Die Behandlung einer Tuberkulose ist langwierig und erfolgt durch die Kombination mehrerer Präparate. Im “Zahnbürstenbaum“ entdeckten Forscher nun ein Antibiotikum mit neuem Wirkansatz, das auch resistente Tuberkuloseerreger abtötet.
Erreger der Tuberkulose sind aerobe, unbewegliche, langsam wachsende, stäbchenförmige Bakterien der Familie Mycobacteriaceae. Der häufigste Erreger von Tuberkulose-Infektionen beim Menschen ist M. tuberculosis, dessen Pathogenität in erster Linie auf der Induktion einer ausgeprägten zellvermittelten Immunantwort besteht. Zum Mycobacterium tuberculosis-Komplex werden außerdem die Spezies M. bovis (ssp. bovis und caprae), M. africanum, M. microti, M. canetti und M. pinnipedii sowie der Impfstamm M. bovis BCG gezählt. Immer Kombinationsbehandlung Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt ausschließlich mit einer Kombination von Medikamenten, die sich in ihren Wirkmechanismen und Wirkorten (Zytosol, Lysosom, etc.) unterscheiden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die in biologisch sehr verschiedenen Populationen vorkommenden Tuberkulosebakterien auf unterschiedlichen Stufen abgetötet oder in ihrer Vermehrung gestoppt werden. Eine Kombinationsbehandlung wirkt außerdem einer Selektion oder Entwicklung resistenter Keime entgegen. Derartige Erreger, die natürlicherweise gegen ein bestimmtes Medikament resistent sind, sind bei einer Tuberkuloseerkrankung immer vorhanden und würden bei einer inadäquaten Therapie selektioniert werden. Fünf Standardmedikamente + Zweitrangmedikamente Zur Behandlung der Tuberkulose stehen die folgenden fünf Standardmedikamente zur Verfügung: Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Ethambutol (EMB), Pyrazinamid (PZA) und Streptomycin (SM). Darüber hinaus gibt es sogenannte Zweitrang- oder Reservemedikamente, die bei Resistenzen oder Unverträglichkeiten zum Einsatz kommen. Diese sind aber häufig weniger wirksam als die Standardmedikamente oder verfügen über eine höhere Toxizität. Als Standard-Kurzzeittherapie der Lungentuberkulose bei Erwachsenen kommt eine 6-monatige Chemotherapie zum Einsatz, bei der in den ersten beiden Monaten (Initialphase) INH, RMP, PZA und EMB gegeben werden und in den folgenden vier Monaten (Stabilisierungs- oder Kontinuitätsphase) mit INH und RMP weiterbehandelt wird. Die WHO zählt Streptomycin neuerdings zu den Zweitrangmedikamenten, u.a. da es nicht oral verabreicht werden kann und in vielen Ländern zur Behandlung einer unkomplizierten Tuberkulose nicht mehr verwendet wird. Multimedikamentenresistente TB Die WHO geht außerdem davon aus, dass weltweit 3,7 % aller Neuerkrankungen und 20 % aller bereits behandelten Tuberkulosefälle multimedikamentenresistent sind. Von einer multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB) spricht man, wenn eine gleichzeitige Resistenz mindestens gegenüber den beiden wichtigsten Erstrangmedikamenten INH und RMP vorliegt. Besonders davon betroffen sind Patienten in Indien, China, Russland, Südafrika, Osteuropa und Zentralasien. In diesen Regionen ist außerdem etwa einer von 10 MDR-Fällen eine extensiv resistente Tuberkulose (XDR-TB). Eine solche extrem resistente und damit schwer zu behandelnde Tuberkulose wurde bislang in etwa 70 Ländern der Welt – auch in Deutschland - gefunden. Jährlich treten weltweit ca. 25.000 neue XDR-Fälle auf. Gemäß WHO-Definition handelt es sich bei einer XDR-TB um eine MDR-TB, bei der zusätzlich eine Resistenz gegenüber einem der Fluorochinolone und mindestens gegenüber einem der injizierbaren Tuberkulose-Medikamente (Amikacin, Capreomycin, Kanamycin) vorliegt und die damit nur noch sehr schwer behandelbar ist. Neue antimikrobielle Substanzen werden also dringend benötigt, um auch die steigende Zahl von XDR-TB-Patienten wirksam behandeln zu können. Ein Team aus Wissenschaftlern aus Großbritannien und Südafrika setzt nun - auf Basis der traditionellen afrikanischen Medizin - auf einen neuartigen biologischen Angriffspunkt, um der bakteriellen Seuche, vor allem den multi- und extensiv-medikamentenresistenten Bakterienstämmen, Herr zu werden. Süd-afrikanischer Baum mit antibiotischer Wirkung Die meisten Antibiotika stammen aus Pilzen oder Bakterien. Antibiotische Wirkstoffe aus Pflanzen sind bisher weniger verbreitet, "aber sie sind wahrscheinlich eine wertvolle Quelle für neue Wirkstoffe", schreiben die Studienautoren im Journal of Biological Chemistry. In Süd-Afrika gibt es einen Baum namens Euclea natalensis, dessen offenbar antibiotische Wirkung sich die Einheimischen zu Nutze machen, indem sie seine Äste zum Zähneputzen verwenden. In der traditionellen afrikanischen Medizin schaffen Wurzelextrakte