Alle 24 Minuten vergiften sich amerikanische Verbraucher versehentlich mit Nahrungsergänzungsmitteln – besonders häufig Kinder. Meist führt die Einnahme von diätischen oder hormonhaltigen Produkten zu Intoxikationen. Sollte es strengere gesetzliche Einschränkungen geben?
US-Giftinformationszentren warnen: Zwischen 2000 und 2012 meldeten Ärzte insgesamt 274.998 Vergiftungen durch Nahrungsergänzungsmittel (NEM), die außerhalb von Krankenhäusern stattgefunden hatten. Der Trend geht mit wenigen Ausnahmen steil nach oben.
Zwischen 2000 und 2002 erhöhten sich entsprechende Fallzahlen um 46,1 Prozent. Den Rückgang um 8,8 Prozent zwischen 2002 und 2005 erklären Toxikologen vor allem mit Importverboten der TCM-Droge Ma-huang. Hierbei handelt es sich um Ephedrakraut (Ephedrae herba), das mittlerweile den Status als NEM verloren hat. Doch die Freude über den Rückgang währte nur kurz. Zwischen 2005 und 2012 gingen die Meldungen mit einem Zuwachs von 49,3 Prozent wieder stark aufwärts. Das entsprach zuletzt einer Meldung alle 24 Minuten. An erster Stelle rangierten mit 43,9 Prozent aller gemeldeten Fälle diätische NEM, etwa Mineralien oder Vitamine. Pflanzliche (31,9 Prozent) oder hormonhaltige Produkte (15,1 Prozent) folgten dicht darauf. Als besonders kritisch stufen Forscher Yohimbe (Pausinystalia yohimbe) und hochdosierte Energy-Produkte ein. Sie fordern von der US Food and Drug Administration (FDA) gesetzliche Einschränkungen, aber auch bessere Warnhinweise auf der Verpackung. Die meisten Intoxikationen gab es bei Kindern unter sechs Jahren (70,0 Prozent). Dabei handelte es sich häufig um unbeabsichtigte Einnahmen (82,9 Prozent). Aktuelle Zahlen zeigen, dass viele Konsumenten unterschätzen, welche Effekte NEM tatsächlich haben. Schwerwiegende medizinische Folgen waren zum Glück eher selten (4,5 Prozent).
Von den USA nach Deutschland. Zentrale Informationen, wie sie im amerikanischen National Poison Data System zu finden sind, gibt es bei uns nicht. Zumindest im Bereich des Gemeinsamen Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen spielen Anfragen zu NEM eine untergeordnete Rolle. Das mag an arzneimittelrechtlichen Unterschieden liegen: Pflanzen und pflanzliche Zubereitungen werden vom Bundesinstitut für Risikobewertung unter die Lupe genommen. Enthalten sie kritische Inhaltsstoffe, unterstellen Experten alle Präparate der Rezeptpflicht. Yohimbe-haltige Präparate dürften bei uns nicht als NEM verkauft werden. In diesem Zusammenhang warnt der Zoll Konsumenten vor illegalen Importen: „Bestimmte Nahrungsergänzungsmittel oder Vitaminpräparate, insbesondere wenn diese als Mittel zur Behandlung von Krankheiten dargestellt werden, können in Deutschland als Arzneimittel gelten und unterliegen damit dem Arzneimittelgesetz. Auf die arzneimittelrechtlichen Bestimmungen des Landes, in dem das Präparat angeboten bzw. verkauft wird, kommt es dabei nicht an.“