Alternativmedizinische Behandlungsmethoden sind im Kommen. Auch die Homöopathie boomt. Doch kaum eine andere Behandlungsform entzweit die Menschen mehr. Mit dem Thema kann man Partys verderben und Freundschaften aufs Spiel setzen. Wir werfen einen kritischen Blick auf die Homöopathie.
Die Homöopathie ist heutzutage eine der weltweit meistgenutzten Methoden der Alternativmedizin. Laut einer Umfrage aus dem Jahre 2009 hat jeder zweite Deutsche bereits Homöopathika gegen diverse Krankheiten eingenommen und jeder Vierte ist überzeugter Anwender. Zur großen Verbreitung homöopathischer Heilmittel hat vor allem die Unbedenklichkeit dieser Arzneien beigetragen. Das Versprechen der Homoöpathie, dass sich alle denkbaren Leiden sanft, billig und ohne Nebenwirkungen beheben lassen, klingt einfach zu verlockend. Und die Erfahrungsberichte von Freunden und Kollegen, bei denen die Behandlung erstaunliche Erfolge aufzuweisen hat, tun ihr übriges.
Die Homöopathie-Gegner allerdings verweisen auf zahlreiche wissenschaftliche Studien, von denen bis heute keine einzige die Wirksamkeit von Homöopathika sicher belegen konnte. Sie berufen sich auf den gesunden Menschenverstand, von nichts könne auch nichts kommen. Um diesen Konflikt zwischen Anhängern und Gegnern besser zu verstehen, hilft ein Blick in die Vergangenheit.
Ruppige Zeiten
Die klassische Homoöpathie geht auf den deutschen Arzt Samuel Hahnemann zurück, der Ende des 18. Jahrhunderts praktizierte. Damals ging es noch sehr ruppig zu - nahezu sämtliche Krankheiten wurden mit Methoden wie Aderlass, Brech- und Abführkuren oder hohen Dosen giftigen Quecksilbers behandelt, wobei viele Menschen alleine an der Behandlung starben. Hahnemann forschte deswegen nach neuen Heilverfahren. 1796 entwickelte er die Homoöpathie - eine sanfte, beinahe nebenwirkungsfreie Methode im Gegensatz zu den damals üblichen Behandlungen, die somit schnell an Vertrauen gewann und Verbreitung fand. Zu Hahnemanns Patienten zählten damals unter anderem bekannte Persönlichkeiten wie Beethoven und Goethe und auch heute noch gibt es berühmte Anhänger von Hahnemanns Methoden wie beispielsweise das englische Königshaus.
Die Homöopathie basiert auf zwei grundlegenden Prinzipien: dem Ähnlichkeitsprinzip und dem Prinzip der Potenzierung. Ersteres wurde von Hahnemann in einem Selbstversuch mit Chinarinde entdeckt, der oft auch als Geburtsstunde der Homöopathie bezeichnet wird. Dabei nahm der Arzt über mehrere Tage hinweg einen Extrakt der Chinarinde ein, die damals gegen Malaria eingesetzt wurde. In den folgenden Tagen stellte er an sich sämtliche Symptome der Krankheit wie Fieberschübe und Schweißausbrüche fest, ohne den Erreger in seinem Körper zu haben. Nach Absetzen der Chinarinde verschwanden die Symptome wieder. Daraus folgerte Hahnemann, dass die Chinarinde nur deshalb Malariakranke heile, weil sie beim Gesunden ähnliche Symptome erzeugt. So wurde das Ähnlichkeitsprinzip formuliert: "similia similibus curentur". Für Nicht-Lateiner: "Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden". Man kann sich das Prinzip auch ganz einfach klarmachen: Jeder, der schon einmal Zwiebeln geschnitten hat, weiß, dass sich dabei tränende Augen und laufende Nasen nicht vermeiden lassen. Die Homöopathie sagt nun, dass genau deshalb die Zwiebel bei Kranken, die unter Fließschnupfen leiden, eingesetzt werden soll. Krankheiten sollen also durch Mittel geheilt werden, die beim Gesunden ähnliche Symptome hervorrufen.
Geschüttelt, nicht gerührt
Das zweite Prinzip, die Potenzierung, besagt nun noch, dass homöopathische Arzneimittel stark mit Wasser bzw. Alkohol verdünnt oder mit Milchzucker verrieben werden, damit sie ihre Wirksamkeit entfalten. Zum Verdünnen kommt das Schütteln der Substanzen, das sogenannte Potenzieren, dazu, bei dem sich laut Hahnemann etwas von dem "geistigen Wesen" des Arzneimittels auf das Lösungsmittel überträgt, um ihm eine Art "heilsame Schwingung" zu verleihen – und dadurch wirksam zu werden. Das Paradoxe an der Sache: Je höher die Potenz eines Arzneimittels, also je stärker die Lösung verdünnt ist, desto stärker soll ihre Wirkung angeblich sein. So werden heutzutage oft Hochpotenzen verschrieben, bei denen die Verdünnung 1:1020 beträgt. Damit ist dann ungefähr so viel Wirkstoff enthalten, als würde man eine Tablette Aspirin im gesamten Atlantik gleichmäßig auflösen und davon dann einen Teelöffel gegen Kopfschmerzen einnehmen. Rein rechnerisch befände sich somit nunmehr in der Lösung kein einziges Molekül des Wirkstoffs.
