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Schmerzen im Unterbauch und Fieber - dahinter steckt nicht selten der Appendix vermiformis. Während man früher eine Appendektomie vornahm, gibt es heute Alternativen: bei unproblematischen Formen lohnt es sich, Antibiotika einzusetzen.
Seit Jahrzehnten gelten typische Druckschmerzen am Lanz- oder McBurney-Punkt als Hinweise auf eine Appendizitis. Nicht immer sind die Symptome so deutlich. Auch hinter chronisch-rezidivierenden Bauchschmerzen unklarer Genese kann sich dieses Leiden verbergen. Bildgebung und Labor zeigen, ob tatsächlich ein renitenter Wurmfortsatz hinter den Beschwerden steckt. Zweifel im OP Das klassische Appendektomien in vielen Fällen überflüssig sind, haben US-amerikanische Kollegen um Frederick Thurston Drake gezeigt. Sie analysierten Daten von 19.327 Patienten aus dem "Washington State's Surgical Care and Outcomes Assessment"-Programm. Das Ergebnis ihrer retrospektiven Auswertung: 5,4 Prozent aller Eingriffe wären im Schnitt nicht notwendig gewesen. Bei Patienten, deren vermeintliche Appendizitis ohne Bildgebung diagnostiziert wurde, betrug die Fehlerquote 15,4 Prozent. Mit Bildgebung schrumpfte der Anteil falschpositiver Befunde auf 4,5 Prozent. Bemerkenswert: Frauen im gebärfähigen Alter wurden ohne Bildgebung zu 24,7 Prozent falsch positiv diagnostiziert, mit entsprechender Technik waren es nur 6,9 Prozent. In der Praxis erwiesen sich die Computertomographien als deutlich überlegen. Deren Sensitivität war doppelt so groß wie bei Sonographien. Um keine unnötige Strahlenbelastung zu riskieren, schlagen die Autoren vor, Patienten mit entsprechenden Symptomen zuerst mit Ultraschall zu beginnen und – falls erforderlich – später ein CT anzufertigen. Aus deutscher Sicht mag diese Argumentation nur bedingt zutreffen. In den Staaten werden aus vielerlei Gründen häufiger CTs gemacht, während die Sonographieexpertise hier zu Lande weitaus größer ist.
Allein die Dosis macht das Bild Stichwort Strahlenbelastung: Eine andere Veröffentlichung befasst sich speziell mit der diagnostischen Treffsicherheit von Low-Dose-CTs. Kollegen untersuchten 891 Kinder und Erwachsene entweder im normalen CT oder im Low-Dose-Gerät. In beiden Fällen kamen Kontrastmittel zum Einsatz. Signifikante Unterschiede ließen sich nicht finden – weder hinsichtlich überflüssiger Appendektomien (3,5 Prozent beim Low-Dose-CT versus 3,2 Prozent beim normalen CT) noch hinsichtlich einer zusätzlichen Bildgebung aufgrund unklarer Befunde (3,2 versus 1,6 Prozent). Alle Studienteilnehmer hatten jedoch ein normales Körpergewicht, ihr BMI lag unter 24,9. Übergewicht und Adipositas verschlechtern das Ergebnis drastisch. Eine Kuriosität: In seltenen Fällen führen bereits diagnostische Maßnahmen zur Appendizitis. Bei einem Patienten wurde der Darm mit virtueller Koloskopie untersucht – ohne Befund. Kurz darauf stellt sich der Betroffene erneut vor, dieses Mal jedoch mit Bauchschmerzen und Übelkeit. Alles deutete auf eine Appendizitis hin, CT und OP bestätigten entsprechende Vermutungen. Zwar gelten Perforationen bei virtuellen Koloskopien als eher selten, sind aber nicht auszuschließen. Aufschneiden oder Antibiotika Ist eine Appendizitis zweifelsfrei diagnostiziert, bleibt zu klären, ob unkomplizierte Verlaufsformen generell chirurgisch zu behandeln sind oder ob Antibiotika eine sinnvolle Alternative darstellen. Ärzte am Nottingham University Hospitals nahmen vier randomisierte, kontrollierte Studien mit insgesamt 900 Patienten unter die Lupe. Alle Teilnehmer hatten eine unkomplizierte