Mehr und mehr PTA-Schulen schließen für immer ihre Türen, und auch bei Hochschulen ist die Lage teilweise angespannt. Nicht jede Landesregierung erkennt das Problem. Jetzt versuchen Inhaber, zu retten, was noch zu retten ist.
Derzeit absolvieren rund 2.000 PTA-Schüler ihre Ausbildung an einer von 16 Lehranstalten in Nordrhein-Westfalen. Das könnte sich schon bald ändern, in Hagen und Minden stehen regionale Lehranstalten finanziell mit dem Rücken zur Wand, ihre Schließung ist unausweichlich. "Die rot-grüne Landesregierung hat sich entschieden, keine Verantwortung mehr für den Ausbildungsberuf PTA zu übernehmen", kritisieren Apothekerkammern und -verbände vor Ort. Bis zu 378 Euro könnten schon bald pro Monat für die Ausbildung zu berappen sein, derzeit liegt der Obolus bei durchschnittlich 200 Euro. "NRW braucht PTA" Ohne pharmazeutisch-technische Assistenten wäre für Apotheken jedoch schnell Schicht im Schacht. Laut Sabine Pfeiffer van Rijswijk, Bundesvorsitzende des BVpta, liefen "etwa 80 Prozent aller Kundenkontakte über diese Berufsgruppe". Das ist auch Apothekern bewusst. Unter dem Motto "NRW braucht PTA" haben Kammern und Verbände eine gemeinsame Kampagne inklusive Online-Petition gestartet. "Wir nehmen die Landesregierung in die Pflicht und fordern die Verlagerung der PTA-Ausbildung an die öffentlichen Berufskollegs, um das Ende des PTA-Ausbildungsberufes in NRW zu verhindern", heißt es von den Initiatoren. Das hört so mancher SPD-Politiker gar nicht gerne. Postwendend kam als Retourkutsche, Apotheker sollten sich gefälligst selbst beteiligen, um PTA-Schulen vor dem Aus zu retten. Neue Sparbüchse Ausbildung Kollegen stößt das sauer auf – schließlich arbeiten PTA nicht nur in öffentlichen Apotheken, sondern auch in pharmazeutischen Unternehmen, in Krankenhausapotheken, Krankenkassen oder in der Verwaltung. Erstaunlich: Diese potenziellen Arbeitgeber wurden noch nicht mit Forderungen nach monetärer Beteiligung konfrontiert. Auch unterstützen Kammern und Verbände in NRW Lehranstalten ohnehin seit Jahren finanziell. "Apotheker wehren sich zu Recht, Schulen noch stärker zu finanzieren", sagt Sabine Pfeiffer van Rijswijk im Gespräch mit DocCheck. Schließlich würde früher oder später ohnehin jede zweite PTA in anderen Branchen arbeiten. "Warum sollen Apotheker dann 100 Prozent der Ausbildungskosten tragen?" Auch befürchtet Pfeiffer bei diesem Finanzierungsmodell zu hohe Einflüsse auf Ausbildungsinhalte. Jetzt sei NRW gefordert, um Fachschulen unter die Arme zu greifen und sicherzustellen, dass alle Bürger flächendeckend und wohnortnah mit Arzneimitteln versorgt werden könnten. Von wegen: "Die Landesregierung schafft medienwirksam die Studiengebühren ab und verschlechtert gleichzeitig still und leise die Rahmenbedingungen für andere, wichtige und zukunftssichere Ausbildungen", kritisieren Sprecher von "NRW braucht PTA". Bleibt alternativ, PTA nur noch an öffentlichen, kostenlosen Berufskollegs auszubilden. Das würde trotzdem nicht alle Probleme lösen, Stichwort Perspektiven. Novellierung überfällig Mit Aufstiegschancen sieht es für PTA düster aus. Zwar gibt es zahlreiche hochwertige Weiterbildungsangebote. Pfeiffer: "Doch die Anerkennung in öffentlichen Apotheken fehlt – und damit meine ich nicht nur mehr Gehalt, sondern vor allem mehr Wertschätzung durch Apothekenleiter." Auch mangelt es an Möglichkeiten, sich über ein Studium zu qualifizieren. Zwar können PTA in manchen Bundesländern auch ohne Abitur an regionalen Zulassungsverfahren der Hochschulen teilnehmen. Viele Aufnahmeprüfungen gelten jedoch als unüberwindliche Hürden. Raus aus der Sackgasse DocCheck sprach mit Ingrid Heberle über Wege aus diesem Dilemma. Sie ist Leiterin der Fachgruppe PTA bei der Apothekengewerkschaft ADEXA. Zusammen mit dem BVpta arbeitet ADEXA schon länger an einer Novellierung. Kernpunkt ist, die Ausbildung auf drei Jahre zu verlängern. Heberle: "Wir schlagen vor, neue Inhalte mit aufzunehmen, etwa