Das bestreitet auch kein einziger Homöopath. Die Homöopathen haben eine andere Erklärung dafür, warum ihre Arzneien trotz der großen Verdünnung helfen. Sie glauben, dass das Verdünnen und Schütteln die "energetische Essenz" des Wirkstoffs auf die Wassermoleküle überträgt – nach einem Mechanismus, der allerdings noch unbekannt ist. Selbst wenn der Wirkstoff nicht im Wasser enthalten ist, so ihre These, erinnert sich die Flüssigkeit irgendwie daran. Und wenn man Zuckerkügelchen anschließend mit dem Wasser benetzt, werden die magischen Schwingungen des Wassers auf die Globuli übertragen.
Kleine Kügelchen - großer Gewinn
Trotz der ungesicherten Erkenntnisse hat die Homöopathie viele Anhänger. Wie kann das sein? Neben der Tatsache, dass kaum Nebenwirkungen auftreten - was natürlich mit der Wirkstoffarmut der Arzneimittel zusammenhängen dürfte - sind vor allem die geringen Kosten der Arzneimittel zu nennen. Sie bestehen nicht aus teuren, patentierten Substanzen, sondern hauptsächlich aus Wasser, Zucker oder Alkohol und Spuren von Chemikalien, Pflanzen- oder Tierextrakten. So können die großen Firmen homöopathische Mittel im Vergleich zu herkömmlichen Medikamenten besonders günstig produzieren. Den dennoch recht hohen Preis rechtfertigen sie mit aufwendigen Schüttel- und Verdünnungsapparaturen, aber die Preisgestaltung ist oftmals kaum nachvollziehbar. Der Anteil der Kosten für Homöopathika an den gesamten Arzneimittelkosten ist in Ländern wie Deutschland und den USA relativ niedrig. Laut dem Bundesverband der Arzneimittelhersteller werden jährlich etwa zwei Milliarden Euro weltweit umgesetzt, wobei das Volumen des klassischen Pharmamarktes bei etwa 750 Milliarden Euro liegt. Am Umsatz von Apotheken in Deutschland haben homöopathische Mittel einen Anteil von etwas über einem Prozent. Unter bestimmten Bedingungen werden homoöpathische Behandlungen von den Krankenkassen übernommen. Den Hauptanteil der Kosten übernehmen die Patienten aber ohne Murren ohnehin meistens selbst.
Alles nur Einbildung?
Doch die Homöopathie scheint ja bei manchen Leuten wunderbar zu helfen? Viele wenden die alternativmedizinische Behandlung getreu der Grundsätze "Wer heilt, hat Recht" oder "Es hilft ja auch, wenn man nicht daran glaubt" an. Ist die von vielen Menschen beschriebene Heilkraft etwa nur Einbildung?
Man hat versucht, diese Frage mit zahlreichen placebokontrollierten Doppelblindstudien zu beantworten. Dabei wird einem Teil der Patienten die zu untersuchende homoöpathische Arznei verabreicht und eine Kontrollgruppe schluckt ein Placebo, dass nicht nach den Prinzipien der Homöopathie hergestellt wurde. Doppelblind sind die Studien, weil weder der Arzt noch die Patienten wissen, welche Gruppe das Placebo bekommen hat und welche die Arznei. Auf diese Weise wurde die Wirksamkeit von homoöpathischen Therapien vielfach untersucht. Das Ergebnis der Studien war immer ähnlich: Berücksichtigt man nur diejenigen Studien, die heutigen wissenschaftlichen Qualitätsstandards entsprechen, lässt sich kein Unterschied feststellen. Die klinischen Wirkungen der Homoöpathie beruhen also auf dem Placeo-Effekt.
Kritische Betrachtungen der Homöopathie:
Verhärtete Fronten
Die Anhänger der Homöopathie sehen das natürlich ganz anders. Sie argumentieren, man könne keine klinischen Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit homoöpathischer Arzneitmittel verwenden, weil diese ja gerade auf einer individualisierten Behandlung beruhe. Zwei Patienten mit den gleichen Symptomen bekämen demnach oft unterschiedliche Globuli-Mischungen verschrieben, da es ja auch eine ganze Reihe von Homoöpathika gäbe, die gegen ähnliche Symptome wirken sollten. Doch die Gegner führen an, dass sehr wohl auch solche Untersuchungen zur individualisierten Therapie gemacht wurden und diese ebenfalls nur Placebo-Effekte nachweisen konnten.
