Frischer Wind in Berlin: Ende Januar trafen sich 15 Kollegen aus ganz Deutschland mit ABDA-Chef Friedemann Schmidt. Im Gepäck hatten sie zahlreiche Verbesserungsvorschläge. Auch die ABDA präsentierte eine Überraschung.
Kurzfristige Problemlösungen, aber auch langfristige Strategien standen im Mittelpunkt des Round Tables mit Basisapothekern und dem ABDA-Präsidenten. Ein neues Leitbild soll helfen, um politisch sowie gesellschaftlich zur einstmaligen Stärke zurückzufinden. DocCheck sprach mit Björn Kersting, Inhaber der "Apotheke Alte Messe" in Leipzig und Mitinitiator des runden Tischs. Kersting engagiert sich wie Dr. Ingo Dramburg beziehungsweise Dr. Reinhard Herzog in der "Liste Zukunftswerkstatt". Neues Selbstbewusstsein Jede Firma, jede Organisation hat es: ein Leitbild als Maxime des eigenen Handelns. Entsprechende Grundprinzipien könnten dazu beitragen, dass der Spitzenverband die Apothekerschaft richtig führt, Kollegen erwarten eine klare Linie. Aber auch Inhaber selbst sollten Spielregeln untereinander akzeptieren – anstatt sich nur noch als Konkurrenz zu sehen. Kersting: "Ich weiß von jüngeren Kollegen, die sich fragen, ob sie sich das überhaupt antun wollen." Die Politik wiederum habe von Apothekern ein Bild der "Aggressivität, Rückwärtsgewandtheit und Blockadehaltung". Zeitgleich bestünden Defizite beim Auftreten gegenüber Ärzten und Krankenkassen. Jetzt ist die ABDA am Zug, um herauszuarbeiten, was Apotheken gesellschaftlich unverzichtbar macht. Wo steht die Apothekerschaft, wo soll es hingehen und welche Schritte sind zu unternehmen? "Schmidt will, dass wir unser altes Selbstbewusstsein zurückgewinnen", so Kersting. "Nur Ansehen schafft eine Zukunft für unseren Berufsstand, nicht die Honorierung allein." In den Prozess sollen Elemente eingebracht werden, die eben nur Apotheker leisten können. "Für mich ist das Leitbild ein wichtiger Anfang, obwohl ich glaube, dass noch nicht alles richtig verstanden wurde", gibt Kersting zu bedenken. Er hält ergänzend zur großen Strategie kurzfristige Maßnahmen für erforderlich, um das angekratzte Image aufzupolieren. Mittendrin statt außen vor Um fachlich stärker Einfluss zu nehmen, fordert Kersting ein Engagement innerhalb von Gremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Das sei bislang "an zwei Millionen Euro gescheitert, die eine Beteiligung pro Jahr kosten würde." Im gleichen Atemzug wurden rund 5,4 Millionen Euro für Marketingaktionen (2011) ausgegeben, ein nicht geringer Teil floss in Projekte mit dem Deutschen Behindertensportverband, dem Deutschen Olympischen Sportbund oder der Nationale Anti-Doping-Agentur Deutschlands. "Wenn es am Geld scheitert, sollten wir uns fragen, was unseren Berufsstand wirklich ausmacht", kritisiert Kersting. Sein Lösungsvorschlag: "Kammern und Verbände verschwenden so viel Geld, sie sollen zehn Prozent einsparen und diese Summe an die ABDA weitergeben." Direktwahl? Momentan nicht... Apothekerkammern und -verbände standen noch in anderem Kontext auf der Tagesordnung. Ihre Vorstände wählen den ABDA-Präsidenten. Bereits beim letzten Apothekertag wurden Forderungen laut, Delegierte abstimmen zu lassen. Schmidt wies jedoch darauf hin, dass nach geltender Satzung die ABDA ein Spitzenverband mit Kammern und Verbänden als Mitgliedern sei. Das schließe Direktwahlen aus. Er sehe keine Lösung, räumte aber ein, dass sich durch entsprechende Beteiligung eine stärkere Bindung der Basis erreichen ließe. Damit geben sich die Kollegen nicht zufrieden. "Man könnte darüber diskutieren, einzelne Apotheker als Mitglieder aufzunehmen", schlägt Kersting vor. "Aber es geht vor allem darum, den Abstand zwischen Spitze und Basis zu verkleinern." Momentan seien starke Apothekerkammern und -verbände, "kleine Fürstentümer" mit starken Einzelinteressen, das Problem. Vertreter des Berufs sollten bundesweit auftreten und