Vitiligo betrifft alle Ethnien und Geschlechter. Die Erkrankung ist nicht bedrohlich, allerdings belasten weiße Flecken viele Patienten psychisch – eine Herausforderung für Dermatologen. Teilweise ziehen sie auch Endokrinologen zu Rate.
Genial, geheimnisvoll, nur nicht gesund: Dem unerwarteten Ableben Michael Jacksons folgte eine Autopsie. Neben der Todesursache selbst, zu hoch dosiertes Propofol, fanden Gerichtsmediziner auch Hinweise, dass der Megastar an Vitiligo litt. In guter Gesellschaft Von der Weißfleckenkrankheit sind laut Ärzten der Vitiligo European Task Force (VETF) etwa 0,1 bis 2,0 Prozent aller Menschen betroffen, mit großen, regionalen Unterschieden. Erste Anzeichen treten bereits vor dem 20. Lebensjahr auf, und zwar an Stellen mit starker Sonnenexposition beziehungsweise Zugbelastung: am Handrücken, an den Füßen, an Gelenken oder im Genitalbereich. Auch die Lippen, die Mundschleimhaut oder die Haare bleiben nicht verschont. Schließlich depigmentieren immer größere Hautbereiche durch den Verlust von Melanozyten der Epidermis. Besonders häufig ist die generalisierte Form – 80 Prozent aller Patienten entwickeln nach und nach großflächige Läsionen. Weitaus seltener beobachten Dermatologen die fokale Form (15 Prozent) mit unsymmetrisch verteilten Flecken sowie die segmentale Form (5,0 Prozent) mit symmetrischen Läsionen. Letztere gilt als vergleichsweise therapieresistent. Abwehrschlacht im Körper Patienten mit der Weißfleckenkrankheit bilden zu wenig Melanin. Dass eine erbliche Komponente vorhanden sein muss, vermuteten Humangenetiker schon lange. In jedem dritten Fall fanden sie eine familiäre Häufung. Viel spricht für autoimmune Vorgänge, wobei der Körper Melanozyten zerstört. Forscher stützen ihre These unter anderem auf genomweite Assoziationsstudien – sieben von zehn nachgewiesenen Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms, SNPs) stehen mit Autoimmunerkrankungen in Verbindung. Auch sind im Blut von Vitiligo-Patienten Antikörper gegen Melanozyten zu finden – ein Hinweis, genauer nachzusehen. Schilddrüse unter Beschuss Vitiligo kann mit weiteren Autoimmunerkrankungen assoziiert sein, wie eine Metaanalyse zeigt. Forscher nahmen 48 Studien, die zwischen 1968 und 2012 publiziert worden sind, unter die Lupe. Erkrankungen der Schilddrüse allgemein (Prävalenz: 15,1 Prozent), Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (14,3 Prozent) sowie spezifische Antikörper (20,8 Prozent) traten bei Vitiligopatienten statistisch signifikant häufiger auf. Im Vergleich zu Studienteilnehmern ohne Pigmentstörung ist das Risiko für autoimmune Schilddrüsenerkrankungen bei Vitiligo doppelt so hoch. Davon ausgehend raten die Autoren, Kollegen sollten systematisch nach Schilddrüsenerkrankungen fahnden – wie in Großbritannien bereits gang und gäbe. Endokrinologen diskutieren, im Zuge von Screenings nach Antikörpern gegen das Schilddrüsenenzym Thyreoperoxidase zu fahnden. Ansonsten treten bei Vitiligo-Patienten weitere Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ I oder kreisrunder Haarausfall gehäuft auf. Starke Kombinationen Doch zurück zur eigentlichen Hauterkrankung: Momentan gibt es britische und europäische Leitlinien. Hier zu Lande erscheint ein entsprechendes Dokument wahrscheinlich im Frühjahr. Auch US-amerikanische Dermatologen befassten sich mit der