Was tun, wenn man an Numerus clausus oder Medizinertest scheitert und keine 6 Jahre warten möchte? Man kann sein Glück im Ausland versuchen. Doch wie einfach ist so ein Studienplatz tatsächlich zu ergattern, wo bieten sich konkrete Alternativen und welche Hürden gilt es zu überwinden?
Medizinstudienplätze sind schon seit jeher hart umkämpft. Für das Wintersemester 2012/2013 haben sich laut der Stiftung für Hochschulzulassung in Deutschland 42.726 Anwärter auf 8.989 Medizinstudienplätze beworben. Dies bedeutet, dass sich im letzten Wintersemester mehr als 4,75 Bewerber auf einen Studienplatz in der Humanmedizin beworben haben. Ist der Notendurchschnitt aber zu schlecht und auch der Medizinertest hat die Chancen auf Erfolg nicht verbessert, ist das trotzdem noch lange kein Grund, seinen Berufswunsch zu begraben. In einigen Ländern spielt die Abiturnote keine oder nur eine geringe Rolle bei der Studienplatzvergabe. Viele Universitäten wählen ihre Studierenden über Eignungsfeststellungsprüfungen aus, andere legen Bewerberquoten fest, wieder andere interessiert vor allem Eure persönliche Motivation. Wir haben für Euch die Möglichkeit eines Medizinstudiums im Ausland näher unter die Lupe genommen. Österreich – auf Mozarts Spuren Österreichische Universitäten stehen auf der Beliebtheitsskala für Deutsche ganz oben. "Es gibt hier eben keinen NC und keine Sprachprobleme", erzählt Leo Gmelch, der im achten Semester an der MedUni Wien studiert. "Man muss sich zwar erst an den Österreichischen 'Schmäh' gewöhnen, aber dann ist es wirklich eine sehr schöne Stadt zum Studieren." Viele von Euch denken bestimmt sofort an die berühmten Kulturwahrzeichen Wiens, wie den Prater oder Schloss Schönbrunn. Leben lässt es sich hier auf jeden Fall, aber wie sieht es mit den Chancen auf einen Medizinstudienplatz aus? Zu den staatlichen Universitäten, die Humanmedizin anbieten, zählen die Medizinische Universität Innsbruck, die Medizinische Universität Wien und die Medizinische Universität Graz. In Salzburg befindet sich zudem die Paracelsus Medizinische Privatuniversität mit nur 50 Studienplätzen pro Jahrgang. Vorteil: Eine sehr gute, intensive medizinische Ausbildung. Hier kostet das Studium aber dann auch happige 10.500 Euro pro Jahr, zahlbar im Voraus. An den anderen Unis fallen aber außer einem Semesterbeitrag keine zusätzlichen Gebühren an, denn die Studiengebühren sind in Österreich 2009 abgeschafft worden. Großer Andrang auf begehrte Plätze Aufgrund der Sprache kommen die meisten EU-Bewerber für Österreich aus Deutschland. Beispiel Graz: Alexander Jäkel, Referent vom Auslandsdienst der Bundesärztekammer, erklärt: "Auf die 360 Plätze kamen im Studienjahr 2011/2012 insgesamt 2.903 Bewerber, davon waren 900 Bewerbungen allein aus Deutschland". Wegen des großen Andrangs von deutschen Medizinstudenten ist in Österreich eine Quotenregel eingeführt worden: 75 Prozent der Studienplätze in Humanmedizin gehen an Österreicher, 20 Prozent an EU-Bürger, fünf Prozent an Nicht-EU-Bürger. In Wien, Innsbruck und Graz müssen Studienplatzbewerber außerdem eine Art Eignungstest für das Medizinstudium, ähnlich dem Medizinertest in Deutschland, absolvieren. Der ehemalige EMS-Test wurde dieses Jahr erneuert und nennt sich jetzt "MedAT-H bzw. MedAT-Z". Bei Bewerbern für das Wintersemester 2013 werden kognitive Fähigkeiten und studienrelevantes Wissen abgefragt. In Salzburg wiederum entscheidet ein dreistufiges Bewerbungsverfahren über die Vergabe der Studienplätze, das unter anderem die Motivation und soziales Engagement der Bewerber berücksichtigt. Dr. med. im Turbogang So einfach scheint also ein Platz in der Alpenrepublik nicht zu ergattern sein. Dennoch ist es in jedem Fall einen Versuch wert, meint auch Leo. "Der klare Vorteil liegt darin, dass man auch mit einer mittelmäßigen Abiturnote Chancen hat. Der Aufnahmetest in Wien setzt beispielsweise auf naturwissenschaftliches Verständnis und Grundwissen in Biologie, Physik, Mathematik und Psychologie. