Klappern gehört zum Handwerk: In den letzten Jahren haben Gerichte das Wettbewerbsrecht zunehmend liberalisiert. Eine Chance für Kollegen, neue Zielgruppen im Internet zu erschließen. Doch Vorsicht – es gibt nach wie vor etliche Stolperfallen.
Während es Ärzten ursprünglich untersagt war, für ihre Dienstleistungen im engeren Sinne zu werben, brachen vor gut zehn Jahren moderne Zeiten an. Das Bundesverfassungsgericht erklärte Verbote als "mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig". In der Sache ging es zwar um Annoncen eines Tierarztes, das Urteil war jedoch für alle medizinischen Berufe richtungsweisend.
Seit einer Novellierung thematisiert auch die "(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte" im Paragraphen 27 "erlaubte Information und berufswidrige Werbung". Dennoch sollten Kollegen das Heilmittelwerbegesetz, die Berufsordnung und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb im Auge behalten.
Im Web – mit Sicherheit
Die "(Muster-)Berufsordnung" untersagt "anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung". Erlaubt sind jedoch "sachgerechte und angemessene Informationen" wie die eigene Homepage mit Leistungsspektrum, Vorstellung des Teams und Kontaktmöglichkeiten. Ergänzend dazu schätzen User neutral formulierte Gesundheitstipps. Auch Newsletter erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Ein Impressum mit entsprechenden Pflichtangaben darf nicht fehlen. Vorsicht bei der Internetadresse: Vermeintliche Alleinstellungsmerkmale (internist-muenchen.xyz) hatten bereits Abmahnungen zur Folge, mit dem eigenen Namen sind Kollegen hier auf der sicheren Seite. Auch zeigen mehrere Untersuchungen, dass sich Kunden eine Domain sowieso nicht merken. Umso wichtiger ist das Thema Suchmaschinenoptimierung.
Gesucht – gefunden
Heute ist die technische Durchsuchbarkeit an sich durch zahlreiche Redaktionssysteme gewährleistet. Bleibt noch der Content selbst. Alle Texte sollten für Suchmaschinen optimiert werden, sprich wichtige Begriffskombinationen ("Zahnarzt München Marienplatz") mehrfach enthalten. Guter Content darf aber niemals den Eindruck vermitteln, nur bestimmte Keywords zu transportieren. Klicken User gleich auf den nächsten Treffer, ist das Spiel verloren. Dann zur Suchmaschine selbst: Nach wie vor "googeln" viele onlineaffine Patienten, sollten sie beispielsweise einen Facharzt suchen. Programmierer raten deshalb, sich in erster Linie mit dem umstrittenen Branchenprimus zu befassen. Einträge bei Google Maps machen die Praxis auch regional gut auffindbar. Wer für sein Online-Marketing sogar regelmäßig Geld abzweigen kann, sollte einen Versuch mit Google AdWords wagen. Dazu legen Ärzte Keywords fest, die für ihre Homepage relevant sind. Suchen User nach entsprechenden Begriffen, erscheinen Links zur Praxis mehr oder weniger oft rechts neben den Suchergebnissen. Kosten fallen an, sobald Interessierte auf eine dieser Annoncen klicken, wobei sich Budgetobergrenzen einstellen lassen. Auch hier gilt: Besser objektive Begriffe wählen, sonst droht Ärger.