dieses Baumes auch Linderung bei Bronchitis, Brustfellentzündung, chronischem Asthma und bei Venenleiden. Bereits im Jahr 1999 hatte eine Forschergruppe außerdem nachweisen können, dass unverarbeitete Extrakte des Baumes in vitro aktiv gegen sowohl Medikamenten-sensitive als auch -resistente Stämme von M. tuberculosis wirken. Eine Entdeckung, die Hoffnung schürt, möglicherweise Antibiotika entwickeln zu können, die vor allem gegen die MDR-TB- und XDR-TB-Bakterienstämme zum Einsatz kommen könnten. Gyrasehemmer – aber nicht wie alle anderen Als aktive Substanz im Baumextrakt identifizierten die britischen und süd-afrikanischen Wissenschaftler das zur Gruppe der Naphthochinone gehörende Diospyrin, einen Gyrasehemmer. Das ist zunächst nicht besonders spannend, denn Gyrasehemmer sind schon längere Zeit als Antibiotika im Einsatz. Doch die Forscher um Professor Tony Maxwell vom John Innes Centre in Norwich, Großbritannien, konnten aufdecken, warum Diospyrin anders und sogar gegen multi-drug-resistente Bakterienstämme wirkt. Die Gyrase kommt in Bakterien und Pflanzen vor, nicht aber in Tieren und Menschen und spielt dort eine wichtige Rolle bei der lebensnotwendigen DNA-Replikation. Daher eignet sie sich besonders als Ziel einer antimikrobiellen Therapie. Das Enzym ist eine DNA-Topoisomerase Typ II, die die Raumorientierung von geschlossenen DNA-Molekülen verändert, indem sie ATP-abhängig einen Doppelstrangbruch in der DNA verursacht. Die Gyrase besteht aus zwei Untereinheiten, GyrA and GyrB, die sich zu einem A2B2-Komplex zusammenfügen. Chemisch gesehen unterscheidet man bereits vier Gruppen von Gyrasehemmern: • Chinolone (mit der Untergruppe der Fluorchinolone) • Cinnoline • Naphthyridine • Pyridopyrimidine Die meisten von ihnen hemmen die Gyraseaktivität, indem sie den DNA-Schneide-Komplex stabilisieren. Dabei binden sie an eine Tasche, die aus den Resten von GyrA, GyrB und DNA besteht. Oder sie blockieren die ATPase-Andockstelle des Enzyms. Diospyrin hingegen bindet offenbar an bisher unbekannter Stelle, nämlich an die N-terminale Domäne von GyrB in der Nähe der ATP-Bindungsstelle und agiert dort als allosterischer Hemmer der ATP-Bindungsstelle. So umgeht Diospyrin die bisherigen Resistenzmechanismen des Tuberkuloseerregers. "Die Art und Weise, wie Diospyrin wirkt, hilft uns zu erklären, warum es sowohl gegen Medikamenten-sensitive als auch gegen resistente Stämme des Tuberkuloseerregers wirkt", sagt der Hauptautor der Studie, Professor Tony Maxwell. "Unsere Entdeckung verdeutlicht außerdem den Stellenwert der Ethnobotanik und die Wichtigkeit, die Biodiversität der Erde zu erhalten, um Lösungen für globale Gesundheitsprobleme zu finden", so Maxwell weiter. Der vielversprechende Ansatz muss nun auf seine Wirksamkeit in vivo überprüft werden. Tuberkulose – ein globales Problem Tuberkulose ist eine weit verbreitete bakterielle Infektionskrankheit und belegt bei den tödlichen Infektionskrankheiten nach HIV/AIDS weltweit den zweiten Platz. Im Jahr 2011 zählte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) neun Millionen Neuerkrankungen und 1,4 Millionen tuberkulosebedingte Todesfälle weltweit. Traurige Anführer der Statistik sind Asien und Afrika. Rund ein Drittel der Weltbevölkerung soll mit Tuberkulose-Erregern infiziert sein, aber nur ca. 5 bis 10 % der immunkompetenten infizierten Erwachsenen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine behandlungsbedürftige Tuberkulose. Das Erkrankungsrisiko ist in den ersten beiden Jahren nach der Infektion am höchsten. In den meisten Fällen gelingt es dem Organismus, die Tuberkulosebakterien erfolgreich zu bekämpfen oder sie abzukapseln und damit die Infektion dauerhaft einzugrenzen. Dann spricht man von einer latenten tuberkulösen Infektion. Diese verläuft ohne eine Symptomatik. Die Erkrankung an Tuberkulose manifestiert sich bei etwa 80 % der Erkrankten als Lungentuberkulose, sie kann aber prinzipiell jedes Organ befallen. Dementsprechend vielgestaltig kann sich diese Erkrankung präsentieren. Besonders problematisch ist die Situation im südlich der Sahara gelegenen Afrika, da durch die hohen HIV-Infektionsraten der Tuberkulose-Epidemie besonderer Vorschub geleistet wird. Rund 85 % aller an Tuberkulose Neuerkrankten leben in Afrika, Südostasien und der westlichen Pazifikregion. In Deutschland wurden im Jahr 2011 4.344 neue Tuberkulose-Infektionen registriert. Dabei stellen Faktoren wie Drogenabhängigkeit, Obdachlosigkeit und Armut typische Risikofaktoren für eine Tuberkulose dar. Die Tuberkuloseraten in Deutschland sind darüber hinaus besonders hoch bei Migranten aus Ländern, in denen die Tuberkulose noch sehr häufig vorkommt.