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass in Österreich jeder Medizinstudent eine Diplomarbeit schreiben muss und das Studium dann automatisch mit dem akademischen Grad 'Dr. med. univ.' abschließt." Selbstdisziplin notwendig Auf die Frage, was ihn an seinem Studium nicht so gefällt, antwortet Leo: "Die Entfernung zu Familie und Freunden ist am Anfang etwas schwierig, bis man neue Freunde gefunden hat, aber durch die wirklich günstigen Telefontarife und das Internet ist das nicht wirklich ein Problem. An der MedUni Wien gibt es nur eine schriftliche Prüfung pro Jahr, die den kompletten Stoff des Jahres abdeckt. Mündliche Prüfungen gibt es eigentlich nur in Pharmakologie. Durch diese Art der Überprüfung kommt man ohne starkes Eigenengagement nicht zum nachhaltigen Lernen." Eine gute Portion an Selbstdisziplin zum eigenständigen Lernen kann also wohl auch nicht schaden. Doch abgesehen davon kann Leo den Umzug nach Österreich nur empfehlen: "Ich habe das Studium bereits einigen Freunden empfohlen, die inzwischen auch hier leben, und werde das auch weiterhin tun." Schweiz – Schoggi, Chäs und Medizin In deutscher Sprache kann man Humanmedizin auch in der Schweiz an den Universitäten Basel, Bern und Zürich studieren. Auch hier muss jeder Bewerber den Eignungstest (EMS) für das Medizinstudium ablegen. Da aber bereits einheimische Studierende die medizinischen Fakultäten überrennen, gibt es in der Schweiz noch strengere Auflagen für Bewerber aus dem Ausland als in Österreich. Studienplätze gibt es nur für Bewerber, die zum Beispiel einen Wohnsitz oder nahe Verwandte in der Schweiz haben. Andreas Horn ist einer der wenigen, die es geschafft haben, in der Schweiz einen Platz an der Uni Bern zu ergattern. Auf die Frage, warum er gerade hier Medizin studieren wollte, meint er: "Ich habe viele Verbindungen zur Schweiz. Mein Vater wohnt in Bern, ich habe eine große Verwandtschaft da und in Deutschland hätte ich mit meinem Abiturschnitt von 2,3 nirgends einen Platz ohne Wartezeit bekommen. Außerdem mag ich die Schweiz - vor allem den berühmten Schweizer 'Chäs' und die 'Schoggi'." Numerus Clausus zählt – die Maturanote nicht Anders als in Deutschland zählt in der Schweiz der Durchschnitt der Matura (Abitur) nicht. Für die Zulassung zum Studium besteht trotzdem ein "Numerus clausus": Ist die Zahl der Anmeldungen größer als die der freien Studienplätze, wird ein Eignungstest durchgeführt, welcher nicht den Wissensstand, sondern die "Studierfähigkeit" klären soll. Nach der Prüfung wird eine Rangliste erstellt und die Medizinstudienplätze nach der Reihenfolge vergeben. Je besser man also in der Prüfung ist, desto eher bekommt man einen der begehrten Plätze in Medizin. Andreas hat den EMS sehr gut bestanden und sich so den Studienplatz gesichert. "Mit intensiver Vorbereitung kann man den Test gut schaffen", sagt er. Seit 2009 ist das Studium in Bern unterteilt in einen Bachelorstudiengang (Jahre 1 bis 3) und einen Masterstudiengang (Jahre 4 bis 6). Die Vorteile sieht Andreas im Konzept: "Das Studium ist sehr problemorientiert und praxisnah aufgebaut. Viel Studienzeit findet in Kleingruppen oder am Krankenbett statt." Als Nachteil empfindet er, dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz doch recht teuer für Studenten sind. Die Studiengebühren belaufen sich auf 784 Franken (635 €) pro Semester, zusätzlich einer einmaligen Anmeldegebühr von 100 Franken (80 €) und je nach Semester noch einmal 1.500-2.000 Franken für Prüfungsgebühren, Arbeitskleidung, Bücher, Computer und Unterrichtsmaterialen. Dennoch kann man sagen, dass man sich auf jeden Fall für ein Medizinstudium in der Schweiz bewerben sollte, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Ungarn – Anatomie büffeln bei Gulasch mit Paprika Sehr beliebt und seit Jahren Ziel für Medizinstudenten aus ganz Deutschland sind außerdem die Universitäten in Ungarn. Drei von ihnen bieten das Studium der Humanmedizin an: die berühmte Semmelweis-Universität in Budapest, die Szent-Györgyi-Uni in Szeged und die University of Pecs. Ein Grund für die Beliebtheit ist, dass auch hier die Sprachbarrieren umgangen werden: In Budapest kann man das gesamte Studium, in Szeged und Pécs zumindest die Vorklinik, auf