Hebammen erfüllen wichtige Aufgaben, doch neben geringer Vergütung tragen sie ein enormes Risiko. Viele Geburtshelferinnen geben auf – daran ändert auch die Erhöhung der Vergütungspauschalen wenig. Die Politik ist gefordert, die Weichen zu stellen.
Wenn eine Hebamme einen Fehler bei der Geburt macht, kann es schnell ans Eingemachte gehen. Denn der Fehler ist ganz am Anfang des Lebens passiert. Wie lange ein Mensch, der bei der Geburt einen Schaden erlitten hat, leben wird, ist unkalkulierbar. Und ein unkalkulierbar langes Leben kostet unkalkulierbar viel Geld. Diese Kosten werden bei Hebammen heute bis zu einer Deckungssumme von sechs Millionen Euro von der Haftpflichtversicherung getragen. Dafür zahlen die Geburtshelferinnen im Jahr 4.242 Euro an Prämie. Etwa 500 Euro werden dabei durch die gesetzlichen Krankenkassen gezahlt, den Rest muss die Hebamme selbst bezahlen. Keine Geburten im Geburtshaus Das fällt vielen bei einem Durchschnittsgehalt von 24.000 Euro brutto pro Jahr und einem Stundenlohn von unter zehn Euro nicht gerade leicht. Die bekannte Konsequenz aus den um mehrere hundert Prozent gestiegenen Haftpflichtprämien in den letzten zehn Jahren ist, dass etwa 15 Prozent die geburtshilfliche Tätigkeit aufgegeben haben. Von den in Deutschland tätigen rund 17.700 Mitgliedern des Deutschen Hebammenverbandes e.V. sind nur mehr etwa 2.200 freiberuflichen Hebammen in der Geburtshilfe tätig. Viele versuchen, sich mit Akupunktur, Säuglings-Pflegekursen und dem Verkauf von schwangerschafts- und babyspezifischen Produkten einen Zusatzverdienst zu erarbeiten. "Wie auch bei den Medizinern mit den Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) versuchen die Hebammen ihr Einkommen auf anderen Feldern und mit einem "Bauchladen-Angebot" zu verbessern. Das sehe ich sehr kritisch, denn unsere Kernkompetenz liegt nun einmal in der Betreuung von Schwangeren, jungen Müttern und Familien und in der Geburtshilfe", erklärt Astrid Giesen, 1. Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbandes. Und natürlich verschlechtert sich die Betreuungssituation. In München gibt es einen Mangel an Hebammen, die Wochenbettbetreuung anbieten, in Nürnberg haben drei Geburtshäuser geschlossen, in Rosenheim bietet das Geburtshaus alles außer Geburten an. Damit wird für die Frauen auch die Wahlfreiheit eingeschränkt, wo sie ihr Kind bekommen möchten. Ist das politisch so gewollt? Wenn nicht, müssten die Weichen gestellt werden, um den Hebammen langfristig das Überleben zu sichern und die Geburtshilfe nicht ausschließlich in Krankenhäuser und die Hände von Medizinern zu verlagern, die diese Aufgabe nicht zusätzlich leisten können. Rückwirkend zum 1.1.2013 erhalten Hebammen für die Versorgung von gesetzlich Versicherten bis zu 15 Prozent mehr. Zu wenig, wie der Deutsche Hebammenverband findet, der eine Erhöhung der Vergütung um 30 Prozent gefordert hatte. Begründet wurde diese Forderung mit dem in der IGES-Studie ermittelten Durchschnittsverdienst, einer Studie, die vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben wurde. "Wir sind nun nicht ganz unglücklich mit der Erhöhung um zwölf bis 15 Prozent, aber das bedeutet für einen Hausbesuch von in der Regel einer Stunde etwa 30 Euro. Welcher Freiberufler kann denn davon leben?", fragt Frau Giesen. Verursacherprinzip sollte überarbeitet werden Die Politik kann den Krankenkassen nicht vorschreiben, wie sie zu vergüten haben, doch sie kann die Rahmenbedingungen für die Hebammen maßgeblich beeinflussen. So wie Ärztezentren gefördert werden, um die Ansiedlung von Ärzten im ländlichen Raum zu unterstützen, könnten in solche Konzepte die Hebammen eingebunden werden. Zudem müssten nach Auffassung von Frau Giesen neue Regelungen für die Haftpflichtversicherung gefunden werden. Bei Hebammen, wie bei allen medizinischen Berufen, gilt das Verursacherprinzip: derjenige, der den Schaden verursacht, haftet dafür. "Das ist auch prinzipiell richtig", sagt die Vorsitzende, "damit die Arbeit am Menschen sehr gewissenhaft und mit großer Sorgfalt erfolgt, aber es muss eine Deckelung geben. Ab einer bestimmten Summe müsste ein Härtefallfonds einspringen. Jede Hebamme arbeitet gewissenhaft, aber manchmal passieren Fehler. Dafür darf die verursachende Person aber nicht ein Leben lang mit ihrem privaten Vermögen haften!" QM für die Hebamme mit Köfferchen In zwei Jahren wird es eine weitere Erhöhung der Hebammenvergütung um fünf Prozent geben, wenn bis dahin ein Qualitätsmanagementsystem etabliert ist. Hier versucht der Hebammenverband mit den Krankenkassen eine machbare und angemessene Lösung zu finden, um der Situation von Teamabläufen und Hygienefragen in einem Geburtshaus ebenso gerecht zu werden, wie einer Hebamme, die mit ihrem Köfferchen zu einer Frau nach Hause geht. Eine Lösung, die den Stand der Hebammen stärkt und ihnen langfristig ein ausreichendes und angemessenes Auskommen zu ermöglicht, ist sicherlich nicht leicht zu finden. Doch es liegt in den Händen der Politik, die Weichen zu stellen. Ein wenig resigniert erklärt Frau Giesen: "Nur sehr langsam erkennt die Politik, dass sie hier steuernd eingreifen muss. Ich wünsche mir, dass die Hebammen so lange durchhalten."