Der Markt für Gesundheitsprogramme auf dem Smartphone boomt. Nicht immer halten die Programme aber auch das, was sie versprechen. Initiativen, die Sicherheit und Qualität überprüfen, stehen erst am Anfang.
Wer ein Smartphone besitzt, wird heftig umworben. Die Verbindung ins Netz erlaubt es, sich ohne großen Aufwand ein kleines Programm herunterzuladen. Es versorgt den medizininteressierten Laien mit Wissen oder verhilft ihm zu einem Mini-Gesundheits-Check. Oft nur für wenige Euro oder gar kostenlos messen und dokumentieren Apps den Blutdruck, die Sehschärfe, oder erinnern einfach nur an die Verhütung. Auf rund 200 Mio. wird die Anzahl der Gesundheits-Programme auf iPhone, iPad oder der Konkurrenz von Samsung & Co. geschätzt. Nicht alle elektronischen Hilfen für ein gesundes Leben sind aber genauso zuverlässig wie die leibhaftige Arzthelferin mit den entsprechenden Geräten in der Praxis. Kritische Überprüfungen von Schein oder Sein bei Medizin-Apps sind bisher noch rar und entsprechend gibt es unter ihnen auch etliche schwarze Schafe. Einen Beleg dafür, dass gesundes Misstrauen nichts mit Rückständigkeit zu tun hat, lieferte vor kurzem ein Artikel in JAMA Dermatology von Laura Ferris und ihren Kollegen von der University of Pittsburgh. Sie untersuchten die Möglichkeit, mit einer geeigneten App harmlose Nävi von gefährlichen Melanomen zu unterscheiden. Nur zwei von drei Melanomen erkannt Die Software braucht dazu ein Bild der entsprechenden Hautregion. Die Forscher speisten in ihrem Test 188 Bilder von histologisch charakterisierten Läsionen in die vier Apps ein. Ein Drittel davon waren Melanome, der Rest bestand aus benignen Lentigines, seborrhoischen Keratosen oder Hämangiomen. Zwei Programme stuften dabei rund 30 Prozent der Melanome als gutartig ein, ein weiteres Programm missdeutete sogar mehr als 90 Prozent der bösartigen Veränderungen. Auf eine Sensitivität von mehr als 98 Prozent kam lediglich das Programm, das die Bilder an ein Labor weiterleitete. Innerhalb von 24 Stunden erhielt der Nutzer dann von einem Dermatologen die zumeist korrekte Diagnose per Mail oder SMS. Auch in der Spezifität gab es bei den Programmen große Unterschiede: Sie reichte von 30 bis 94 Prozent. Normalerweise sollte so etwas bei Programmen und Geräten in der Medizinwelt nicht passieren. Denn in Deutschland sorgt das Medizinproduktegesetz dafür, dass unsichere Geräte und deren Anwendungen nicht in der Klinik verwendet werden. "Ab wann fällt eigentlich eine App-Anwendung unter das Medizinproduktegesetz?" - mit dieser Frage beschäftigt sich nicht nur Oliver Pramann, Rechtsanwalt für Medizinrecht und IT aus Hannover, der am Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik in Hannover an der Evaluierung solcher Software mitarbeitet. Viele Hersteller sichern sich mit einer Beschreibung im kleingedruckten Text ab: "Die App kann den Arztbesuch nicht ersetzen". Patienten, die sich in falscher Sicherheit wiegen, schauen im Ernstfall auch vor Gericht in die Röhre. Siegel für vollständige Herstellerangaben Immerhin, seit einiger Zeit gibt es Initiativen, die mit unterschiedlichen Ansätzen versuchen, Qualität bei Gesundheits-Apps auch für den Nutzer sichtbar zu machen. Eine davon ist der "HealthOn-App-Ehrenkodex". Die Apothekerin Ursula Kramer, Gründerin der Initiative "Präventionspartner" hat ihn zusammen mit der Apollon Hochschule in Bremen entwickelt. Er beruht auf einer Selbstverpflichtung der Hersteller, bestimmte Regeln und ethische Prinzipien einzuhalten. Dazu gehören etwa die fachliche Qualifikation der Autoren, korrektes Impressum und Kontaktmöglichkeit sowie Informationen zu Werbung und Finanzierung. Wie beim HON-Code für zuverlässige Gesundheits-Websites im Netz, erhält die App nach der Begutachtung ein entsprechendes Siegel. Auch das Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen (ZTG) bemüht sich um eine Qualitätskontrolle von Gesundheits-Apps. Vorerst läuft der "App-Check", der seine Ergebnisse auch im Netz veröffentlicht, in der Pilotphase. Das ZTG überprüft dabei nicht nur die Angaben der Hersteller, sondern schaut auch auf Funktion und technische Aspekte: ist das Programm leicht zu verwenden, bietet es einen echten Mehrwert und sind die aufgenommenen Daten sicher? Datenschutz: mangelhaft Besonders beim Datenschutz gibt es entsprechend eines Tests des Peter L. Reichertz Instituts noch großen Nachholbedarf. Die Ingenieure untersuchten nach dem Zufallsprinzip acht Applikationen für iOS und Android-Handys. Nur drei erreichten befriedigende Ergebnisse. Alle anderen fragten entweder nicht notwendige persönliche Informationen ab oder übermittelten beispielsweise die Gerätenummer an den Server. Ebenfalls drei Programme schickten die Daten ohne oder nur mit schwacher Verschlüsselung über das Netz. Zum Teil wurden Informationen auch ohne Wissen des Anwenders an die Zentrale weitergeleitet. Eine vollständige Datenschutzerklärung zu Speicherung und Weiterverwendung der aufgenommenen Daten vermissten die Prüfer in zwei Fällen.
Für das Arzt-Smartphone: Klinik-App-Store Nicht nur Patienten greifen bei Gesundheitsfragen immer mehr zu ihrem Smartphone oder Pad. Auch Ärzte nutzen die schnelle Zugriffsmöglichkeit auf digitales Wissen. Eine DocCheck-Untersuchung ergab, dass rund drei Viertel aller Mediziner mobile Hardware im Kittel tragen, fast 60 Prozent nutzen entsprechende Programme. Eine Herausforderung ist dabei die Einbindung in das Informationsnetzwerk der Klinik. Beispielsweise stellen Dienstleister App-Stores für medizinische Einrichtungen bereit. Sie sorgen auch dafür, dass die Programme immer auf dem aktuellsten (Sicherheits-)Stand sind und gewähren abgestufte Zugriffsrechte. In die elektronische Krankenakte kann beispielsweise der Arzt schreiben, das Pflegepersonal aber kann sie nur lesen. Es soll eine geniale Verbindung werden und gilt als einer der profitabelsten Märkte der Zukunft: Die Verbindung von IT und Gesundheit. Mangels Regulierung herrscht aber auf diesem Markt noch großer Wildwuchs. Die meisten Anbieter scheuen noch vor einer Zertifizierung zurück, die Mehrzahl der Apps entgeht der Überprüfung als Medizinprodukt. Vielleicht auch deshalb, weil die kleinen Progrämmchen noch allzu oft kostenlos sind. Die Sammlung von Daten könnte aber für den Hersteller profitabel sein. Beim Test der Melanom-Apps an der Pittsburgh University war der Testsieger vergleichsweise teuer. Die Beurteilung einer Hautläsion kostet den Anwender rund fünf Dollar. Bei 20-30 Hautflecken kommen auf diese Weise schnell einmal über 100 Dollar zusammen.