Appendizitis. Von ihnen erhielten 470 Antibiotika: anfangs als Infusion, später für mindestens eine Woche oral. Verabreicht wurden Beta-Lactam-Antibiotika, meist Amoxicillin plus Clavulansäure oder Amoxicillin plus Cefotaxim. Bei 63 Prozent aller Patienten stellte sich der Therapieerfolg ein, ohne neuerliche Beschwerden in den nächsten zwölf Monaten. Weitere 20 Prozent mussten nach anfänglicher Besserung dennoch operiert werden. Basierend auf diesen Daten lautet ein Rat, bei unkomplizierten Appendizitiden erst einen Therapieversuch mit Antibiotika zu wagen. Um komplizierte Verlaufsformen auszuschließen, reicht der klinische Befund allein nicht aus. Mit Abdomen-CTs sind Kollegen auf der sicheren Seite. Sollte später dennoch zum Messer gegriffen werden, haben Betroffene kein höheres Risiko, Komplikationen zu erleiden. Methodische Mängel Ältere Studien kommen zu einem weniger klaren Bild. Nach computertomographisch bestätigter Diagnose teilten Forscher um Corinne Vons, Paris, 243 Patienten in zwei Gruppen ein: Appendektomie oder Antibiotikatherapie mit Amoxicillin plus Clavulansäure. Unter der Pharmakotherapie blieb zwar 68 Prozent aller Patienten eine OP erspart. Die Kehrseite: Bei acht Prozent trat eine Peritonitis als schwerwiegende Komplikation auf. In der chirurgischen Vergleichsgruppe entzündete sich das Bauchfell lediglich bei zwei Prozent aller Patienten. Auch hier steckt der Teufel im Detail. Rodney J. Mason, Los Angeles, kritisiert im Editorial unter anderem die Wirkstoffe. Escherichia coli, in Europa häufiger Auslöser von Appendizitiden, sei gegen beide Pharmaka in zwei von drei Fällen resistent. Bessere Präparate hätten zu einer Komplikationsrate von nahezu null geführt, lautet seine Vermutung. Trotzdem stellen die Studien eine alte Weisheit von Ärzten in der Entwicklungshilfe auf wissenschaftliche Beine. Manchem Appendizitis-Patienten retteten Antibiotika das Leben, sollte durch Kriegshandlungen oder Unwetter kein Transport in die nächste – oft meilenweit entfernte – Klinik möglich sein. Skalpell oder Endoskop? Ist eine Appendektomie unausweichlich, bleiben noch methodische Aspekte zu klären. Amerikanische Chirurgen untersuchten die Frage, welche chirurgische Intervention in jungen Jahren bessere Resultate liefert. Sie verglichen Daten von zwölf Kliniken und 7.650 Kindern. In 4.099 Fällen erfolgte eine offene Sanierung, während 3.551 kleine Patienten laparoskopisch versorgt wurden. Teilweise litten sie unter perforierter, teilweise unter nicht perforierter Appendizitis. In der Gruppe mit offenem Eingriff fanden die Autoren deutlich mehr Wundinfektionen als unter Laparoskopie, (5,2 versus 2,4 Prozent) sowie längere Liegezeiten im Krankenhaus. Ähnliche Prognosen traten in der Untergruppe mit perforiertem Appendix auf. Den größten Benefit vom minimal-invasiven Eingriff haben Kinder über zwölf Jahren mit unkompliziertem Verlauf, resümieren die Autoren. Generell sollten Eingriffe bei Kindern nicht zu lange hinausgezögert werden. Die Gefahr einer Perforation ist im zarten Alter deutlich höher als bei Erwachsenen. Der Tragödie zweiter Teil Doch selbst nach erfolgreichen Eingriffen sind manche Patienten vor einer neuerlichen Appendizitis nicht gefeit. In seltenen Fällen – Chirurgen schätzen 0,004 Prozent als Inzidenz – liegen sogenannte Duplikaturen vor. Hier wird zwischen verschiedenen Formen unterschieden: einer partiellen Duplikatur am Caecum, zwei separaten Appendizes am Caecum sowie zwei Caeca mit zwei Appendizes. Wer Pech hat, hat trotz Appendektomie in späteren Jahren nochmals Ärger mit dem Wurmfortsatz.