Deutsch absolvieren. Es werden aber auch Studiengänge in englischer Sprache angeboten, in Debrecen zum Beispiel. Der Haken ist allerdings, dass man ab dem dritten Studienjahr (in der Klinik) ungarische Sprachkenntnisse für den Umgang mit Patienten bei Praktika und Famulaturen nachweisen und dafür extra einen Sprachtest absolvieren muss. Beschäftigt man sich gerne mit Sprachen und anderen Kulturen, sollte die Prüfung kein Problem darstellen. Für alle, die nicht so sprachenbegeistert sind und lieber wieder in die Heimat zurückkehren wollen, gibt es aber noch eine weitere Alternative. Die Semmelweis-Universität in Budapest eröffnete 2008 eine Dependance in Hamburg, die Asklepios Medical School, um deutschen Medizinstudenten die Fortsetzung des in Ungarn begonnenen Studiums im klinischen Studienabschnitt in Deutschland zu ermöglichen. Über die Zulassung zum Studium in Ungarn entscheidet in den meisten Fällen eine Kommission der jeweiligen Universität. Sie prüft die Abiturdurchschnittsnote, Kenntnisse in naturwissenschaftlichen Fächern, praktische Erfahrungen im Gesundheitswesen und die spezielle Motivation der Bewerber. Jeder erhält somit eine individuelle Bewertung und persönliche Chance. In Budapest beispielsweise erfolgt die Bewerbung ausschließlich online. Die Chance auf einen Platz an der Semmelweis-Universität ist allerdings nicht sehr hoch: 1.200 Bewerber streiten sich um 150 Studienplätze. Auswahlkriterien sind hier unter anderem Berufserfahrung im Gesundheitswesen, gute Noten in naturwissenschaftlichen Leistungskursen und eine Abiturnote von mindestens 2,5. Papi zahlt's Hartnäckig hält sich auch das Klischee, dass vor allem weniger gute Abiturienten mit reichen Eltern nach Ungarn gehen. Sieht man sich die Studiengebühren an, versteht man auch warum. Bis zu 11.000 € müssen Studierende jedes Jahr bezahlen, am Ende ihrer Karriere haben die Mediziner bis zu 80.000 € hingeblättert. Das Gute daran: Die Studiengänge sind nicht so überlaufen, der Unterricht findet oft in kleinen Gruppen statt und die Professoren können sich für ihre Studierenden mehr Zeit nehmen. Außerdem sind die Lebenshaltungskosten deutlich günstiger als in Deutschland. Für das Nationalgericht Gulasch mit Paprika zahlt man beispielsweise gerade einmal zwischen 2-3 €. Gen Osten? - Tschechien, Slowakei und Rumänien Weitere Möglichkeiten im Ausland zu studieren bieten osteuropäische Länder wie Tschechien, die Slowakei und Rumänien. In unserem Nachbarland Tschechien beispielsweise kann man an drei Universitäten Medizin in englischer oder tschechischer Sprache studieren. Außerdem ermöglicht die Karlsuniversität eine Kooperation mit einem deutschen Klinikum. Deutschsprachige Studenten haben die Möglichkeit ihre Ausbildung in den klinischen Fächern, ab dem 4. Studienjahr und wahlweise in deutsche Sprache, schwerpunktmäßig am Klinikum Chemnitz zu absolvieren. Der Studiengang wird mit dem Master abgeschlossen. Diese traumvollen Studienbedingungen bezahlen NC-Flüchtlinge aber mit horrenden Studienbeiträgen. Die Kosten für das Medizinstudium in Tschechien belaufen sich auf ca. 13.000 € pro Jahr! Da sind auch die günstigen Lebenshaltungskosten in den osteuropäischen Ländern nur ein kleines Trostpflaster. In der Slowakei wird Medizin an der Pavol Josef Safarik University in Kosice angeboten. Für die Bewerbung gibt es ein Onlineformular und man muss einen Zugangstest in Chemie und Biologie bestehen. Die Universität veröffentlicht aber sonst nur wenige Informationen über den Studiengang. Auch hier wird der Geldbeutel der Studierenden stark beansprucht, wie man hier erfährt. Zudem bietet die Gregori T. Popa Universität im rumänischen Iasi einen Medizinstudiengang für ausländische Studierende in englischer Sprache an. Informationen dazu findet man hier. Im Westen nichts Neues? Wen es nicht nach Osten zieht, für den bieten weitere westeuropäische Länder die Möglichkeit zum Medizinstudium. Heiße Anwärter der letzten Jahre sind hier zum Beispiel England oder Belgien. In England entscheidet jede Uni selbst über die Zulassungskriterien. Hier ist der Andrang von Bewerbern aber auch sehr viel