Kommunikation statt Information
Wer neben reinen Informationsangeboten mit Patienten direkt in Kontakt treten will, hat mit Social Media wie Facebook oder Google+ heute ein leichtes Spiel. User besuchen auch gern Arztbewertungsportale wie jameda. Eine Herausforderung: Wer mit kritischen Stimmen professionell umgeht, hat im Netz die besseren Karten. Dennoch gibt es auch hier Grenzen. Bei der interaktiven Kommunikation sollten keine Passagen verwendet werden, die auch nur in die Nähe von Diagnosen kommen oder mit einer Aufklärung vor OPs verwechselt werden könnten. Ansonsten begeben sich Ärzte schnell in haftungsrechtliche Fallen. Zudem sind Gutscheinportale wie "Groupon" in den letzten Monaten von der Justiz kritisch beäugt worden. "Professionelle kosmetische Zahnreinigung in der Zahnarztpraxis – Strahlend weiße Zähne wie die Stars für 19 statt 99 Euro" – gegen solche Angebote ging die Zahnärztekammer Nordrhein vor. Sie monierte nicht das Medium selbst, sondern Verstöße gegen die Gebührenordnung. Wer entsprechende Werte unterbietet, verstößt gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Darin heißt es: "Unlauter handelt insbesondere, wer geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen." Augenlaser-Behandlungen, Bleaching-Angebote oder Schönheits-OPs könnten aufgrund günstiger Preise Begehrlichkeiten wecken, ohne medizinisch notwendig zu sein. Mittlerweile ist ein Urteil des Landgerichts Köln gegen ärztliche Schlussverkaufsaktionen rechtskräftig geworden, weitere Entscheidungen folgen.
Heikler Graubereich
Unter Fachleuten ist allerdings umstritten, wann ein Rabatt noch angemessen ist beziehungsweise in unlauterer Weise die jeweilige Gebührenordnung unterschreitet. Apotheker sind hier bereits früher mit der Justiz aneinandergeraten. Das unschöne Resultat: Bei Rezepten gelten Boni in Form von Rabattmünzen bis zu einem Euro pro Präparat als legitim – unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten. Das Berufsrecht untersagt, gestützt auf Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung, Vorteile jeglicher Art ab dem ersten Cent. Mittlerweile liegen auch Urteile gegen Ärzte vor: Wer beispielsweise über Facebook Lasik-OPs verlost, verstößt gegen das Heilmittelwerbegesetz, urteilten Hamburger Richter. Außerhalb medizinischer Fachkreise dürfe nicht mit Preisausschreiben für Behandlungsverfahren oder Arzneimittel geworben werden. Auch kostenlose Venenchecks oder unentgeltliche Beratungen zu Schönheits-OPs sind tabu. Auf Preisvergleichsportale wie "2te-ZahnarztMeinung" wirkt sich dies jedoch nicht aus, stellten Richter fest.
Babylonisches Sprachgewirr
Fallstricke drohen nicht nur beim Online-Marketing. Begrifflichkeiten rund um Arzt und Praxis bergen ebenfalls Sprengstoff. Legitim sind alle Bezeichnungen laut Weiterbildungsordnung oder laut sonstiger, öffentlich-rechtlicher Vorschriften. Ausländische Bezeichnungen dürfen ebenfalls geführt werden, was anfangs umstritten war. Der Fall: Nach einem postgradualen Studium an der Donau-Universität Krems erhielt ein Kollege den akademischen Grad "Master of Science Implantologie". Er klagte erfolgreich gegen ein Verbot, diesen Titel zu führen. Ansonsten verwenden Kollegen gerne den Begriff "Zentrum" in ihrer Praxisbezeichnung. Gab es deshalb früher häufig Abmahnungen, hat das Bundesverfassungsgericht mittlerweile für Klarheit gesorgt. Das durch Vorinstanzen ausgesprochene Verbot, eine Gemeinschaftspraxis mit Zahnärzten sowie mit einem Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie als "Zentrum für Zahnmedizin" zu bezeichnen, ist vom Tisch.
In der Urteilsbegründung heißt es, Ärzten oder Zahnärzten dürfe "die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung zur Beschreibung seiner beruflichen Tätigkeit nur verboten werden, wenn die Benutzung der Formulierung im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist". Trotzdem können Ärzte nicht jede Praxisgemeinschaft als "Zentrum" führen. Sind Kollegen mehrerer Fachrichtungen tätig, ist der Begriff gerechtfertigt. Die Größe selbst spielt entgegen früherer Rechtsprechung keine Rolle mehr.