gemeinsam die Stärken der Apothekerschaft repräsentieren. Dafür gibt es bald eine gute Gelegenheit, am 28. Februar sind Proteste gegen den Kassenabschlag geplant: eine Standortbestimmung, ob sich der Berufsstand bundesweit Gehör verschaffen kann. Steuerfreibeträge: der falsche Weg Ansonsten hat die Bundespolitik immer noch keinen Vorschlag präsentiert, wie sie Notdienstpauschalen umsetzen will. Ein Teilnehmer am runden Tisch schlug als pragmatische Lösung vor, die versprochenen 120 Millionen Euro in Form von Steuerfreibeträgen umzusetzen. Björn Kersting hält dieses Modell für unrealistisch. "Die Frage ist, welcher Apotheker zahlt wie viel Steuern?" Vor allem Inhaber kleiner Apotheken verdienen zu wenig, um hier zu profitieren. Kollegen kritisieren ebenfalls, dass fiskale Erleichterungen erst Monate bis Jahre nach dem eigentlichen Notdienst auf ihrem Konto landen würden. Sie benötigen vielmehr kurzfristige Unterstützung, um Kollegen einzustellen. Die Hinhaltetaktik bewerten Kersting als "böses Spiel der Politik mit Apothekern". ABDA im Dilemma Finanzielle Probleme plagen nicht nur Landapotheken, sondern auch so mache Apotheke in der Stadt, die extrem unter Wettbewerbsdruck leidet. "Wir sollten vermeiden, uns wie Ärzte in Stadt- und Landapotheken zu separieren", sagt Kersting. "Sonst sind wir bald beim Apothekenbus, den CDU-Politiker vor einigen Monaten ins Parteiprogramm geschrieben haben." Für die ABDA ist damit ein Paradigmenwechsel überfällig. In den letzten Jahren haben sich Spitzenvertreter bei entsprechenden Gesetzesvorhaben immer klar für Strukturkomponenten entschieden, nicht für die Honorierung. Ihr Credo: inhabergeführte Apotheken vor Ort schützen. "Aufgrund der Ausführungen haben wir verstanden, in welchem Dilemma die ABDA stand", gibt Kersting zu bedenken. Mittlerweile zeigt sich, dass Strukturkomponenten alleine nicht mehr ausreichen. Transparenz auf allen Ebenen Neben monetären Themen kam die Datenaffäre ebenfalls zur Sprache, wenn auch nur kurz. Kersting gibt zu bedenken: "Wir sind ehrliche Apotheker und wollen wissen, was dahinter steckt. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung." Jenseits aktueller Geschehnisse sei jedoch wichtig, Probleme von Grund auf zu lösen. In vielen Ministerien sitzen Abgesandte von Lobbyorganisationen. Sie arbeiten bei Gesetzesvorhaben mit oder funken täglich mit ihrem verdeckten Auftraggeber, die Kassen sind ganz vorne mit dabei. Kersting: "Was ist schlimmer? Ein Spion, der nachsieht oder ein Lobbyist, der Gesetze gleich selber schreibt?" Positives Resümee Etliche Themen, ein Fazit: "Alles in allem hat Herr Schmidt viele unserer Argumente bestätigt beziehungsweise unsere Sorgen und Nöte ernst genommen", so Kersting. Auch sei dem ABDA-Chef klar geworden, dass Kommunikationsdefizite bestünden und hier nachgearbeitet werden müsse. Kersting selbst hofft auf weitere Gespräche. Gegenüber DocCheck bewertet auch Friedemann Schmidt das Treffen als "sinnvoll", es habe das gegenseitige Verständnis befördert: "Kollege Hansmann und ich konnten unsere Positionen ausführlich darstellen und viele Detailfragen beantworten. Die Teilnehmer sind interessierte, motivierte und kreative Kolleginnen und Kollegen, in vielen Punkten gibt es weitgehende Übereinstimmung in den Zielen der berufspolitischen Arbeit." Differenzen gäbe es nach wie vor bei der Bewertung der Struktur der ABDA, die Kollegen wünschten sich deutlich mehr Mitwirkungsmöglichkeiten bei berufspolitischen Entscheidungen und bessere Information. Schmidt: „Ich würde diese Form gern weiterführen, die Größe der Runde mit etwa 15 Personen erlaubt eine qualifizierte Diskussion. Für weitere Veranstaltungen auch in den Regionen stehe ich zur Verfügung, soweit es meine Zeit erlaubt.“ Auch der Präsident der Bundesapothekerkammer und weitere Vorstandsmitglieder haben ihre Bereitschaft signalisiert.