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Wer heilt, hat Recht? - Der Nocebo-Effekt
Stellt sich die Frage, ob es letztlich nicht egal ist, dass die Wirkung auf dem Placebo-Effekt beruht. Hauptsache den Patienten geht es besser, oder nicht? Eine kleine Gruppe von Pragmatikern in der Homoöpathie gibt sogar zu, dass ihre Therapien in Wahrheit Psychotherapien sind und nicht auf der unerklärlichen Wirkung energetisierter Wassermoleküle beruhen. So beispielsweise David Reilly, Chef eines Homöopathie-Krankenhauses in Glasgow: "Kritikern, die meinen: Das kommt alles nur wegen der mit dem Patienten verbrachten Zeit und der besonderen therapeutischen Beziehung, kann ich nur sagen: Ihr habt absolut recht – und ist das nicht wundervoll?". Diese Haltung wird auch generell von immer mehr Alternativmedizinern geteilt.
Aber dieser Ansatz birgt zwei nicht zu unterschätzende Risiken: Zum einen, dass einem ernsthaft kranken Patienten ein echtes Medikament vorenthalten wird, das nachgewiesenermaßen besser als ein Placebo wirkt. Die Homöopathie hätte dann indirekt eben doch – im schlimmsten Fall - tödliche Nebenwirkungen. So regen sich beispielsweise auch viele Homoöpathie-Gegner über eine Hilfsorganisation namens "Homöopathen ohne Grenzen" auf, die ähnlich den "Ärzte ohne Grenzen" das Ziel hat, die Gesundheitsversorgung von Menschen in Krisengebieten zu verbessern. Allerdings werden die Helfer dort rein homöopathisch ausgebildet und sollen so auch schwere Krankheiten wie Krebs oder AIDS behandeln, was gehörigen Anlass zur Kritik gibt.
Zum anderen kann in diesem Zusammenhang auch der kleine Bruder des Placebo-Effekts auftreten: der sogenannte Nocebo-Effekt. Dieser negative Placebo-Effekt beruht auch auf einer bestimmten Erwartungshaltung des Patienten. Der Effekt bewirkt in dem Fall, dass beim Patienten objektiv anerkannte, bestens erprobte Arzneien weniger gut wirken, wenn er fest davon überzeugt ist, dass ihm homoöpathische Mittel viel besser helfen. Er lehnt z.B. die schulmedizinischen Medikamente aufgrund der darin enthaltenen "schädlichen Chemie" ab oder misstraut dem Arzt, wodurch die eigentlich wirksame Medizin kaum noch Wirkung zeigt. Wer an die Homöopathie glaubt, ist also - bewusst oder unbewusst - skeptisch gegenüber der wissenschaftlichen Medizin, wodurch die Wirkung von gut bewährten konventionellen Methoden beeinträchtigt werden kann.
Kombination aus Schulmedizin und Homöopathie?
Die Medizinische Fakultät der Universität Marburg erklärte im März 1993 die Homöopathie zur Irrlehre, mit der Begründung: Ihr Wirkprinzip sei Täuschung des Patienten, verstärkt durch die Selbsttäuschung des Behandlers. So gibt es in Deutschland auch bis heute keinen Studiengang, der eine homöopathische Grundlagenausbildung ermöglicht, obwohl dies einige Male angestrebt wurde. Dafür kann man an einigen Einrichtungen zusätzlich zur Facharztausbildung eine sechsmonatige Zusatzweiterbildung zum Homöopathen absolvieren. Es gibt auch einen eingetragenen Verein, in dem man sich als Arzt engagieren kann: den Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte. Manche Experten sehen die zukünftige Lösung des Streits in einer Kombination aus Schulmedizin und alternativmedizinischen Behandlungsmethoden. Sie vertreten die Meinung, dass man den Placebo-Effekt dazu nutzen könnte, die schulmedizinische Therapie zu verstärken und genau das versuchen auch einige Ärzte schon mit Erfolg.
Doch man sollte bei diesen neuartigen Verfahren vorsichtig sein, denn es kann sich daraus schnell eine extremere, risikobehaftete Variante entwickeln: So gibt es zum Beispiel eine rein homöopathisch ausgerichtete Schweizer Klinik, die sehr ungewöhnliche Behandlungsmethoden anwendet. In der Clinica Santa Croce werden schwerkranke Krebspatienten ausschließlich klassisch homöopathisch behandelt. Inwiefern hier noch die Homöopathie zum Wohl des Patienten beiträgt, bleibt stark fragwürdig.