höher als die Zahl der angebotenen Studienplätze. Neben der Abiturnote können Praktika oder ein Zivildienst im Krankenhaus eine Rolle spielen. Oxford, Cambridge und das University College London führen zudem einen Aufnahmetest, den BMAT, durch. An Studiengebühren dürfen die Hochschulen bis maximal 9.000 Pfund (rund 10.900 €) pro Jahr verlangen. Weitere Informationen zum Medizinstudium in England findet Ihr hier. In Belgien bieten fünf Hochschulen Humanmedizin an, die Studiensprache ist Französisch oder Niederländisch. Ein Zulassungstest in Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und Psychologie entscheidet über den Zugang. Der Test kann beliebig oft wiederholt werden, die Durchfallquote bei diesem ist jedoch sehr hoch. Ebenso wie für die belgischen Kommilitonen fallen Gebühren von etwa 500 bis 800 € pro Studienjahr an. Rückkehr nach Deutschland? Bleibt noch die Frage zu klären, wie einfach es ist, nach einem begonnenen Auslandsstudium wieder nach Deutschland zurückzukehren. Viele setzen darauf, das Medizinstudium wieder in ihrem Heimatland abzuschließen. Das gelingt jedoch nicht immer. Ramin Parsa-Parsi, der Leiter des Auslandsdienstes bei der Bundesärztekammer in Berlin erklärt: "Es ist die Entscheidung der deutschen Hochschule, wen sie nimmt". Er empfiehlt, schon vor der Aufnahme des Studiums im Ausland einen eventuellen späteren Wechsel mit den deutschen Universitäten abzuklären. "Erkundigen Sie sich, welche Scheine gebraucht werden und was die Universität erwartet." Auch Leo Gmelch bestätigt, dass eine Rückkehr nicht gerade einfach ist: "Bei einem kompletten Wechsel nach Deutschland verliert man normalerweise mindestens ein Jahr, da sich die ausländischen Studienpläne oft stark von denen in Deutschland unterscheiden." Wer sein Studium allerdings komplett in EU-Ländern abschließt, hat es deutlich leichter. "Die medizinische Ausbildung wird automatisch anerkannt", sagt Ramin Parsa-Parsi. "Die Inhalte der Ausbildung sind geregelt, da gibt es wenig Bedenken." Wer beispielsweise in Ungarn weiterstudiert, erhält automatisch die dortige Approbation. Der Rückweg nach Deutschland führt dann über das Landesprüfungsamt des Bundeslandes, in dem frisch gebackene Mediziner mit Auslandsabschluss ihren Hauptwohnsitz haben wollen oder in dem der Arbeitgeber sitzt. Auch Leo überlegt nach Abschluss seines Studiums wieder nach Deutschland zurückzukehren. Das liegt allerdings nicht daran, dass es ihm in Österreich nicht gefällt, sondern an der dortigen Situation für junge Ärzte. "Bevor man das sogenannte "Jus practicandi" erhält und daran seine Facharztausbildung in Österreich anschließen kann, muss man in der Regel mindestens drei Jahre in verschiedenen Krankenhausabteilungen arbeiten, dem sogenannten "Turnus". Die Aufgaben sind dabei auf einfache Stationsarbeit und teilweise auch Pflegearbeit beschränkt, die Bezahlung liegt aber meist deutlich unter dem Gehalt eines Krankenpflegers. Inzwischen wollen auch viele meiner österreichischen Kollegen das Land verlassen, wenn sich an dieser Situation nicht bald etwas ändert. In Deutschland dagegen könnte ich gleich mit der Ausbildung zum Facharzt beginnen, was zwar auch in Österreich möglich wäre – aber mit deutlich mehr Aufwand verbunden ist." Ab ins Ausland Wer also den deutschen Medizin-NC verpasst, muss noch lange nicht verzweifeln. Es gibt viele Möglichkeiten, im Ausland eine genauso gute medizinische Ausbildung zu bekommen, die später überall anerkannt wird. NC-Flüchtlinge müssen sich aber für die hohen anfallenden Kosten wappnen, denn beinahe jede ausländische Universität verlangt für den angebotenen Medizinstudienplatz saftige Studiengebühren. Mittlerweile ist daraus gerade an den osteuropäischen Universitäten ein großes Geschäft geworden. An vielen Unis muss man außerdem Eignungsfeststellungsprüfungen absolvieren, die den Wunsch-Medizinern bessere Chancen auf einen der begehrten Plätze versprechen. Dennoch lohnt es sich, im Ausland nach seinem Traumstudienplatz Ausschau zu halten. Man sollte für seinen Berufswunsch kämpfen und so manchen Rettungsanker, der zum Ziel führt, ergreifen.