhielten einen TIX von 2,0. Sie wirken gut antiphlogistisch, nur gering austrocknend, verursachen keine Systemeffekte und geringes Allergierisiko. Sie besitzen im Vergleich zu anderen Präparaten ein mittelstarkes Wirksamkeitspotential. Auch Hydrocortisonbutyrat hat einen TIX von 2,0, nachteilig ist jedoch das vergleichsweise hohe Allergierisiko. Topische Calcineurin-Inhibitoren Die Calcineurininhibitoren Pimecrolimus und Tacrolimus können gemäß S2-Leitlinie Neurodermitis zur Behandlung eines atopischen Handekzems eingesetzt werden. Die Pharmaka sind in Deutschland zur Behandlung des mittelschweren und schweren atopischen Ekzems bei Kindern ab 2 Jahren zugelassen, wenn die herkömmliche Therapie nicht anspricht oder nicht vertragen wird. Durch den Einsatz der Calcineurininhibitoren kann das Auftreten einer Hautatrophie mit weiterer Verminderung der Barrierefunktion verhindert werden. Die Datenlage ist jedoch heterogen. Calcineurininhibitoren hemmen die T-Zell-Aktivierung, die Synthese von IL-2, IL-4 und reduzieren die Freisetzung proinflammatorischer Substanzen aus Mastzellen und basophilen Granulozyten. Zusätzliche UV-Exposition sollte unter der Therapie vermieden werden. Alitretinoin Schwere, chronische Handekzeme, die nicht ausreichend auf die lokaltherapeutischen Maßnahmen ansprechen, können die frühzeitige systemische Therapie erforderlich machen. Alitretinoin ist zur Therapie des chronischen Handekzems zugelassen und zeigte in klinischen Studien eine überzeugende Wirksamkeit. Alitretinoin ist ein Agonist an beiden Vitamin-A-Säure-Rezeptoren und wirkt primär immunmodulatorisch und antientzündlich. Im Gegensatz zu den Retinoiden wirkt es kaum austrocknend. Das Pharmakon ist zugelassen für die Behandlung des schweren chronischen Handekzems, das nicht oder nicht ausreichend auf die Therapie mit potenten topischen Kortikoiden anspricht. Die randomisierte und kontrollierte BACH-Studie (Benefit of Alitretinoin in Chronic Hand Eczema) zum chronischen Handekzem lieferte Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Alitretinoin. Der Symptomscore des Handekzems besserte sich unter dem Wirkstoff (oral 30mg) nach 24 Wochen um 75 Prozent. Jeder zweite Patient erreichte eine vollständige oder fast vollständige Abheilung. 65 Prozent blieben in der 6-monatigen Nachbeobachtungsphase rezidivfrei. Von den Patienten, die wieder behandelt werden mussten, heilten 80 Prozent unter Alitretinoin vollständig ab. Acht von zehn Patienten mit chronischem Handekzem (CHE) leiden unter Juckreiz, der häufig mit Schmerzen verbunden ist. Ursache ist eine periphere Sensibilisierung, ausgelöst durch den Juckreiz und durch reaktives Kratzen. Eine Open-Label-Studie von Diepgen et al. mit 249 Patienten wies eine Reduktion der Juckreizintensität auch auf der visuellen Analogskala (VAS) um fast 90 Prozent innerhalb von sechs Monaten nach. Die Wirkung auf den Juckschmerz beruht unter anderem auf antiinflammatorischen Effekten auf T-Lymphozyten. Auch der Einfluss auf Eosinophile, Keratinozyten, Fibroblasten oder direkt auf sensorische Nerven ist vermutlich an der antipruristischen Wirkung beteiligt. Wie alle Vitamin-A-Säure-Derivate wirkt Alitretinoin stark teratogen. Bei Frauen im gebärfähigen Alter muss ein Schwangerschaftspräventionsprogramm durchgeführt werden. Dieses umfasst einen Monat vor, während und bis zu einem Monat nach Absetzen eine ausführliche Aufklärung, eine sichere Kontrazeption, und regelmäßige ärztlich überwachte Schwangerschaftstests. Das pharmakritische ARZNEITELEGRAMM äußert sich gegenüber der Substanz nicht so positiv: "die spärlichen Daten lassen kein abschließendes Urteil über Wirksamkeit, Langzeitnutzen und Risiken zu. Wir stufen Alitretinoin als Mittel der letzten Wahl bei sonst nicht behandelbarem Handekzem mit hohem Leidensdruck ein (AT 2/09)." Ciclosporin – ultima ratio Das Immunsuppressivum Ciclosporin ist zur Therapie der schwer ausgeprägten atopischen Dermatitis zugelassen und wird in den Leitlinien genannt. In einer Metaanalyse von Schmitt et al. wurden 15 Studien mit insgesamt 602 Patienten ausgewertet. Nach einer Anwendung über 6-8 Wochen zeigte Ciclosporin eine Effektivität von 55% (95%-CI 48-62%). Ganz besonders wichtig ist, dass der Patient darauf hingewiesen werden muss, zur Therapie keinesfalls Grapefruitsaft zu trinken. Der Wirkstoffspiegel kann dramatisch ansteigen und die ohnehin schweren unerwünschten Wirkungen steigern. Auch Johanniskraut ist während der Therapie tabu: Der Ciclosporinspiegel kann hier extrem abfallen. Ausblick Neue Studienansätze untersuchen diverse Substanzgruppen beim Handekzem. Zytokine wie IL-17 oder IL-31 bieten neue Targets. Mit einem neuen Zytokin-Inhibitor (WBI-1001) ließen sich erste Erfolge erzielen. Ebenso in Prüfung sind PDE-4-Inhibitoren und H4-Antagonisten. Der H4-Rezeptor ist zuständig für den Juckreiz und die Immunmodulation. Im Tierversuch lies sich durch die neue Substanzklasse das Kratzverhalten deutlich dämpfen.