Kommunikation. Auch wollen wir das Basiswissen in Anatomie und Physiologie stärken, damit PTA besser verstehen, wie Arzneistoffe im Körper wirken." Arzneimittelkunde und Apothekenpraxis müssten ausgeweitet werden, um PTA noch umfassender auf ihre spätere Tätigkeit vorzubereiten. Alle Änderungen verfolgen ein hehres Ziel: auch in Zukunft Kunden gut zu beraten, sowohl zu rezeptpflichtigen Arzneimitteln als auch zu OTCs. Parallel sollten Schüler laut Heberle an jeder Lehranstalt die Fachhochschulreife erwerben. "Unser Beruf darf nicht mehr in einer Sackgasse enden – Attraktivität bedeutet sowohl mehr Gehalt als auch die Möglichkeit, bestimmte Bereiche selbständig auszufüllen." Pfeiffer ergänzt, auch die Berufsgesetze seien nicht mehr zeitgemäß. "Momentan ist nur zu lesen, PTA arbeiten unter Aufsicht des Apothekers", sagt die BVpta-Vorsitzende. "Wir würden uns jedoch wünschen, Kompetenzen festzuschreiben, wie es bei anderen Gesundheitsberufen längst der Fall ist." Das könnte aber problematisch werden: Gerade erst hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) identische Passagen in der neuen Apothekenbetriebsordnung formuliert. Doch nicht nur PTA-Fachschulen machen Kummer – die nächste Hiobsbotschaft kommt aus der Hochschullandschaft. "Verschleppungstaktik" und "Rechtsbruch"? Jahr für Jahr entscheiden sich mehr junge Menschen für ein Pharmaziestudium. Waren es 2007/2008 noch 11.721, drückten 2010/2011 wieder 12.719 Studierende die Hochschulbank. Trotz des steigenden Bedarfs an Studienplätzen gehen in Leipzig bald die Lichter aus. Das pharmazeutische Institut sei wenig attraktiv, es fehlten Drittmittel und die Forschung leide unter zu wenigen Doktoranden, lauten zentrale Kritikpunkte. Zwar hat die Uni angekündigt, Immatrikulationen zum Wintersemester 2013/2014 zu ermöglichen und Studierende bis zum Abschluss zu begleiten. Ein schwacher Trost: "Wir planen weiterhin, das Institut für Pharmazie perspektivisch zu schließen", sagt Professor Dr. Beate A. Schücking, Rektorin der Universität Leipzig. Man gehe "diesen Weg schweren Herzens", sei jedoch aufgrund von Sparauflagen gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen. Studierende werten das Vorgehen als "Verschleppungstaktik" beziehungsweise als "Rechtsbruch", da ein klares Votum des Sozialministeriums fehle. Christine Clauß (CDU), Sachsens Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, hatte sich im Herbst 2012 explizit gegen eine Schließung ausgesprochen. Auch sei der Plan von Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer (CDU), künftig enger mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zusammenzuarbeiten, nicht wirklich ausgegoren, monieren Pharmaziestudierende. Die Approbationsordnung steckt nur einen groben Rahmen ab, während sich Inhalte, Studienpläne und Prüfungsordnungen durchaus unterscheiden. Bessere Ausbildung, mehr Befugnisse PTA und Apotheker, zwei gänzlich unterschiedliche Berufsbilder? Das sieht Reinhard Rodiger, Basisapotheker und Teilnehmer des Berliner "runden Tischs", anders. PTA seien "als Ersatz für die Vorexaminierten geschaffen worden". Laut Apothekenbetriebsordnung dürfen Vorexaminierte (Apothekerassistenten) den Inhaber für bis zu vier Wochen im Jahr vertreten. Rodiger: "PTA sind künstlich unten gehalten worden, der Beruf wurde für viele perspektivlos." Parallel zum "Wertverfall" der Apotheker habe das Interesse abgenommen. Rodiger hält "eine der Wirklichkeit entsprechende Aufwertung" für zwingend erforderlich, um gutes Personal auszubilden und zu halten. "Das beinhaltet auch eine Vertretungsbefugnis." Reformen der Ausbildung seien dringend erforderlich, inklusive längerer Praxiszeit. Ein FH-Abschluss brächte zwar den Staat wieder stärker ins Boot. "Die Kernfrage ist jedoch, will er überhaupt Apotheken beziehungsweise Personal, das dann sicher auch teurer wird?", gibt Rodiger zu bedenken. Damit wäre das Thema eng mit künftigen Finanzierungsmodellen verbunden.