Evidenz zahlreicher Behandlungsverfahren. "Schmalband-UVB-Licht hat sich zum Goldstandard der Vitiligo-Therapie entwickelt", schreibt Robert M. Bacigalupi vom Tulane University Health Center, New Orleans. Je nach Studie lag die Repigmentierungsquote bei bis zu 75 Prozent. Kollegen verwenden spezielle Lichtquellen, die ein Spektrum von 310 bis 315 Nanometern Wellenlänge emittieren. Das Intensitätsmaximum liegt bei 311 Nanometern. Schmalband-Excimerlaser sind ebenfalls geeignet. Zusätzlich verwenden Dermatologen bei kleineren Läsionen Corticosteroide, entweder kontinuierlich für bis zu drei Monate oder nach einem speziellen Schema sechs Monate lang jeden zweiten Tag. Um systemische Effekte zu vermeiden, sind das Gesicht sowie Bereiche mit vergleichsweise dünner Haut tabu. Für diese Regionen eignen sich topische Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus und Pimecrolimus off label. Sie verbessern auch die Wirksamkeit einer Fototherapie. Heute gehen Molekularbiologen davon aus, dass sowohl Schmalband-UVB als auch Calcineurin-Inhibitoren Melanozyten aus der Unterhaut stimulieren. Ähnliche Effekte zeigen Vitamin-D-Derivate, etwa Calcipotriol, in Kombination mit dem Glucocorticoid Betamethason. Um die Haut vor einer Bestrahlung zu sensibilisieren, haben Kollegen versuchsweise Laserablationen durchgeführt oder 5-Fluoruracil topisch appliziert. Altbekannte PUVA-Behandlungen (Psoralen plus UV-A) schneiden im Vergleich zu Schmalband-UVB deutlich schlechter ab. Melanozyten frisch in die Haut Bei Patienten, die auf entsprechende Behandlungsverfahren nicht ansprechen, bleibt – speziell bei entstellenden Flecken im Gesicht – die Möglichkeit, chirurgisch zu intervenieren und Hautstücke oder Pigmentzellen zu transplantieren. Die Ergebnisse sind teilweise enttäuschend. Bessere Resultate erzielen Kollegen mit der Melanozyten-Keratinozyten-Transplantation. Sie trennen Hautzellen durch partiellen, enzymatischen Abbau voneinander. Bei Betroffenen werden die obersten Hautschichten via Dermabrasion entfernt. Dann kommt die Suspension zum Einsatz. Eine Studie mit 32 Probanden berichtet von kosmetisch gutem Erfolg. Wie die Autoren betonen, lassen sich damit größere Areale im Gesicht, am Bauch sowie an den Händen und Armen behandeln. Gut beraten Neben medizinisch-pharmakologischen Herangehensweisen haben Patienten, die extrem unter depigmentierten Hautarealen leiden, noch andere Möglichkeiten. Camouflage-Techniken beziehungsweise Selbstbräuner helfen, störende Bereiche zu kaschieren. Bei depigmentierten Lippen haben sich auch kosmetische Tätowierungen bewährt. Bleibt als Ultima Ratio, gesunde Hautbereiche mit dem Hydrochinon-Abkömmling Monobenzon zu bleichen. Viele Dermatologen sehen diese Strategie mit gemischten Gefühlen, da auf den Eigenschutz gegen UV-Strahlung nicht ohne Not verzichtet werden sollte. Vitiligo-Patienten haben an betroffenen Arealen ohnehin ein höheres Hautkrebsrisiko. Trotz zahlreicher Ansätze bleibt ein Grundproblem: Ärzte können Vitiligo momentan nicht heilen – und das wird sich in absehbarer Zeit kaum ändern. Forscher versuchen deshalb, Melanozyten zu aktivieren. Im Mausmodell zeigte Piperin aus schwarzem Pfeffer den gewünschten Effekt. Auch ein chemisches Analogon des α-Melanozyten-stimulierenden Hormons, nämlich Melanotan I (Afamelanotid), hat interessante Eigenschaften.