Mitte 2012 erblickte die Novelle zur Apothekenbetriebsordnung das Licht der pharmazeutischen Welt. Viele Punkte blieben unklar. Pharmazieräte versuchen zusammen mit einer Länder-Arbeitsgruppe, Licht ins Dunkel zu bringen.
Barrierefreier Zugang oder Umbauten in der Offizin: Die neue Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) treibt Inhabern Schweißperlen auf die Stirn. Um den Wert ihres Lebenswerks zu erhalten, sind nicht immer teure Baumaßnahmen erforderlich. Vielmehr sollten mögliche Schwachstellen bereits rechtzeitig mit der Aufsichtsbehörde geklärt werden. "Stärkung des Apothekerberufes" Amtsapotheker und Pharmazieräte verabschiedeten bereits eine Resolution, um strittige Punkte zu klären. Wir sprachen dazu mit Pharmazierat Christian Bauer, Burglengenfeld. Sein Resümee: "Die ApBetrO ist absolut zu begrüßen und geht eindeutig in die richtige Richtung – zu mehr akademischem Heilberuf." Sie sei verbunden mit einer "Stärkung der öffentlichen Apotheke und des Apothekerberufes". Die Länder-Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB) befasste sich ebenfalls mit strittigen Fragen. In diesem Gremium tauschen sich Referatsleiter der 16 obersten Gesundheitsbehörden aus. Ihr Ziel: länderübergreifend Fragen klären, sprich die neue ApBetrO einheitlich umsetzen. Jetzt liegt eine umfangreiche Liste mit Fragen und Antworten vor. Auch AATB-Vertreter bekennen sich zu pharmazeutischen Kernkompetenzen. Kein Gemischtwarenladen Bauer: "Wir werden nur als Heilberuf überleben, den 'Kaufmann Apotheker' braucht die Gesellschaft nicht und wird ihn auch nicht (mehr) bezahlen." Deshalb seien Punkte wie die Einschränkung apothekenüblicher Waren und deren Anteil am Gesamteindruck so wichtig. Künstliche Fingernägel oder Kosmetika zu rein dekorativen Zwecken gehören der Vergangenheit an, sie fallen nicht unter "Mittel und Gegenstände zur Körperpflege" im Sinne der ApBetrO. Ganz klar: "Unsere Existenzberechtigung ist § 1 ApoG – die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung", so Bauer. Dennoch formuliert die AATB ein kleines Hintertürchen: Sollten kosmetische Dienstleistungen im Einzelfall tatsächlich engen Bezug zur Gesundheit haben, etwa bei Patienten mit Hauterkrankungen, können Apotheken weiter aktiv werden. Pharmazie statt Preiskampf Für Bauer ist das Ziel klar: "Der Apotheker soll sich mit Pharmazie, zum Beispiel Medikationsmanagement, befassen – und nicht als Akademiker mit Talern, Flyern, Preiskampf und Rabattsystemen." In diesem Kontext sind Aufsichtsbehörden diverse Ladenbaukonzepte schon lange ein Dorn im Auge: Wie im Lebensmittelhandel sollen Apothekenkunden auf verschlungenen Pfaden durch die Freiwahl gelotst werden. Hier hindert eine Schütte am Vorankommen, da ist ein Aufsteller im Weg, dort bremsen Teppiche schnelle Schritte. Mit der neuen ApBetrO weht ein anderer Wind: Künftig muss der HV-Tisch sofort beim Betreten der Apotheke erkennbar und vor allem direkt erreichbar sein. Behörden argumentieren mit der ApBetrO, § 4: Die Offizin ist so zu gestalten, dass ein "Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags nicht beeinträchtigt wird". Kollegen diskutieren entsprechende Vorgaben kontrovers: Einerseits schärft sich das Profil öffentlicher Apotheken. Andererseits müssen sich Inhaber, die kein Ärztehaus in ihrer Nachbarschaft haben, anderweitig über Wasser halten – aber wie? Bei Rx- und OTC-Präparaten wird der Zeitaufwand pro Abgabe auch nicht geringer. Beratungspflicht für alle In § 20 ApBetrO legt der Gesetzgeber nämlich eine "Verpflichtung zur Information und Beratung über Arzneimittel". Für alle? Nein, nicht für alle! Während Kollegen in der Offizin entsprechende Informationen bereitstellen müssen, reicht es bei Versandapotheken laut Bundesministerium für Gesundheit aus, dass Kunden eine Telefonnummer angeben, unter der sie gegebenenfalls zu erreichen sind. Wie sich dieser Widerspruch in der Praxis lösen lässt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls unterscheidet § 20 nicht zwischen Apotheken mit beziehungsweise ohne Versandhandelserlaubnis. Ulrike Flach (FDP), parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, verweist lapidar auf Besonderheiten von Versandapotheken, denen ihr Haus Rechnung trage. Sie hält in diesem Kontext auch standardisierte, schriftliche Informationen als Beratung für denkbar. Mitten drin statt außen vor Ein viel größeres Problem: Künftig soll die Offizin "barrierefrei erreichbar sein", heißt es in der ApBetrO, § 4. Ohne entsprechende Maßnahmen gibt es laut AATB in der Regel keine neue Betriebserlaubnis mehr. "Bestehende Apotheken sollten daran denken, dass unsere Klientel immer älter wird und er Rollator bald bestimmendes Element in der Offizin sein wird", ergänzt Bauer. Kunden, die steile Stufen nicht bewältigen, suchen sich unweigerlich eine andere, besser zugängliche Apotheke. Mit gutem Willen allein ist es für Apothekenleiter nicht getan, häufig machen Denkmalschutzbehörden Ärger. Bauer: "Hier wird sicherlich viel Fingerspitzengefühl gebraucht. Es wird immer auf eine Einzelfallentscheidung hinauslaufen." Die AATB verweist auf kreative Lösungen, etwa mobile Rampen, die abends von Angestellten selbst zu entfernen sind – Kosten und Arbeitsaufwand inklusive. Organisatorische Maßnahmen wie eine Klingel, um das Apothekenteam zu verständigen, seien laut AATB lediglich im Einzelfall nach Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde denkbar. In der Offizin selbst stellen sich noch weitere bauliche Fragen. Geheimnisse am HV-Tisch Mit der neuen Apothekenbetriebsordnung wird Vertraulichkeit bei der Beratung zum großen Thema. "Für mich eine Selbstverständlichkeit", sagt Christian Bauer. "Wir arbeiten mit intimen Kenntnissen, die Vertraulichkeit voraussetzen." Dazu muss die Offizin nicht gleich von Grund auf umgestaltet werden. "Ein Mindestabstand von Kunde zu Kunde von zwei Metern ist in fast allen Apotheken möglich – durch Verschieben der HV-Tische, Aufsteller, Gondeln oder durch Linien am Boden." Kreativität zählt. "Und es geht nicht nur um die Erfüllung einer Vorschrift. Vertraulichkeit zahlt sich aus – im Umsatz", ist sich Bauer sicher. Sollten Kollegen eine neue Betriebserlaubnis beantragen, werden Pharmazieräte und Amtsapotheker jedenfalls genau hinsehen – und im Zweifelsfall ihr Veto einlegen: ein Thema, das beim Verkauf bestehender Apotheken ebenfalls unter Aspekten der Werterhaltung relevant ist.